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Durchs DröhnlandFummeln mit DJs

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

P.N.A.T.S.H. waren eine der wenigen Dub-Bands, die diese Stadt hervorgebracht hat. Hervorgegangen aus deren Resten ist nun Submission, das den flockig-leicht dahinfließenden Off-Beat mit letzten Errungenschaften des Tanzbodens wie House erweitert und auch vor afrikanischen Gesängen nicht zurückschreckt. Dazu erweitern sie den live gespielten Rhythmus mit Samples und laden sich auch schon mal einen DJ dazu. Der Versuch, dem gemütlichen Planeten Dub neue Sensationen hinzuzufügen, wirkt zwar manchmal etwa geschmäcklerisch, aber wenn die große Stärke, das Fisseln und Fummeln am Rhythmus, die kleinen wabernden Geräusche ausgespielt werden, dann wird Hitze hörbar gemacht.

6.6., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Die Geschichte von Jürgen Engler ist geprägt von verwegenen Stilwechseln, begonnen beim Punk über Metal zu Industrial und wieder zurück und kreuz und quer. Inzwischen haben die Krupps die abgehangene Souveränität alter Säcke entwickelt, die ihnen die Möglichkeit gibt, sich endgültig von allen Beschränkungen zu verabschieden. Friedlich existiert in ihrem Höllensound alles nebeneinander; wenn man will, kann man sogar Techno aus dem Stakkato der Gitarren heraushören. Und bei der überladenen, opernhaften, vor Freude fast platzenden Coverversion von „Fire“ hat sogar Arthur Brown, verantwortlich für das Original, mitgetan. Engler setzt sich derweil seinen Cowboyhut auf, wird weltberühmt und läßt die Toten Hosen immer noch nicht auf seine Partys.

6.6., 21 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114, Neukölln

Weil sich Metal und Kabarett oft nicht unterscheiden lassen, weiß man nicht so recht, was dieser Haufen häßlicher Norweger mit seinen Oberlippenbärtchen eigentlich anrichten will. Musikalisch liefern Turbonegro einen dermaßen flotten Punkrock, daß einem schon vom Zuhören schwindelig wird, aber das ist Absicht. Sie nennen Songs „Pissing in Oslo“ und haben ihren Spaß, wenn sie auf der Bühne Lederschwulenklischees verhackstücken. Eigentlich sind sie die Proll-Ausgabe von Laibach, jederzeit ambivalent, nie politisch korrekt, aber immer zum Lachen.

6.6., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 5356, Mitte

Daß das Berliner Label Twang! sich den Sixties verschrieben hat, ist keine große Neuigkeit mehr, weswegen auch die Verpflichtung von Mind Kiosk nicht verwundert. Aber wo sonst daddelige Farfisa-Orgeln und kleine hingerotzte Popperlein glänzen, versucht sich das Hildesheimer Quartett an großen Songepen voller Wendungen und Verwicklungen mit plötzlichen Stimmungs- und Soundwechseln. Unweigerlich fallen einem die mittleren bis späteren Beatles ein, als die das LSD in künstlerischen Ausdruck überführten. Programmatisch heißt ein Song von Mind Kiosk denn auch „Turn Back Time“.

6.6., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 3639, und 7.6., 22 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Eigentlich sind die Rounder Girls gar keine richtige A-cappella-Gruppe, denn sie leisten sich einen Mann am Klavier, der ihnen auch das eine oder andere Stück komponiert. Was den vier Frauen aus New York, New Orleans, London und Wien, die sich in der österreichischen Hauptstadt trafen, die Möglichkeit gibt, die sonst nötige Rhythmusarbeit zu vernachlässigen und sich statt dessen auf das Stimmvolumen austestende Solo-Auftritte und ausgefeilte Chorparts zu stürzen. So erinnern die vier eher an einen Gospelchor, der sich hin und wieder an Blues oder Soul versucht, und sogar manche der Eigenkompositionen wirken wie aus der Kirche geklaut. Um das Publikum in Stimmung zu bringen, vertrauen sie trotzdem solchen Gassenhauern wie „When The Saints Go Marching In“ oder „Down By The Riverside“.

10.–12.6., 18 Uhr, Sommergarten des Pfefferbergs

Bei Green On Red bildeten der schwergewichtige Sänger Dan Stuart und Chuck Prophet als asketischer Kumpel an der Gitarre so was wie Didi und Stulle an der Ami-Gitarre. Seit dem Ende der Band hat man von Stuart kaum noch etwas gehört – dafür um so mehr von Prophet, der hier und dort und überall seine Saiten im Spiel hatte. Und außerdem seinem dünnen Stimmchen einige Solo- Platten zumutete, auf denen er nicht nur aussieht wie der frühe Tom Petty, sondern sich auch teilweise so anhört. Auf seiner letzten Platte ist ein Schiff von Buick mit einer Plane abgedeckt, als wären nicht schon Green On Red all die langen Jahre damit beschäftigt gewesen, die amerikanischen Mythen zu konservieren. Gleich im ersten Stück fordert Prophet „give me some credit“, und den soll er auch bekommen: Er, allein er, verwaltet angemessen das Vermächtnis.

11.6., 21 Uhr, Huxley's Cantina

Solange Hardcore vorwärts ging, konnte man ihn noch Punkrock nennen. Seitdem er an seine Geschwindigkeitsgrenzen gestoßen ist, finden sich plötzlich die verwegensten Experimente, und vor denen macht man auch in Aurich nicht halt. Dort hat man überm Küchentisch einen Brief hängen, in dem Jello Biafra mitteilt, wie beeindruckt er von der ersten Platte von eternal rest ist. Was die fünf Friesen dazu bewegte, noch bewegtere Musik zu machen. Ständige Stilwechsel sind da noch gar nichts, denn auch wenn Sänger Skip Danko in einem Stück verkündet: „I never talk about Jazz“, setzen sie doch oft genug genau solche Strukturen in Punk-Sounds um. Das mag seit Fugazi oder NoMeansNo nicht gerade die neueste Nachricht sein, aber es ist ein Feld, auf dem sich noch eine ganze Weile ausführlich ackern läßt.

12.6., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler

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