EM-Stadt Lemberg: Turnier im Anflug
Ein Testlauf für den EM-Auftakt in Lemberg endet im Verkehrschaos. Dafür ist der neue Flughafen nun in Betrieb. Für den normalen Flugbetrieb wirkt er arg groß.
LEMBERG taz | Wenn die Maschine beim Landeanflug zum Lemberger Flughafen eine Schleife macht und zur Landung in Richtung Westen ansetzt, bekommen die Passagiere einen ersten Vorgeschmack auf die Plattenbauten der Vorstadt und das Brachland darumherum. Und auf die zwei teuersten Objekte, die in Lemberg je gebaut worden sind – das Fußballstadion und den Flughafen.
Das 300 Millionen Euro teure Stadion, verloren wie ein silbergraues Ufo in der Wüste, wirft die Sonnenstrahlen zurück in die gähnende Leere und verschwindet bald aus dem Flugzeugfenster.
Der neue Terminal blieb nach der feierlichen Eröffnung Ende April zunächst geschlossen, wurde dann geöffnet, wieder geschlossen, noch einmal geöffnet. Nun ist der Flughafen in Betrieb. Doch etwas vermisst man: die Flugzeuge. Es sind im Moment drei, die sich offenbar in der Sonne langweilen.
Kein Wunder, täglich landet hier kaum ein Dutzend Maschinen. Während der EM werden es mehr sein. Schließlich wurden dafür über 400 Millionen Euro Steuergelder verbaut. Was nach dem Turnier kommt, weiß keiner so richtig.
Kein Taxistand am neuen Terminal
Ein ziemlich eng geratener Bus aus Lemberger Produktion bringt die Fluggäste zum Terminalgebäude. Die Grenzkontrolle dauert gerade mal zwei Minuten, neun Schalter sind geöffnet, nicht mal eine Spur von Schlange. Wer sich an die Abfertigung im alten Terminal erinnern kann, weiß das zu schätzen.
Der erfahrene Vielreisende sollte bei der Ankunft wissen, wie man den halblegalen Abzockern, die sich als Taxifahrer ausgeben und jeden ankommenden Fluggast umschwärmen, aus dem Weg geht. Eine Alternative zu finden wird nicht einfach sein. Nach einem offiziellen Taxistand sucht man vergebens, und die öffentlichen Verkehrsmittel enden vor dem alten Terminal.
Verlässt man den Flughafen, hat man zwei Optionen. Die hartgesottenen Fans könnten direkt zum Stadion fahren, durch sowjetische Plattenbauten der 70er hindurch, breite Straßen, neu asphaltiert, stellenweise zäh fließender Verkehr, nach einer halben Stunde ist man da.
Diejenigen, die einen romantischen Wunsch nach kulturellen Erlebnissen und Nostalgie nach Habsburgerzeit empfinden, kommen nicht umhin, das historische Zentrum der Stadt zu besuchen. Zu Fuß lässt sich die Altstadt mit zahlreichen alten Kirchen und Jugendstilhäusern, stilvoll und gemütlich eingerichteten Kaffeehäusern, dem durch die italienische Renaissance geprägten Marktplatz und der prachtvollen Oper mit der Fanmeile davor wunderbar erkunden.
Mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es dagegen schwieriger. Kein Wunder: nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden kaum neue Straßen in Lemberg gebaut, das Verkehrsaufkommen hat sich aber fast verzehnfacht. Und wird noch eine wichtige Verkehrsader gesperrt (wie an den Spieltagen vorgesehen), endet das Leben im Verkehrschaos. Wie bei der Generalprobe vor wenigen Wochen.
Als der Sohn des Autors in der Schule das Freiticket für ein Schülerspiel im neuen Stadion bekommen hatte, war er überglücklich. Der Versuch, mit dem Auto dorthin zu kommen, endete jedoch bereits nach wenigen Metern: die Straße zum Stadion war gesperrt, auch für die Taxen.
Damit die deutschen Fans ein Stück Heimatgefühl haben, hat man bei den in Deutschland gebraucht gekauften Bussen die Zielroute stehen lassen. So kann es sein, dass ein Bus, auf dem „Kirchenallee“ oder „Rathausplatz“ steht, zum Stadion fährt. Die Busse durften dies auch am Tag der Generalprobe.
Es gab nur ein Problem: sie waren proppenvoll und hielten meistens gar nicht an. Für die EM-Fans soll es Shuttle-Busse geben, mit denen die etwa zehn Kilometer lange Strecke von der Altstadt zum Stadion bewältigt werden soll. Vielleicht sollte man die Strecke einfach zu Fuß laufen. Sie ist gut ausgeschildert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren