Durchs Dröhnland: Max Greger spielt Beatles
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Komische Zwittermusik spielen Nuclear Assault. Die New Yorker Band benutzt Strukturen von Doom- und Death-Metal, ohne ein bißchen bedrohlich zu klingen. Die Gitarrenriffs werden zwar schön ausführlich plattgewalzt und auseinandergenommen, und auch das Tempo wird hin und wieder angezogen, aber das Ganze klingt so keimfrei, als hätte Miss Tilly selbst Hand angelegt. Der Sänger ganz in der 70er- Eunuchentradition, die Gitarren glasklar hübsch durch Marshalls (vermutlich) gejagt, richtige Songs mit Strophe und Refrain und ernstzunehmenden, kritischen Texten. Irgend was ist da extrem faul, es paßt aber auch gar nichts mehr zusammen. Frischgeföhnte Metaller versuchen, die Errungenschaften des Nachwuchses zu adaptieren: Max Greger spielt die Beatles nach.
Heute um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Kreuzberg
Übergehen wir mal kurz die Hauptgruppe. Die heißt Fury in the Slaughterhouse und bildet sich unheimlich was drauf ein, live toll zu sein. Lassen wir sie in dem Glauben. Dann doch lieber Storemage aus Hannover, das bekanntlich ja nun der Inbegriff der Provinzialität ist, ein als Großstadt verkleidetes Dorf, eingeklemmt und zerrieben zwischen Nord und Süd, so ohne jedes Profil, nichts, die haben da nicht mal einen vernünftigen Dialekt. Daß dort die Scorpions entstehen mußten, war klar. Aber daß auch Storemage dort ihre Blümchen züchten, verwundert dann doch. Einhelliges Kritikerlob erntete das Trio bisher für die schlichten Songs, die vor 25 Jahren noch psychedelisch geheißen worden wären. Jetzt kann man Pop dazu sagen, klein, zerbrechlich, liebevoll, manchmal auch verschroben, aber immer mit dem Drang zur möglichst melodischen Melodie. Hoffnung jenseits von Hamburg.
Heute um 20 Uhr im Tempodrom, Tiergarten
Die Basken-Connection steht noch. Dort wo Punkrock noch was mit einem politisch bewußten Leben zu tun hat, wo die Einstellung nicht an der Übungskellertür abgegeben wird, ist oft Euskadi. Parada de Blus sind tätig in der nichtinstitutionellen Jugendarbeit und versuchen dort über die Musik Jugendliche zu politisieren. Man kann über den Ansatz streiten, der Poprock, den sie spielen, hat aber gar nichts mit dem üblichen Basken-Punk zu tun. Die wahrscheinlich versammelten Autonomen dürften sich wundern. Die Erwartungen werden eher Monstruacion erfüllen, wenngleich sie aus Barcelona stammen. Sie gehen ein ungleich schnelleres Tempo, lassen die üblichen Vorbilder vermuten und versuchen dezent, modernere Hardcore-Elemente zu integrieren. Das mag nicht ganz auf der Höhe der Zeit sein, hat aber doch noch mehr Gemeinsinn stiftende Effekte innerhalb der autonomen Szene als jede andere Musik.
Heute um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustr. 2a, Kreuzberg
Einer ganz anderen Punk-Tradition entstammen Rich Kids on LSD. Wenngleich sie fast zu den Gründungsvätern der Westcoast- Szene gehören, haben sie doch nie die Reputation wie zum Beispiel die Melvins erfahren. Wie in jenen sonnigen Breitengraden üblich, nimmt man sich und das eigene Gitarrengefichtel nicht sonderlich ernst. Von den Graphik- Scherzen bis zur Kiss-Coverversion ist alles drin. Die Rich Kids sind unzweifelhaft vom Surfpunk beeinflußt, bei der Herkunft aus Santa Barbara auch kein Wunder. Wer schon immer glaubte, daß die Beach Boys ganz okay sind, aber ein wenig mehr Tempo, Härte und einen Berg Breaks gut gebrauchen könnten, ist hiermit gut bedient.
