Durchs Dröhnland: Cool genug sein
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Ist Metal noch zu retten? Die Versuche sind vielfältig, haben sich in letzter Zeit allerdings ziemlich totgelaufen. Das mit dem „höher, schneller, weiter“ funktioniert halt nur mit Doping so richtig, und das war in der Branche nun ja eh schon immer freigegeben. Auch dem Dark Metal geht es da nicht so gut, weswegen sich Dimmu Borgir aus Norwegen bei ihren epischen Ballereien nicht nur auf Gitarrenbreitseiten und Kotzgesang verlassen, sondern sie mit mittelalterlichem Pathos und verzwickten, möchtegernanspruchsvollen Rhythmus- und Harmoniewechseln aufpeppen. Unterstützt wird das zusätzlich noch mit viel Schminke und Kostümierung. Das Endprodukt ist reiner Fasching. Ob Metal also noch zu retten ist? So eher nicht.
15.8., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
In den USA werden Konzerte von Marilyn Manson manchmal von aufgebrachten Eltern verhindert, die um die seelische Unversehrtheit ihrer Kinder fürchten. Die christliche Rechte streut Gerüchte, bei den Shows des selbsterklärten Priesters der Church of Satan würde auf der Bühne homosexueller Sex und Sodomie praktiziert, Tiere geopfert und Mädchen aus dem Publikum zum Faustfick gezwungen. Tatsächlich reißt der Mann einfach nur ein paar Seiten aus der Bibel und wischt sich den Arsch mit der amerikanischen Flagge ab. Hierzulande läuft der Mann als der Witz, der er ist. Ob man ihn lustig findet, muß jeder selbst rausfinden. Mir hat unlängst ein Musiker erzählt, der das wiederum angeblich aus sicherer Quelle haben will, daß der gute Herr Manson gar kein Satanist ist, sondern nur ein guter Schauspieler mit Sinn fürs Geschäft.
18.8., 20 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114
Die Raps zwischen kindlichem Gemecker und jugendlichem Gemacker hören sich so an wie die frühen Beastie Boys, bloß ein bißchen schneller. Ihr Kleinsthit vom letzten Jahr „Fire Water Burn“ ist, so sagen sie selbst, „100prozentig von Weezer inspiriert“, und so klingt er auch. Dann sind die Gitarren wieder piepsig und die Beats wie von kleinen Kindern, was mich irgendwie an Fischmob erinnert. Noch ein wenig relaxter Jazz- Hop gefällig oder gar ein wenig Easy Listening? Musikalisch läßt sich die Bloodhound Gang nirgendwo einordnen, begonnen hatte Jimmy Pop Ali in Philadelphia mit Musik, die allein auf Samples beruhte, inzwischen ist die Gang beim Major Geffen gelandet und wurde mit Instrumenten erweitert, damit man den Rücken des Bassisten bei Konzerten als Dartscheibe benutzen kann, und einen DJ hat man engagiert, der allerdings angeblich nicht weiß, was man mit zwei Turntables so machen soll. Was natürlich Quatsch ist. Während sich die Band also an jeder verfügbaren Richtung von Popmusik vergeht, stilisiert sich Jimmy in seinen Raps zum weißen Kotzbrocken, der an nichts ein gutes Haar läßt, sich inklusive: „Hello, my name is Jimmy Pop and I'm a dumb white guy.“ Doch er ist nicht nur doof, sondern auch noch der größte Namedropper vor dem Herrn: Prinzessin Di und Mark Twain, Kurt Cobain und Kojak, Barry White und Frank Black, die Nase von Al Pacino und die Faust von Mike Tyson, „der Zwerg Spike Lee“ und viele mehr tauchen auf und verschwinden ebenso schnell wieder. „Going Nowhere Slow“ besteht sogar fast ausnahmslos aus Städtenamen. Wenn nicht gerade Prominente oder Orte in den Dreck gezogen werden, macht man sich ganze Volksgruppen zum Feind („I hate lesbian feminists cause they're all so damn ugly“), besingt die Unannehmlichkeiten von Oralsex („Kiss me where it smells funny“) oder beklagt sexuelle Erfolglosigkeit („I wish I was queer so I could get chicks“). Nichts und niemand ist zu abgeschmackt, um nicht durch den Kakao gezogen zu werden, das Auffinden von P.C.- Peinlichkeiten ist hier Programm. Kritikern nimmt eine Empfehlung im CD-Inlet allen Wind aus den Segeln: „If you find the content of these lyrics offensive, you're not cool.“ MTV waren cool genug und haben sie rauf und runter gespielt. Allerdings bricht Jimmy Pop Ali mit der HipHop-Tradition, die den Rapper immer als Sprecher ureigenster Erfahrungen zumindest postuliert, und treibt das Spielchen in die Ambivalenz: Ist der Typ nun ein unangehmer Zeitgenosse oder vielleicht nur der Gerhard Polt des Rap?
19.8., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
Bush sind die 2956. amerikanische Gitarrenband, die ihre amerikanischen Gitarrenbreitwände aufbaute, um damit amerikanische Stadien zu füllen. Einziger Fehler: Sie sind eigentlich Engländer. Was aber irgendwann egal wurde, denn wenn man zu Hause nicht so richtig interessiert, denn füllt man halt weiter fremdländische Stadien. Im Gegensatz dazu sind Silverchair zu Hause ganz groß, aber zu Hause ist in ihrem Fall Australien. Berühmt wurden sie vor allem damit, daß sie so schrecklich jung sind. Was sie nicht davon abhielt, ebenfalls amerikanische Stadien zu füllen. Ein nettes Hobby. Und so einträglich.
19.8., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten
Arztserien allüberall und nun noch Dr. Fettadler. Dieses Berliner Sextett aus fünf Doktoren und einer Nachtschwester wechselt souverän zwischen Folk- Chaos, Dumpfbackenrock mit ellenlangen Gitarrensoli und Lambada-Daddelei, als wäre das alles nichts. Eine fidele psychedelische Orgel steht freundlich neben New-Age-Geträller aus dem Background, das in ziemlichem Kontrast steht mit den Texten, die sich vor allem mit Wein, Weib, und Gesang und den Folgen am nächsten Morgen auseinandersetzen. Ob das ironisch ist oder allzu ernst gemeint, muß wahrscheinlich jeder mit seinem eigenen Geschmack abmachen.
21.8., 22 Uhr, Duncker,
Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler
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