: EG im Konklave: Weißer Rauch unwahrscheinlich
■ Außenministertreffen in Brüssel soll Fragen für Gipfel entschärfen
Brüssel (dpa) – Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft beginnen an diesem Montag in Brüssel entscheidende Vorbereitungen für das Gipfeltreffen der zwölf EG-Regierungschefs, bei dem in eineinhalb Wochen die Agrarpolitik und die Finanzen der Gemeinschaft reformiert werden sollen. Das Sondertreffen, „Konklave“ genannt, hat nach den Worten von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher die Aufgabe, dem Gipfel in den noch umstrittenen Fragen „so klar formulierte Alternativen vorzulegen, daß die unverzichtbare Einigung möglich wird“.
Der Vorsitzende des Ministerrates verlangte am Wochenende von den EG-Ländern Kompromißbereitschaft: „Wir erwarten, daß beim Konklave alle Delegationen bereit sind, einen Beitrag zur Annäherung der Positionen zu leisten“, sagte Genscher nach einem Gespräch mit seinem belgischen Amtskollegen Leo Tindemans und dem Präsidenten der EG- Kommission, Jacques Delors, am Samstag in Brüssel. Falls der Sondergipfel am 11./12. Februar unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Kohl scheitert, droht der EG – sie war nach den erfolglosen Gipfel-Verhandlungen in Kopenhagen ohne Haushalt ins neue Jahr gegangen – im Sommer die Zahlungsunfähigkeit.
Der niederländische Premierminister Ruud Lubbers hatte erneut betont, daß es ohne eine wirksame Eindämmung der seit Jahren steigenden Kosten für die gemeinsame Agrarpolitik keine Einigung über die gesamte EG-Reform geben könne. Die zuletzt von Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle unterbreiteten Vorschläge seien so nicht annehmbar.
Die britische Premierministerin Margaret Thatcher und Frankreichs Staatspräsident Francois Mitterrand hatten ihre Differenzen über die EG-Reform am Freitag in London ebenfalls nicht beilegen können. Für London sind einschneidende Begrenzungen der Agrarkosten unbedingte Voraussetzung für einen Gipfelkompromiß. Die EG-Reform, bei der unter anderem die Mitgliedsbeiträge der „Zwölf“ gerechter verteilt und die Mittel für die ärmeren EG-Länder (Strukturfonds) aufgestockt werden sollen, kann nur einstimmig beschlossen werden.
Das von London und Den Haag als unzureichend abgelehnte Agrarpapier von Kiechle – es ist auch Verhandlungsgrundlage für das Konklave – würde nach Berechnungen der EG-Kommission 1988 und 1989 zusammen rund 280 Millionen ECU (über 580 Millionen Mark) weniger an Einsparungen bringen als die letzten Kommissionsvorschläge, sagten Diplomaten. Die Agrarausgaben sind seit Jahren stark gestiegen und machen zur Zeit mit etwa 56 Milliarden Mark rund zwei Drittel des gesamten EG-Haushaltes aus.
Ein Erfolg des Gipfeltreffens hängt jetzt vor allem davon ab, ob sich Bonn und London über das Agrarproblem einigen können, hieß es in EG-Kreisen. Helmut Kohl wird sich zu diesem Zweck am Dienstag in London mit Frau Thatcher treffen.
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