Durchs geile Dröhnland: Punkrock-Overkill
■ Die besten, wichtigsten und unwichtigsten Konzerte der kommenden Woche
So multikulturell die Besetzung von Uptide auch sein mag, es schlägt sich kein bißchen in der Musik des Berliner Quartetts nieder. Statt dessen beweisen sie, daß, auch wenn sich ein Ire, ein Palästinenser, ein Pole und ein Deutscher zusammentun, das Ergebnis trotzdem eintöniger Monsterrock sein kann – selbst wenn der durchaus professionell die Abgründe zwischen Hardrock und Gothic durchmißt. Nicht allzu weit davon entfernt graben sich Junesaw durch ähnliche Rockklischees. Dabei grollen die Gitarren beleidigt, und die Stimme kommt von irgendwo unterhalb des Zwerchfells. In ihren besten Momenten erinnern sie an die frühen, naiven Pearl Jam, als die noch glaubten, mit einer Mitgrölhymne wie „Alive“ die Welt verändern zu können. Das hat bekanntlich nicht funktioniert, aber immerhin ihren Kontostand eindrücklich erhöht. Ähnliches dürfte unserem Berliner Trio nicht drohen, aber wenn man die Augen zumacht, kann man sich Dirk nennen und sich einbilden, man sei in Seattle anno 1990. Die Heiligen Drei Könige fallen da schon aus dem Rahmen, nicht nur, weil sie den üblichen Humpta-Punkrock spielen, sondern weil sie so unheimlich lustig sind, daß sie sogar Rex Gildo covern. Solche Ideen reifen in Kreuzberg, das sollte einem dann doch zu denken geben.
28.8., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Miozän, seien sie noch so lange der einzige international erfolgreiche deutsche Hardcore-Act, brettern auch nur dahin und lassen ihren Sänger vornehmlich röcheln. Speak 714 versuchen mehr Elemente unterzubringen, sind aber von einer Sprengung der Genre-Grenzen nicht weniger weit entfernt. Die aus Mitgliedern verschiedener amerikanischer Hardcore-Bands zusammengesetzte Quasi-Supergroup schafft es immerhin, trotz eines bis zur Schmerzgrenze erhöhten Tempos eine gewisse Klarheit beizubehalten. Da hört man jedes Gitarrenriff, auch wenn der Trommler im Stakkato prügelt, und mit ein bißchen Mühe kann man sogar die Texte verstehen, obwohl selten zuvor soviel Gesang auf sowenig Platz war. Daß Speak 714 ganz offiziell zugeben, hauptsächlich ihre eigene, ja auch schon anderthalb Jahrzehnte währende Vergangenheit in und mit Hardcore zu verwalten, schon allein diese Ehrlichkeit macht sie zu den unbestrittenen Helden bei diesem „Forego Hardcore Open Air“, einem Abend voller Wunden, die Punkrock schlug. Außerdem dabei: Culture, Pole, Shortage und Even.
29.8., ab 16 Uhr, Insel, Alt- Treptow 6, Treptow
Starfish bekamen ihre fünfzehn Minuten Berühmtheit, als ihre Debüt-Platte von Bob Mould (Ex-Hüsker-Dü und Ex-Sugar) produziert wurde. Die Starthilfe verpuffte allerdings relativ schnell, weil das Trio aus Austin, Texas, zwar breite Gitarrenwände, retrospektive Rocksimen und eine nette Melodie hin und wieder zustande brachten, aber keinen echten Hit. Ihre letzte Platte mag mit einem achtminütigen Instrumental beginnen, bei dem die ersten siebeneinhalb Minuten rein gar nichts passiert, aber Starfish sind halt nur ein Rocktrio und mithin ziemlich unzeitgemäß, auch wenn sich die Geschlechter freundlich die Sangeseinlagen teilen. Da helfen auch die zugegebenermaßen recht hübschen atonalen Ausfälle nichts, die dann wieder mit einem Wah-Wah-Ausflug in die 70er oder lieblichen Popversuchen böse konkurrieren. Wie bei Starfish scheint die Unentschiedenheit auch bei Broccoli Programm zu sein. Mal versuchen sich die Schotten an ebenso elegischen wie gemütlichen Epen von nahezu amerikanischer Weite, dann lassen sie einen Schrammelpop ab, der vehement nach engen britischen Arbeiterreihenhäuschen riecht.
30. 8., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte
Die Backyard Babies reiten darauf herum, daß sie die wahren Werte des Rock'n'Roll in unsere inzwischen so oberflächlichen Zeiten herüberretten würden. Sich heutzutage noch die Gitarren auf Kniehöhe zu hängen, ist allerdings dann doch eher mißverstandener Traditionalismus, denn das war schon bei den Ramones ein kabaretthafter Ansatz. Außerdem unterscheidet sich dieses ganze Sex-and- Drugs-Getue nun keinen Deut von der Generation, die sich auf der Love Parade rumtreibt, auch wenn die Sorten Spaß leicht unterschiedlich sein mögen. Immerhin sind die vier Schweden schlau genug, in ihren Highspeed-Rock, den sie voll erklärter Bewunderung für Hanoi Rocks spielen, gleich die prophylaktische Antwort für jede Form von Kritik einzubauen: „I don't care what you say 'cause I'm born to lose/ And I don't give a damn if I'm a fool for you“. Auch gut.
2.9., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Eine unvorhersehbare Wandlung haben Jud vollzogen. Das Trio aus Virginia ist nicht mehr nur die fröhliche Punk-Band, die sehr überzeugend so tut, als wenn sie höchstpersönlich gerade all die Punk-Klischees frisch erfunden hätte. Mit ihrer neuen Platte ist ihnen schon fast so etwas wie ein Konzept-Album gelungen, wenn das nicht ein so übles Schmipfwort wäre. Erst einmal ist das hier zwar noch Punk, aber sowohl musikalisch als auch textlich findet sich auf „Chasing California“ der Abgesang auf den Hardcore. Der kalifornische Lebensentwurf ist gescheitert, und selbst die dortige Sonne, Grundvoraussetzung für die mit Hardcore eng verbundene Surfer- und Skate-Kultur, ist im Titelsong nur mehr eine kalte Bedrohung. Auch musikalisch kann man nun hören, wie der kalifornische Traum zu Grabe getragen wird. Den flotten Nummern geht jede Euphorie ab, und daneben stehen immer wieder entnervend langatmige Sequenzen, in denen die klassischen Schönwettersounds genußvoll seziert werden.
Mit Blackmail, 3.9., 22 Uhr, Tacheles Thomas Winkler
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