: Durchsichtige Dackel
Der Hamburger Salvatore Sabbatino ist der schnellste Luftballon-Knoter der Welt. In einer Stunde fabriziert er 296 Figuren ■ Von Jakob Michelsen
Viele Wege führen ins Guinness-Buch der Rekorde. Die einen singen 180 Nationalhymnen in sechs Stunden, andere sammeln 13.000 Zollstöcke. In Bergisch-Gladbach befindet sich die größte private Sammlung von Doktorarbeiten, und wer nicht artig ist, muß sie alle lesen. Der Hamburger Salvatore Sabbatino knotet Luftballons, um ins Buch der Superlative aufgenommen zu werden.
296 Ballons in nur einer Stunde formte er im Juli dieses Jahres auf der „Spaß-Olympiade“ in Flensburg zu Hunden, Ringen, Herzen und Elefanten; seitdem hält er den offiziellen Weltrekord. Im Guiness-Buch steht er trotzdem noch nicht. „Für die neueste Auflage habe ich mich leider zu spät angemeldet“, sagt der Sproß einer Zirkusfamilie aus den italienischen Abruzzen bedauernd. Dafür werde er aber in die nächste Auflage des Nachschlagewerkes für Fakten, die die Welt nicht braucht, eingehen.
Einen weniger prestigeträchtigen Eintrag kann der Mittdreißiger schon jetzt vorweisen: Er wurde in den Leipziger Club der Rekordhalter „Saxonia“ aufgenommen.
Bei den Wettbewerben muß Sabbatino ein strenges Reglement einhalten: Jeder Ballon wird eigenmündig aufgeblasen, Pumpen und ähnliche Hilfsmittel sind verboten. Die bunten Luftwürste werden in über 30 verschiedene Formen gebracht, von denen keine mehrfach direkt hintereinander auftauchen darf. Die Knoterei wird mit einer Uhr im Hintergrund auf Video aufgezeichnet, auf daß niemand hinterher behaupten kann, die Welt sei getäuscht worden.
„Entscheidend dafür, daß der Ballon nicht platzt, ist die Form“, berichtet Sabbatino und klingt so ernsthaft, als handele es sich um einen Job im Büro. Lang und dünn müsse das Grundgebilde sein, verkündet er und verbiegt zwei schlangenförmige Latexdinger zu einem kleinen grünen Dackel, der einen noch kleineren grünen Dackel im durchsichtigen Bauch trägt. Das Tier ist aus dem gleichen Material wie gewöhnliche Kinderballons, aus Latex. Formbar werden die luftgefüllten Schlangen durch die warmen Hände des Künstlers. Wer lange genug geschickt dran herumdrückt, kann so theoretisch aus jedem aufgepusteten Kondom einen Pudel oder eine Palme machen.
Salvatore Sabbatino hat darin jahrelange Übung. Bereits mit 13 trat er als Clown auf; vor einigen Jahren kam er nach Hamburg, wo sein Bruder als Zauberer im Hansa-Theater in St. Georg engagiert war. Hier verdingt er sich als Sänger auf Hochzeiten oder als „Zauberclown“ auf Kinderfesten, und auch die SportlerInnen der Winterolympiade 1992 in Albertville hat er unterhalten – wenn er auch keine SkifahrerInnen aus Luftballons im Repertoire hat.
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