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Durchs DröhnlandMelodeien wie Norwegerpullis

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Cat Sun Flower sind vor allem ein gutes Beispiel dafür, wie sehr heftige Medienpräsenz und tatsächlicher Erfolg auseinanderlappen können. Die Band aus München bekam überall große Geschichten, von der Süddeutschen über Prinz bis zum Zillo, aber in Berlin spielen sie in einem Club, in dem sich sonst eher Hinterhofpunkkapellen die Klinke reichen. Vor drei Jahren wäre dieser Spagat vielleicht auch noch denkbar gewesen, aber inzwischen ist der Monumentalrock (du darfst auch ,Alternative‘ dazu sagen) von Cat Sun Flower allzugut im Großgeschäft aufgehoben. Zugute halten muß man ihnen immerhin, daß ihr Zähflußdröhn mit leichten psychedelischen Anfällen und einer interessanten Stimme von Heidi Triska locker mithalten kann mit dem, was sich sonst so über den Äther quält.

Heute, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Wußten Sie, daß die Entwürfe der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (Thomas Jefferson, wenn ich mich nicht irre), auf Hanfpapier niedergeschrieben wurden? Sehen Sie, solch unschätzbare Informationen wären verborgen geblieben, gäbe es nicht Cypress Hill. Musikalisch allerdings ist unser allerliebstes Trio aus Los Angeles das Auslaufmodell vom vorletzten Sommer, was aber nicht schlimm ist, schließlich haben sie es erst möglich gemacht, daß man HipHop mögen und trotzdem kiffen darf. Und ein wenig sind sie sicher auch dafür verantwortlich, daß sich zumindest der Westküsten-Rap wieder auf seine Smoothness besonnen hat und eine freundliche Einladung zum Tanze niemals in bpm aufzuwiegen ist. Und schließlich taugen ihre Schleifbeats immer noch als klasse Hintergrundmusik für eine gepflegte Unze Gras.

Morgen, 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Manchmal liegt die Faszination ausgerechnet in Eigenschaften, die man sonst gar nicht schätzt. Wer dumpfes Gestampfe ohne jede Dynamik, Gesang, der immer um den gleichen Ton herumkrächzt, und enervierend langes Nichtspassieren schätzt, der ist bei Hammerhead an der richtigen Adresse. Mein Fall ist das sonst nicht, aber ich kann nicht verleugnen, daß sich unter der rauhen Schale des Trios aus Minneapolis ein gutes Herz verbirgt. Das zu entdecken, wird einem allerdings nicht gerade leicht gemacht. Statt dessen türmen sie einen Berg unanhörlichen Mülls über den anderen, nur um darunter eine noch gewaltigere Schutthalde zu verstecken. Doch läßt man sich erstmal fallen, findet man unweigerlich die Nadel im Heuhaufen, hartgesottenere Burschen würden vielleicht hübsche Melodei dazu sagen. Manchmal ist da sogar pure Schönheit, weil Ästhetik ein glücklicherweise so dehnbarer Begriff ist. Waren die Wipers Spitzenklöppler, dann stricken Hammerhead kratzige Norwegerpullis. Das Ergebnis ist nicht sehr ähnlich, aber hat doch ein wenig gemeinsam: Beides ist irgendwie klamottig und kuschelig.

Morgen, 23 Uhr, Eimer

Ich war auch mal auf einem Toy-Dolls-Konzert. Das ist schon so lange her, daß es mir nicht mehr peinlich sein muß. Also müssen sich die Lost Lyrics auch nicht schämen, daß sie dreizehn Jahre nach „Opel Gang“ tatsächlich Texte machen, die nicht mal selbstironisch sind, und auch musikalisch noch langweiliger, als die Toten Hosen jemals werden könnten. Das Trio aus Kassel spielt Harpos „Moviestar“ als Punkrock, und diese Sorte Witze sollte nun wirklich verboten werden. Aber der Pogo wird sicher wieder nett. Tut Euch nicht weh, Jungs!

