: EG-Konvoi muß vor Vukovar umkehren
■ Furcht vor eingeschmuggelten Cetniks/ Loncar regt neue EG-Spitzenkonferenz an/ Dubrovnik weiter ohne Wasser und Strom
Vinkovci/Den Haag(ap) — Der von EG-Beobachtern begleitete Konvoi mit Nahrungsmitteln und Medikamenten, der tags zuvor nach mehreren vergeblichen Anläufen den südlichen Stadtrand von Vukovar erreicht hatte, ist am Montag unverrichteter Dinge umgekehrt. Ein Sprecher der EG-Beobachterdelegation in Zagreb, Simon Smits, teilte mit, die rund 50 Fahrzeuge befänden sich auf der Fahrt in die nächstgrößere Stadt Vinkovci, von wo aus ein weiterer Versuch gemacht werden solle, das seit Wochen von der jugoslawischen Armee belagerte Vukovar zu erreichen. Der Konvoi hatte am Sonntag an einer Kaserne im Süden von Vukovar halt gemacht, und es war erwartet worden, daß er Montag morgen in die Stadt fahren würde, um die mitgebrachten Hilfsgüter abzuladen sowie Verwundete, Frauen und Kinder zu evakuieren. Die Bundesarmee erteilte offenbar auch die Erlaubnis zur Fahrt durch die eigenen Linien. Das Unternehmen scheiterte 'Tanjug‘ zufolge an kroatischen Nationalgardisten vor Ort. Diese vermuteten, in den Konvoi hätten sich serbische Freischärler eingeschmuggelt.
Die Entsendung des Konvois war Teil einer Vereinbarung zwischen der jugoslawischen Bundesarmee und dem kroatischen Verteidigungsministerium, das im Gegenzug die Blockade der Borongaj-Kaserne in Zabreb aufheben und den dort stationierten Truppen ungehinderten Abzug gewähren wollte. Der Konvoi hatte seitdem wegen schwerer Gefechte dreimal umkehren müssen, EG-Vertreter sollen den jugoslawischen Verteidigungsminister Veljko Kadijevic aufgefordert haben, die Fahrzeuge unbehelligt passieren zu lassen und damit seine Zustimmung auch zu der Gesamtvereinbarung — Abzug der Armee aus Kroatien binnen eines Monats und Aufhebung der Blockade aller Kasernen durch kroatische Kämpfer in Kroatien — zu signalisieren. Das jugoslawische Verteidigungsministerium hatte dagegen gleich am Freitag morgen wissen lassen, daß es einem Rückzug der Armee nicht zugestimmt habe.
Nicht nur Vukovar, sondern auch die dalmatinische Küstenstadt Dubrovnik wird von der Bundesarmee weiterhin von der Wasser- und Elektrizitätszufuhr abgeschnitten, obwohl die Beendigung der Blockade Bestandteil des Waffenstillstands- Abkommens gewesen war. Der kommandierende Offizier der Armee vor dem eingeschlossenen Dubrovnik begründete seine Weigerung damit, daß ein kroatischer Scharfschütze einen Armeeangehörigen „feige erschossen“ habe.
Auf der fünften Vollversammlung der Friedenskonferenz für Jugoslawien hat die EG einen erneuten Vermittlungsversuch gestartet. Für heute wurden die Präsidenten aller Teilrepubliken sowie der (kroatische) Chef des Staatspräsidiums, Stipe Mesic, eingeladen. Lord Carrington, der Vorsitzende der Konferenz, teilte mit, daß „auf höchster Ebene“ die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen diskutiert würden. In diesen Gruppen waren Vorschläge für einen künftigen Menschenrechts- und Minderheitenschutz, die Probleme der Ökonomie und der künftigen staatlichen Ordnung Jugoslawiens erarbeitet worden. Auf der Tagung der Außenminister vom Vortag hatten der Waffenstillstand und der Rückzug der Bundestruppen aus Kroatien gestanden. Teilnehmer dieser Konferenz unter dem Vorsitz des britischen EG-Vermittlers Lord Carrington waren die Außenminister aller sechs jugoslawischen Republiken, der jugoslawische Außenminister Loncar, der niederländische Außenminister Hans van den Broek und der neue Sonderbeauftragte der UNO für Jugoslawien, der frühere amerikanische Außenminister Cyrus Vance. Vance hatte sich am Sonntag in Belgrad über die Lage informiert und wird anschließend nach Zagreb reisen.
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