Durchs Dröhnland: Im Hochofen
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Die gute Nachricht zuerst: Heute spielen Chumbawamba. Die Hausbesetzer-Combo, die sich so gar nicht wie eine anhört, gab das beste Konzert des letzten Jahres und brachte sogar die versammelte Kreuzberger Politunlustigkeit im SO 36 zum Tanzen. Das bringen fast nur sie fertig: Tanzschaffe mit den absolut politisch korrekten Inhalten. Doch jetzt kein Wort mehr über die beste mögliche revolutionäre Tanzkapelle, denn Chumbawamba sind Pflicht, und wenn Ihr Glück habt, bekommt ihr sogar noch eine Karte.
Heute um 22 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Wie das immer so geht, hat die Kritikerschar der gebürtigen Japanerin Sachiko aufgrund ihres Wohnsitzes San Francisco gleich das Etikett „Westcoast“ angehängt. Immerhin hat man zugegeben, daß da noch viel mehr ist, das aber so verwirrend, daß kaum darstellbar. Stimmt fast bis auf die Westküste. Die taz hatte da mal wieder den besseren Riecher und erkannte messerscharf Patti Smith. Mal ganz abgesehen vom Klischee der entwurzelten Frau, die die Männerrollen im Rock 'n' Roll überzeugender spielen kann als die Jungs selbst, ähneln sich sogar Songstruktur und Melodieführung auf das frappanteste: dunkel schwelgend und sich im Verlauf immer mehr zur Ekstase hin zu steigern, die aber immer nur kühl exekutiert und nie ausgelebt wird. Hin und wieder exerzieren Sachiko und ihre Band Culture Shock auch einen schlichten Rock, der trotzdem seine nötigen, grobkörnigen Kanten findet. Entwarnung für Ethno-Ängstliche: Japanische Einflüsse sind trotz Sachikos Herkunft auch mit gutem Willen nur schwerlich zu entdecken.
Heute um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Bisher konnte man ja den Eindruck gewinnen, daß Death- und Doom-Metal in deutschen Landen vor allem im neugewonnenen Osten der Republik gern gehört und zuletzt auch gemacht werden. Nun darf es auch ein Aushängeschild aus dem Westen sein, das natürlich in der Szene um Tom „No more Ecstasy“ Spindler entstehen mußte. Art of Pain nennen sie sich, sind nicht verlegen um eine eigene Schublade („Paincore“) und bieten vor allem den bewährten Knüppelsound in dopingverdächtigen Geschwindigkeiten. Sie vergessen nicht die langsam dräuenden Parts und haben mit Hannemann einen Herrn am Mikro, der weiß, wie man Kotze zum Klingen bringt.
Heute um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Kreuzberg
Irgendwo, ganz oberflächlich sind die Cranes nicht von dieser Welt. Klar, sie stammen aus Portsmouth, sie schreiben Musiken, sogar solche, die man Songs nennen könnte, wenn man einen wirklich miesen Tag hatte. Doch zuallererst ist ihre Musik einfach Atmosphäre, ziemlich kranke dazu. In erster Linie produzieren sie eine Stimmung, keine Melodie. Diese Stimmungen sind durchgehend düster, ob sie nun sphärisch verträumt oder lärmend krachend daherkommen. Den Nukleus der Cranes bildet ein Geschwisterpaar. Alison und Jim Shaw wuchsen zwar getrennt auf, aber fanden sich zum Musizieren wieder. Jim schreibt die Musik und schlagwerkt den ewig gleichen Rhythmus, Alison schreibt die Texte und malträtiert ihr rauhreifzartes Stimmchen in Höhenlagen, die ihm nicht sonderlich gut bekommen dürften. Definitiv eine der kränksten Sachen, seit die Sonne zum allerletzten Mal unterging.
Heute um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
Denk ich an Bochum, denk ich an Grönemeyer und weiß doch, daß da noch mehr sein muß. Denn gerade Bochum bietet den Stoff, aus dem gemeinhin Metal geschmiedet wird. Oder auch Dark Rock. Secret Discovery wagen den Versuch, die beiden letzteren zu verschmelzen. Und der Hochofen funktioniert. Im Gegensatz zu englischen Versuchen wie den Sisters of Mercy geht ihnen zwar jede Eleganz ab, aber das machen sie mit der nötigen Härte und ungebrochenem Kampfgeist wieder wett – ganz der VfL. Sie selbst meinen, „Metallica meets Fields of the Nephilim“ und liegen dicht dran damit, auch wenn der Gesang noch etwas sehr gequält böse daherkommt.
Am 15.5. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
So recht können sich die vier Ostberliner von Die Art nicht entscheiden, was sie denn nun spielen wollen. Zuletzt noch deftig 77er Punkrock, jetzt ganz zahme 0815-Rock-Versuche in leicht böswilliger Stimmung. Dazu Geigen und anderes Qualvolles. Unglaublich aber ist vor allem der Akzent des Sängers bei den englischsprachigen Texten. Möchte das Kabarett sein?
Am 15.5. um 21 Uhr in der Wabe, Dimitroffstraße 101, Prenzlauer Berg
An sich ist „Mainstream“ ja ein ziemlich übles Schimpfwort, aber hin und wieder findet sich dann doch jemand, der die Middle-of-the-Road zum gangbaren Weg macht. Daniel Lanois verdiente sich seine Brötchen vor allem als Produzent (U2, Dylan, Neville Brothers, Peter Gabriel u. a.), und wo er Hand ans Mischpult legte, raschelten anschließend die Scheinchen. Wie zur eigenen Seelenberuhigung erfuhren die betulichen Klanglandschaften auf Lanois' erstem Solo- Album „Acadie“ vor allem Kritikerlob in rauhen Mengen, wurden aber vergleichsweise müde verkauft. Auf seiner zweiten „For the Beauty of Wynona“ ist der Kanadier zwar ungleich rockiger, hin und wieder sogar atonal, aber immer noch sehr stimmungsvoll. Eigentlich Musik für den Ohrensessel und nicht zum Beine in den Bauch stehen.
Am 16.5. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
Zwar aus New York, aber ohne Verbindung zur dortigen Noise-Szene gehen Cop Shoot Cop einen ganz eigenen Weg, der schon in der Instrumentierung zum Ausdruck kommt. Schlagzeug und Metallwerken, Sampler und vor allem zwei E-Bässe – und trotzdem Hardcore spielen. Ab und an kommt zwar mal eine Gitarre aus der Konserve, trotzdem ist nichts zu vermissen. Logischerweise bilden die beiden Bässe die Grundlage des Sounds, der aber nie die Strukturen des Hardcore verläßt, wenn er auch passenderweise eine radikalere, weil dumpfere Brutalität ausstrahlt. In den grandiosesten Momenten hört es sich auch an, als hätten sich die Pet Shop Boys aus reiner Romantik einen Iro scheren lassen.
Am 20.5. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler
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