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EIN AUFSCHREI ÜBER SPRACHPROBLEME AN DEN GRUNDSCHULEN BLEIBT AUSDeutsch kostet Geld

Die Situation ist dramatisch. Und dies nicht nur in der von der deutschen Politik längst als Problemfall abgehakten Haupstadt, in deren Innenstadt 60 Prozent aller nichtdeutschen Erstklässler und immerhin noch erschreckende 13 Prozent der deutschen dem Unterricht ohne intensive Sprachförderung nicht folgen können. Wissenschaftler sind sicher, dass die Ergebnisse der jüngsten Studie auch auf andere Großstädte übertragbar sind.

Doch ein Aufschrei bleibt aus. Der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch will künftig nur noch Kinder einschulen, die einen Deutschtest bestehen – doch woher die Deutschkenntnisse kommen sollen, bleibt offen. Berlins SPD-Schulsenator Klaus Böger will einfach weitermachen wie bisher – als ob die Sprachlosigkeit der getesteten Kinder nicht auch Ergebnis seiner Bildungspolitik wäre. Und der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel will eine Ausländerquote an Grundschulen einführen – und dafür notfalls Sechsjährige ans andere Ende ihrer Stadt karren.

All das sind tiefe Eingriffe in die bildungspolitische Mottenkiste, die teilweise zudem diskriminierend sind. Zukunftsweisende Ansätze sind es nicht.

Da kann auf den ersten Blick Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber punkten, wenn er „Sprachlernklassen“ für Migrantenkinder vorschlägt, wie sie in Bayern geplant sind. Das hört sich gut an: Grundschüler mit mangelnden Deutschkenntnissen werden für einen Teil des Unterrichts von ihren Klassen getrennt und erhalten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde intensiven Deutschunterricht. Auch Kindergartenkinder, die es nötig haben, würden gefördert. Doch das ganze Förderprogramm soll „flexibel“ und „bedarfsgerecht“ eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Die Finanzierung – und damit die flächendeckende Umsetzung – ist nicht gesichert.

Genau damit aber muss Schluss sein. Zumindest in den Großstädten ist eine verbindliche und ausreichende Sprachförderung in der Schule gefragt. Fast wichtiger noch ist die gezielte Förderung in der Kindertagesstätte. Hier müssen alle Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, in kleinen Gruppen von geschultem Personal gezielt gefördert werden. Modellprojekte zeigen, dass das funktioniert. Doch dafür braucht es entschlossenes Handeln – und natürlich Geld: für eine bessere Ausbildung von Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen, für mehr Personal in Kitas und Schulen. Wenn hier nicht endlich gehandelt wird, ist nicht nur ein neuer GAU bei der nächsten Pisa-Studie vorprogrammiert. Dann schafft sich die Republik ein ganz teures Problem. SABINE AM ORDE

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