Durchs Dröhnland: In Bed with „Spex“
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Vor allem sehr, sehr traurig können Bratsch werden, wenn ihr Zigeuner-Swing an Tempo verliert, das ewig fröhliche Akkordeon mal Atem holt und statt dessen die Geigen klagen. Die Klischees träufeln nur so, wenn die Fünf aus Frankreich sich sämtliche verfügbaren europäischen Volksmusiken einverleiben und gleich noch ein paar angrenzende asiatische dazu.
Das Verdienst von Bratsch ist es dann allerdings, so zu klingen, als sei dieser Eintopf doch noch authentisch, was bei solcher Musik noch immer ein nicht zu unterschätzender Wert- wie Werbefaktor ist. Dieser Balanceakt zwischen Eigenverantwortlichkeit und Klauerei hat sie zu Lieblingen des bürgerlichen Feuilletons werden lassen: Wenn auch typischerweise die Süddeutsche Zeitung eher die akademischen Leistungen goutiert („... während die Essenz der Musik sich dabei immer wieder in einer neuen Sprache kristallisiert...“), und die Frankfurter Allgemeine Zeitung es mal wieder ganz anders sieht („Party- Intensität“).
14. 2., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Hier hat jemand alle Jahrgänge von Spex komplett unterm Kopfkissen. Wohnung kommen aus dem Friedrichshain oder auch nicht, denn je nach Bedarf verortet man sich gerade da, wo man es braucht. Identitäten gibt es nicht mehr, wird hier postuliert, die Gesellschaft ist eh tot, der Underground sowieso. Der Ideologieversuch soll hieb- und stichfest werden, damit man dann tun und lassen kann, was man will. Nur recht und billig, aber das ganze Gedöns wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Außerdem: „Wohnung ist eine Werbestrategie.“ Und: „Das Ende von Gegenwelt und Avantgarde impliziert, daß nunmehr an die Stelle der Kritik die Werbung tritt, denn der Kritiker hat als Kritiker keine Existenzberechtigung mehr.“
Ich will mir das also mal zu Herzen nehmen: Wohnung sind toll, aber wirklich. Denn tatsächlich nutzen sie nahezu all die Freiheiten, die sie sich theoretisch zu schaffen versuchen, indem sie schlanke Lou-Reed-Gitarren, hippen Drum & Bass, Hörspielanwandlungen, elegische Keyboards, Sprechgesang, Popmelodien, ein Xylophon und vieles mehr zu Musik vereinigen, das auch noch Fluß hat. Wenn der Kritiker noch seine Existenzberechtigung hätte, könnte er vielleicht sagen: Die beste Band der Welt. Oder zumindest das Spannendste, was seit langem in dieser Stadt zu hören war.
14. 2., 23 Uhr, Karel Duba, Warschauer Straße 80, Hinterhaus
Ein zweites Konzert am 16. 2., 21 Uhr, Trips Drill, Bernauer Straße 53–61
Moonshake waren einmal angetreten, den Rock 'n' Roll zu Grabe zu tragen. Manchmal schien es fast, als wolle Bandgründer David Callahan seine eigene Vergangenheit als nicht überaus erfolgreicher britischer Gitarrenschrammler vom Ende der Achtziger abarbeiten. Also benannten sich Moonshake nach einem Song von Can und lösten Songstrukturen auf, soweit es ging. Und auf ihre Platten ließen sie schon mal stolz den Aufkleber „Guaranteed guitar free“ pappen.
Auf ihrem neuesten Werk finden sich immer noch keine Gitarren, aber die Rockrhythmusgruppe tut doch so ziemlich das, was sie auch sonst tut. Und es sind reichlich Songs zu erkennen, die Plattenfirma nennt das dann „leichter zugänglich“.
Nun erinnert manches an die Deklamationen von The Fall, und zum Tanzen ist es sicher nicht gedacht. Vielleicht kann man es so hören: Was Tricky mit Tanzmusik macht, die Hülle nehmen, um die ganz persönlichen Alpträume zu klaustrophobischen Hörspielen zu machen, das tun Moonshake mit dem netten alten Opa-Rock, denn manche Geräusche, die sich Callahan da hingesamplet hat, sind wirklich ganz gemein.
15.2., 22 Uhr, Insel, Alt-Treptow7
Man muß nicht immer alte Platten oder noch ältere Filmkomponisten ausgraben, um angenehm beschallt seinen Cocktail zu schlürfen. Weil junge Menschen heutzutage zuviel Taschengeld kriegen, das sie dann unbedingt in eben jene Cocktails anlegen müssen, deswegen haben die Cardigans so einen Erfolg. Ist zumindest meine kleine, unbedeutende Theorie.
Die Confusions schwimmen gleich mit, weil ein Cardigan seine schwedischen Landsleute produziert hat und sie deshalb einen freundlich weichen Sound zum besten geben. Auf Platte zumindest, denn eigentlich ist das eine recht konventionelle Sixties- Band, inklusive einer schnieken Orgel und unsicheren Jungs-Chören im Background.
Was aber immerhin bedeutet: Keine Beatles, jedenfalls nicht ausdrücklich. Und das ist momentan doch fast schon ein Qualitätsmerkmal. Einfach nette kleine Songs mit Strophe und Refrain, keine avantgardistischen, nicht mal mystische Blähungen, einfach nur altmodische Popmusik.
16. 2., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Biohazard haben immerzu versucht, mitten in einem pervers knüppelnden Hardcore auch noch möglichst viel Informationen unterzubringen. Weswegen der Gesang kaum als solcher zu bezeichnen war, aber hätte man Rap gesagt, wäre der eine oder andere wirklich elegante Reimeschnitzer wohl ziemlich beleidigt gewesen.
Am beliebtesten war das Quartett aus Brooklyn sowieso immer in Deutschland, was ja dann auch wieder paßt, denn da versteht sowieso niemand so recht, was da gebrummelt wird. Hauptsache, die Gitarren bollern schön. Und das tun sie garantiert, auch wenn der inzwischen auch nicht mehr so neue Gitarrist, der von Helmet kam, ein paar gemütlichere Riffs eingeführt hat.
20. 2., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
Portbridge sind eine relativ neue Berliner Band, die momentan versucht, sich per Arschabspieltour durch die Berliner Kleinclubs bekannt zu machen. Ihre Gitarren sind mal ziemlich lethargisch, mal ein bißchen flockiger, dann hat es sogar Popappeal, mal tröpfelt es so dahin und die weibliche Stimme singt ein paar nette Melodien. Das Ganze findet ziemlich souverän statt, ist sogar hin und wieder wunderschön, aber haut einen schlußendlich doch nicht so recht vom Kinderschemel. Und irgendwie erinnert es mich auch noch an Wave-Rock und die Zeit ist nun mal ziemlich vorbei.
20. 2., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei Thomas Winkler
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