Am 29.5. um 21 Uhr im Huxley's Junior
Noch mal Punk-Tradition. Diesmal New York, ja auch als Schmelztiegel bekannt. Dort fand Mitte der Achtziger die inzwischen alles beherrschende Verbindung zwischen Hardcore, Metal, Funk und HipHop statt. An den Folgen leiden oder erfreuen — je nach Standpunkt — wir uns noch heute. Mittendrin auch irgendwie, wenn auch erst 1988 gegründet, Biohazard. Sie führten sofort einen Zahn härter fort, was Bands wie die Cro-Mags begonnen hatten. Hardcore wurde nicht nur die Schwere des Metal, sondern auch die Eleganz des Funk und die Informationsdichte des HipHop zugegeben, und Punk würde nie mehr das sein, was er einmal war. Der Schwerpunkt bei Biohazard liegt auf Knüppelmetal und Rap, unverzichtbar bei den ellenlangen Texten der Brooklyner. Elegant oder gar zum Schwoofen sind sie nicht gerade, aber klasse zum Stampfen.
Am 31.5. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
Nun ja, er gibt sich Mühe, so richtig fies schmalzig zu klingen. Er schafft es, der Schweiß sammelt sich hinter den Ohrwascheln, die Backgroundchöre schmachten, die Gitarren jaulen, die Orgel orgelt. Robby Heldwein nennt seine Band nicht umsonst The Berlin Lovers, er läßt sie auch so spielen. Man stelle sich vor: New Orleans, der Mississippi ist noch schlammiger, als er es gemeinhin ist, die Luft ist noch schwüler, als sie es gemeinhin ist, und im Liqueur Store ist kein gut gekühlter Softdrink mehr aufzutreiben. Ja, ungefähr so hören sich Herr Heldwein und seine Liebhaber an. Temperaturangepaßt.
Am 3.6. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg
Ach ja, Frankieboy. Ich werde nie verstehen, wie Frank Sinatra es geschafft hat, „The Voice“ getauft zu werden. Denn es war doch weniger seine Stimme als der Umgang mit ihr, der sie zum Prototyp des Las-Vegas-Singsangs gemacht hat. Die endlose Erfahrung mit ihr beschert ihm auch heute, wo eben diese Stimme kaum noch existent ist, die Fähigkeit, seine Evergreens zu retten. Die dürften auch heute wieder gewohnt pompös, richtig satt mit Bläsern und allem Schnickschnack zur Aufführung gelangen. Alle von den Schmonzetten, all die kleinen Perlen, die man früher aus ganzem Herzen gehaßt hat und die sich mit zunehmendem Alter bei einem hinterlistig durch plötzliches Gefallen rächen. Früher mal fand man die Sid-Vicious-Version von „My Way“ irrsinnig witzig, inzwischen freut man sich aus tiefstem Herzen aufs Original. Jede Wette, daß eben dieses „My Way“ das letzte Lied sein wird.
Am 3.6. um 20 Uhr in der Deutschlandhalle, Messedamm, Charlottenburg
Zum Abschluß doch noch mal Punkrock. GBH allerdings sind ihre eigene Tradition. Aus dem einfachen Grund, daß Kanada so was sonst nicht zu bieten hat. Trotzdem gehören die vier Herren inzwischen zu den Dienstältesten und auch noch Beliebtesten. Höchstens die Anhänger von Exploited können es in puncto Treue mit denen von GBH aufnehmen. Da dürfte es also niemand wundern, daß die Kanadier ihre Fans nicht gerade mit Innovationen verschrecken: Midtempo-Punk, unbeleckt von Hardcore-Sperenzchen, erfreut die konservative Kundschaft.
Am 3.6. um 21 Uhr im Trash, Oranienstr. 40–41, Kreuzberg Thomas Winkler
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