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Durchs DröhnlandMatte ab oder Matte nicht ab ...

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Es beginnt wie der Soundtrack eines indischen Films. Fast schon sehnsüchtig wartet man auf das Herzblut und das rot fließende, auf überdrehte Tragödien und irrwitzigen Klamauk. Dann legt sich ein satter Dub-Beat sanft unter das Wimmern und Klagen. Aus indischer Folklore entsteht fast unbemerkt, aber doch sehr bestimmt Dancefloor. Und der nimmt sich, was er braucht: Leise Sequenzer vom Techno, gemütliche Bässe aus dem Reggae, afrikanische Trommeln oder keltische Pfeifen. Verantwortlich für diesen Stilwahnsinn sind die Suns of Arqa. Die sind weniger eine Band als vielmehr ein Projekt um das Label Arka Sound aus Manchester. Wenige feste Mitglieder und immer wieder neue Gastmusiker wie Prince Far-I oder Adrian Sherwood wurden auf bisher 13 Platten abgemischt von Größen wie Gerald Simpson, der sonst unter A Guy Called Gerald firmiert, oder eben Sherwood. Vor drei Jahren ging man nach New Delhi, um dort mit dem Geiger Johar Ali aufzunehmen. Veröffentlicht wurde „Shabda“ erst kürzlich, weil Ali bisher nicht in England einreisen durfte. Dessen Violine dominierte die meisten Stücke dieser Platte, selbst eine Coverversion von „Tomorrow Never Knows“ der Beatles. Die eher seltenen Stimmen lautmalen, wenn sie denn kommen, und zitieren ebenfalls quer durch die Worldmusic.

17. 8., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Losgelöst aus dem zwar überzeugenden, aber doch auch recht einschränkenden Lolitas-Rock-'n'- Roll, läuft Schlagzeugerin und taz-Layouterin Françoise Cactus in letzter Zeit zu großer Form auf. Kein Zufall, daß Stereo Total „Je t'aime“ leicht abgewandelt nachspielen, denn Cactus und ihr Liebhaber/Bester Freund Brezel lassen Serge Gainsbourg und Jane Birkin als Kreuzberger Hinterhofversion wiederauferstehen. Zwischen Chanson und Chanty hat sich ein gemütliches Plätzchen gefunden, wo (puh!) Easy Listening und (immer wieder charmant!) französischer Akzent auf traditionsreiche Respektlosigkeit und respektlose Traditonspflege trifft.

17. 8., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Der erste Song des ersten Demos der Berliner Treatment heißt nur zufällig „Cut Your Hair“ und damit genauso wie vielleicht der beste Song von Pavements großartiger 94er LP „Crooked Rain, Crooked Rain“. Im Gegensatz zu Pavement, die Gegenwart und Zukunft des Gitarrenrock in eben diesem Song hinterfragten und schließlich rieten, die Matte fallen zu lassen, grübeln Treatment entgeistert „Warum willst du die Haare schneiden lassen?“ So treten Treatment etwas auf der Stelle, aber das durchaus amüsant. Jedenfalls, wenn man es noch amüsant findet, daß Jungs sich über Gitarrenhälse gebeugt im Rhythmus wiegen.

17. 8., 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

Der König der Surf-Gitarre, das soll Dick Dale sein, aber falsch liegt, wer nun nur das übliche Hawaii-Gedängel erwartet, jenen Frohsinn also, den uns die Space Hobos regelmäßig bieten und dessen Flut uns durch den „Pulp Fiction“-Soundtrack beschert wurde. Zwar weiß Dale seine Gitarre auch so zu spielen, zwar singt er nicht allzu häufig und auch nicht allzu gut, aber meist kommt der Mann direkt aus dem Hardrock, um von dort die weichen Surf-Sounds auseinanderzunehmen. Nicht umsonst covert er Jimi Hendrix. Bläser läßt er auch schon mal dröhnen, natürlich wird Ennio Morricone zitiert. Aber Dale weiß eine ganze Menge mehr mit dieser Gitarrenfarbe anzufangen, als man so gemeinhin erwartet, schließlich hat er bereits 1962 seine erste Platte veröffentlicht.

18. 8., 21 Uhr, Knaack

Das ZAP, Hardcore-Fanzine mit Bibelanspruch, meinte, Die Wahre Schule sei bereits nach ihrem ersten Demo „ähnlich wegweisend“ wie damals die erste Fehlfarben-Platte. Das Problem ist, daß zu Zeiten von „Monarchie und Alltag“ ein Weg zu weisen war, Die Wahre Schule jedoch auf einem bereits bestellten Feld ackert. Ihr linker HipHop, der sich weniger auf amerikanische Gangster bezieht als auf eigene Punktradition, hat bereits Vorbilder hierzulande, ob nun Krombacher MC oder Killa Instinct. Außerdem sind die Raps des öfteren nicht gerade das, was man gemeinhin elegant nennt. Lobenswert bemüht und dahinholpernd erinnern sie schon mal an Advanced Chemistry.

18. 8., 22 Uhr, AnOrAK, Dunckerstraße 14, Prenzlauer Berg

Klein gehören zu der Sorte Bands, die von großen Plattenfirma verpflichtet werden, weil die sich ängstigen, den allgemeinen Aufbruch von Popmusik mit deutschen Texten zu verpassen. Die vier Hamburger bewegen sich dabei zwischen Klamauk und neuer deutscher Ernsthaftigkeit, die selbst noch den eigenen Humor zu wichtig nimmt. „Klein sind respektlos und zynisch“ ließen sie sich ins Info schreiben und meinen, um das zu werden, sei es damit getan, Sätze zu singen wie „Ich bin born to be Vollkorn.“ Lachen ist eine schöne Sache – meistens jedenfalls.

19. 8., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Gerade als man glaubte, der typische englische Schrammelpop der 80er Jahre sei endgültig von den Beatles-Nachfahren dieser Tage überrannt worden, machen selbst Wedding Present mal wieder eine Platte. Und Shallow tauchen auf, nur daß die dummerweise aus Kansas kommen. Das Quartett hat es sich zum Ziel gesetzt – entgegen aller aktueller Trends –, mit ihrer Musik Tanzen nahezu unmöglich zu machen. Tempo ist bei ihnen ganz bestimmt eine Größe, die von keinen logischen Faktoren bestimmt scheint: Songs brechen ab, werden unvermittelt schneller oder ergeben sich auch ganz der Monotonie. Verwirrt zurück bleiben die Tänzer. Wenn die Leute „entnervt aufgaben“, das „hat uns Spaß gemacht“, erzählt die Band. Über diesen Rhythmusverwirrungen, für die als Schlagzeuger die eine Hälfte des Ehepaars Shields hauptverantwortlich ist, und den mal fisseligen, mal eher klirrenden Gitarren säuselt die andere Hälfte des Ehepaars sirenengleich. Damit können Shallow trotz ihrer klassischen Rockbesetzung durchaus der neuen Besinnlichkeit um Portishead zugeordnet werden.

Mit Grover und Varnaline am 21. 8., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108, Neukölln Thomas Winkler

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