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EG differenziert Sanktionen

■ Nicht mehr ganz Jugoslawien, sondern nur noch Serbien und Montenegro werden bestraft

Brüssel/Zagreb/Belgrad (dpa/afp/ taz) — Die Europäische Gemeinschaft hat die am 8. November verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien rückwirkend für vier Republiken aufgehoben. Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien sollen einem Beschluß der EG-Außenminister vom Montag zufolge wieder alle vereinbarten Handelsvorteile und Finanzhilfen erhalten. Lediglich gegen Serbien und seinen Verbündeten Montenegro bleiben die Sanktionen bestehen, die eine Streichung der Handels- und Zollpräferenzen sowie einen Ausschluß aus dem westlichen Hilfsprogramm für Osteuropa (PHARE) umfassen.

Forderungen nach zusätzlichen Sanktionen gegen Serbien, beispielsweise im Verkehrsbereich oder Zahlungsverkehr, wie sie von deutscher Seite vorgetragen wurden, fanden in Brüssel keine Mehrheit. Auch Italiens Forderung, Montenegro von den Sanktionen auszunehmen, wurde in Brüssel abgelehnt. Griechenland, das für den Export seiner Waren in die EG weitgehend auf den Transit durch Jugoslawien angewiesen ist, enthielt sich der Stimme.

Über die Anerkennung von einzelnen Republiken will die EG nach Aussage des deutschen Außenministers Genscher „abschließende Betrachtungen“ noch nicht beim Gipfeltreffen in Maastricht am kommenden Wochenende anstellen, sondern erst bei der nächsten Außenministertagung am 16. Dezember. Bis dann, so hofft man in Brüssel, könnte in der Frage der Entsendung einer UNO- Friedenstruppe nach Jugoslawien, mehr Klarheit bestehen.

Nach wie vor umstritten ist nämlich, wo die Blauhelme stationiert werden sollten. Kroatiens Präsident Franjo Tudjman, der bislang die UNO-Truppen an der Grenze zwischen den Republiken sehen wollte, gab am Montag bekannt, er könne sich die Friedenstruppen in den jetzt von der Armee und serbischen Freischärlern besetzten Gebieten seiner Republik vorstellen, falls sich die Besatzungstruppen parallel zurückzögen. Die Forderung des Montenegriner Branco Kostic, des stellvertretenden Vorsitzenden des Staatspräsidiums, die internationale Truppen müßten ausschließlich an der front stationiert werden, lehnte Tudjman kategorisch ab. Am Sonntag traf der Sonderbeauftragte der UNO, der ehemalige US-Außenminister Cyrus Vance, zu einem dreitägigen Besuch in Belgrad ein, wo er mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosević und dem jugoslawischen Verteidigungsminister Veljko Kadijević zusammentreffen will. Anschließend will er sich im österreichischen Graz mit Tudjman treffen.

Inzwischen stellte sich auch der Geheimdienstchef der von Serbien dominierten Bundesarmee, Marko Neganović, klar auf die Seite der serbischen Regierung. Er betonte, die Armee werde selbst nach dem Eintreffen von Blauhelmen Kroatien nicht verlassen. Am Sonntag meldete Serbien zudem erstmals offen seinen Anspruch auf Dubrovnik an. Die Adriastadt müsse dem „Serbischen Autonomen Gebiet Herzegowina“ zugesprochen werden, hieß es im Belgrader Rundfunk, einer offiziösen Stimme der Regierung. „Die Küstenlinie gehört nach internationalem Recht dem Hinterland“, lautete die Begründung. Im schmalen zu Kroatien gehörenden süddalmatischen Küstenstreifen leben nicht einmal sieben Prozent Serben. Das unmittelbare Hinterland ist allerdings mehrheitlich serbisch besiedelt und gehört zum Teil zur Republik Bosnien-Herzegowina, zum Teil zu Montenegro. thos

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