Morgen, 21.30, Schoko-Laden, Ackerstraße 169, Mitte

Die Swoons kommen aus Wolfhagen und vom gleichen Label wie die Lost Lyrics. Einziger Unterschied: Noch mehr Coverversionen. Um ehrlich zu sein, bekam ich sogar sommerliche Gefühle, aber weil ich gerade Snob war, kann ich jetzt nicht plötzlich freundlich werden. Aber „Substitute“ ist einfach ein zu guter Song, als daß man ihn verschandeln könnte. Diese Sorte Witze, die ich den Lost Lyrics verbieten wollte, hat's hier auch. Und ihr „Wann wird's mal wieder richtig Sommer?“ hat – unglaublich, aber wahr – noch weniger Charme als das Original von Rudi Carrell.

Morgen, 21 Uhr, Tommy-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg

Creep sind entstanden aus den Überresten von Kapellen wie Eternal Rest und Rumble Militia, also althergebrachtem deutschen Korrekt-Metal. Das rockt schwer und rollt behäbig dahin, hat auch gerne mal diese Maschinengewehrgitarren, die Mitte der 80er so ungemein schick waren. Knorke, wenn man sich die Haarwurzeln aus dem Schädel herausheadbangen will. Ähnlich leidend dann auch die Texte, in denen sich schlechte Laune mit Verwirrung und Langeweile abwechselt. Nicht, daß ich nicht glaube, daß es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht (hat meine Mutter auch immer gesagt, wenn ich mein Tellerchen nicht aufessen wollte), aber müssen die alle immerzu Songs schreiben? Gebt ihnen Liebe, aber habt kein Mitleid, da werden sie wütend.

Sonntag, 14.4., 20 Uhr, Am Wasserturm, Spandau

Bei den frühen U2 hat man auch in Reinickendorf gut zugehört, aber auch bei Big Country. Und wenn sie gar nicht erst versuchen, allzu eigen zu klingen, haben Humanize All noch ihre besten Momente. Ansonsten quillt aus jeder Rille das grundehrliche Bemühen um Rockmusik, eine Verbissenheit ums Professionelle, die bitter aufstößt. Die Folge ist eine Band, die der Reproduktion von Klischees nichts neues abgewinnen kann, und die man deshalb gut für die Abiturfete im nächsten Leben buchen kann.

So.,14.4., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17, Mitte

Wenn man Lars Ziegener kennt, muß man eigentlich stündlich mit der Auflösung von 7 Days rechnen. Da waren Ponyboy Curtis, Pain, und auch 7 Days sind einem steten Besetzungswandel unterworfen. Einer der festen Faktoren der Potsdamer Band ist Ralf Liebchen, der den Bass auch bei Desmond Q. Hirnch betätigt, und diese Querverbindung weist ein wenig den Weg. Gewisse psychedelische Anklänge schleichen sich gerne in die Gitarrenwände, aber meist wird einfach fragmentarisch hingeworfen, was sich im Hirne so an amerikanischen Vorbildern angesammelt hat. Sie selbst führten vor zwei Jahren als Einfluß Buffalo Tom an und das ist heute immer noch nicht falsch. Die Idee, das Demo-Tape schlicht „Popsongs“ zu nennen, führt in den Zeiten der Britpop-Hausse allerdings auf die völlig falsche Fährte. Und bei Radiopuhelimet liegt man da erst recht neben der Sauna, denn die fünf Finnen lassen es lärmen. Natürlich ist das irgendwo Hardcore, aber sie geben nicht umsonst Birthday Party und Cpt. Beefheart als Einflüsse an. Beide schufen auf ihre Art und Weise die Voraussetzungen, scheinbar unvereinbares zusammenzufügen. Deshalb dürfen Radiopuhelimet sich mit wirklich gemeinem Punklärm an hin und wieder recht verzwickte Songstrukturen ranwagen. Die als weitere Lieblinge genannten James Brown und Sly Stone sucht man allerdings recht vergeblich.

Do., 18.4., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler

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