EM-Basketball in Polen: Sturm und Drang
Radikal verjüngt tritt das deutsche Team bei der Europameisterschaft in Polen an.
Sturm und Drang
Nein, Dirk Nowitzki ist nicht dabei, auch nicht Chris Kaman. Die NBA-Stars fehlen. Mit dabei sind Robin Benzing, Elias Harris, Tibor Pleiß oder Lucca Staiger. Wenn heute in Polen die Basketball-Europameisterschaft beginnt und das deutsche Team der No-Names gegen Frankreich antritt, dann müssen sich Benzing und Co. beweisen. Sie werden gebraucht, und sie können sich nicht verstecken hinter Spielern gesetzteren Alters.
Benzing stand im letzten Vorbereitungsspiel gegen Slowenien sogar in der Startformation, auch Pleiß und Harris überzeugten, von der Bank kommend. "Sie werden ins kalte Wasser geworfen", sagt Frank Menz, "es war ja abzusehen, dass der Umbruch im Nationalteam kommen musste." Der Umbruch ist radikal ausgefallen, weil nicht nur die Profis aus Amerika fehlen, sondern Pascal Roller, Ademola Okulaja, Robert Garrett oder Mithat Demirel nicht mehr für Deutschland spielen. Menz, der bis 2008 für das A2-Nationalteam zuständig war und jetzt die Jugend für die U17-Weltmeisterschaft 2010 in Hamburg fit machen soll, sieht eine große Chance in der Hauruckverjüngung: "Diese Spieler haben Herz, die brennen für den Basketball, und mit Mitte 20 sind die auf absolutem Topniveau."
Das Championat: Montag beginnt in Polen die 36. Auflage der Basketball-Europameisterschaft. Als EM-Fünfter von vor zwei Jahren hat sich die deutsche Auswahl direkt qualifiziert. Das DBB-Team von Bundestrainer Dirk Bauermann trifft Montagabend in der Vorrunden-Gruppe B auf Frankreich (19.15 Uhr, DSF). Schwerer wird es dann am Dienstag gegen Titelverteidiger Russland, der allerdings durch prominente Ausfälle gehandicapt ist. Einen Tag später heißt der Gegner im letzten Gruppenspiel Lettland.
Die Favoriten: Ohne ihren NBA-Superstar Dirk Nowitzki muss die deutsche Mannschaft mindestens Gruppendritter werden, um in die Zwischenrunde einzuziehen, was für das junge Team schon fast eine Sensation wäre. Zu den Medaillen-Anwärtern gehören wohl die Spanier, die mit Pau Gasol vom NBA-Champion Los Angeles Lakers antreten. Geheimfavorit könnten die Franzosen sein, die sich zwar erst als letztes Team für die Endrunde qualifizieren konnten, mit Tony Parker von den San Antonio Spurs aber ebenfalls exzellent besetzt sind.
Der Kader: Robin Benzing (20, künftig in Ulm), Patrick Femerling (34, ohne Verein), Demond Greene (30, ohne Verein), Stefan Hamann (28, Alba Berlin), Elias Harris (20, Gonzaga University), Jan-Hendrik Jagla (28, ohne Verein), Tim Ohlbrecht (21, Baskets Bonn), Tibor Pleiß (19, ohne Verein), Heiko Schaffartzik (25, Braunschweig), Sven Schultze (31, ohne Verein), Lucca Staiger (21, Iowa State University), Konrad Wysocki (27, Turow Zgorzelec/Polen)
Die jungen Spieler sind gerade mal um die 20 Jahre alt, in der von US-Amerikanern geprägten Bundesliga sind sie so gut wie nicht in Erscheinung getreten. Flügelspieler Robin Benzing (2,08 Meter groß) spielte in der vergangenen Saison für den Zweitligisten TV Langen, Harris (2,01) hat gar nur in der dritten Liga für Speyer gespielt, Staiger trat für die Iowa State University in der US-Collegeliga NCAA an. Doch es ist nicht so, dass die Neulinge nichts vorzuweisen hätten und nur notgedrungen von Bundestrainer Dirk Bauermann berufen worden wären. Benzing war unlängst bei der U20-EM bester Werfer des Championats mit im Schnitt 22,2 Punkten pro Partie, Harris konnte die beste Quote aller Teilnehmer für Würfe aus dem Feld (nur Zweier) vorweisen - mit sehr guten 60 Prozent.
Coach Menz ist Teil des Trosses, der nach Polen gereist ist. Er assistiert Bauermann, "sucht den kurzen Draht" zum Chefcoach, will sich an der Arbeit von Bauermann orientieren. Zum Betreuerteam gehört auch A2-Trainer Denis Wucherer. Es sind Personalentscheidungen, die für einen nachhaltigen Strategiewechsel sprechen: Die Jungen sollen es künftig richten. Dazu passt, dass es ab der kommenden Saison eine Jugend-Basketball-Bundesliga (JBBL) für U16-Spieler geben wird mit 48 Teams aus ganz Deutschland. Seit drei Jahren besteht bereits die NBBL, die Nachwuchs-Bundesliga für U19-Spieler, und Menz sagt, diese Liga habe "ganz deutlich positive Effekte" gezeitigt. Ein großes Problem bleibt allerdings die Förderung von Talenten in der Bundesliga. Bauermann beklagt regelmäßig den fehlenden Mut der Vereine; die setzen lieber auf US-Amerikaner als auf das vielversprechende Talent aus Bergisch Gladbach oder Ulm.
Das erste Spiel gegen Frankreich wird ein Gradmesser sein, wie belastbar das neue, junge Team ist. Menz hofft auf eine Überraschung: "Wir gehen nicht in das Spiel, um zu verlieren, wir wollen gewinnen." MARKUS VÖLKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!