Durchs Dröhnland: Punk-Adel Ost & Punk-Adel West
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Natürlich hat Ostberlin ebenso seinen Punk-Adel, auch wenn Eugen Balanskat noch nicht solange dabei ist wie Stromsperre. Er gründete seine Skeptiker 1986, aber erst drei Jahre später gab es die erste Veröffentlichung für die Berliner – damals auf einem Sampler der Amiga. Die erste eigene LP ging weg wie warme Semmeln, aber die Band zerbrach – auch weil es die Mauer nicht mehr gab, die sie zusammengehalten hatte. Mit neuen Leuten nahm Balanskat dann „Sauerei“ auf und fand nicht nur ein neufünfländisches Publikum, sondern jede Menge Alt-Punks in der Alt-BRD, die schon lange auf eine Blutauffrischung der doch recht abgenutzten Szene gewartet hatten. Wenn die Skeptiker „Deutschland Halt's Maul“ anstimmten, konnte man meinen, Slime wären aus Versehen in einen Jungbrunnen gefallen. All die, die den Schwenk zu immer diffizilerem und divergierenderem Hardcore nicht mitgehen wollten, die aber auch gelangweilt von den immer gleichen 08/15-Riffs der alten Heroen waren, fanden in den Skeptikern die Lösung. Diese Klientel bedient Balanskat auch auf der neuen LP namens „Schwarze Boten“ und versucht gleichzeitig, ein wenig metallischer zu werden. Seine teutonische Stimme, die immer einen Tick zu ausgeprägt artikuliert, bleibt das Markenzeichen, die marschartigen Choräle – Überbleibsel der DDR-Punktradition – grüßen die Dead Kennedys.
Am 15.12. mit Die Fremden im SO 36, Oranienstr.190, Kreuzberg
Westberliner Punk-Adel, das sind Stromsperre. Im trüben Herbst 1979 gegründet, brachten es die Jungs aus dem netten Gropiusstadt gerademal zu einigen Samplerbeiträgen und Kassetten. Vor allem aber zu einer Kultgefolgschaft. Und an die Spitze des damaligen Berliner Punk neben Bands wie Olaf und die Untermieter. Dummerweise war es die große Zeit der Neuen Deutschen Welle, und zwischen purem Blödsinn und avantgardistischen Pop- Theorien fand sich kein Platz für die wenigen, die damals in der BRD das Punk-Fähnlein hochhielten. Die einzigen, die ihren Weg gingen, waren ZK, aus denen zumindest die Toten Hosen wurden. Ein Weg allerdings, den Stromsperre sowieso nicht mitgegangen wären. Sich so weit ins System einzubringen, hätte doch noch Korrumpierbarkeit vorausgesetzt. So verkündet ihr Info noch heute fröhlich „das programm umfasst im dezember 1993 ca. 50 minuten mit über 30 liedern“, und jedes von denen ist nicht nur kurz, sondern streng klassisch. Für das heutige Ohr fast antiquiert, damals waren sie höllisch schnell. Und ihre sloganartigen Haß- und Anti-Texte sind vielleicht nicht gerade poetisch, haben dafür aber wieder mal an Aktualität gewonnen.
Am 10.12. mit Magnificent um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Kreuzberg
Eine Besprechung im New Musical Express war schon ganz nah dran: The Tony Head Experience wären wie „Nirvana fronted by a tired and emotional Chrissie Hynde“. Mal abgesehen davon, daß die Sängerin der Pretenders früher mal sehr emotionell war und zuletzt einen sehr müden Eindruck machte, ist was dran. Auch Elisa Young, Sängerin der Experience, arbeitet gerne mit dem Kontrast zwischen abwehrendem Ausbruch und öffnendem, sich hingebendem Flüstern. Und wie die Pretenders stellen die Tony Head Experience manchmal die Rockschemata auf den Kopf: beginnen krachend in den Vollen, um plötzlich zurückgenommen zu werden und den PJ-Harvey-Anteil auszuspielen. Frau Alison wird auch gerne und oft mit Frau Harvey verglichen, aber von deren Zerrissenheit und demonstrativer Verzweiflung ist Alison noch weit entfernt. Und die Experience ist Pop, denn ohne macht's der Engländer nur selten. In den Krach mischt sich so ganz selbstverständlich etwas wie gute Laune am Rande der Apokalypse, und da sind sie tatsächlich irgendwie fast Nirvana. Oder auch – um mal eine Berliner Band zu Name-Dropping-Ehren kommen zu lassen – genauso gut wie 18th Dye.
Am 16.12. um 21 Uhr bei freiem Eintritt im Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg
Es begab sich aber zu einer Zeit, daß Crossover nur ein Wörtchen war, das Menschen kannten, die sich dem zweifelhaften Genuß von Jazzrock hingegeben hatten. Zu dieser Zeit gab es nicht nur eine, sondern sehr, sehr viele Jugendkulturen. Nicht wie heute, wo es Jugend nicht mehr gibt und jedermensch schon mit zarten 12 Lenzen weiß, daß er Rechtsanwalt werden wird. Statt dessen wird heutzutage das Jungsein bestenfalls beim Kunstturnen der „Frauen“ bis zur Ungesundheit getrieben. Damals war das nicht so. Diese vielen verschiedenen Jugendkulturen waren nicht nur scharf voneinander abgegrenzt, sondern zerfielen auch noch gerne in sektiererische Grüppchen. So bestand zum Beispiel ein höllenweiter Unterschied zwischen Teds und Psychos, auch wenn alle Beteiligten Rockabilly hörten. Die einen schmierten sich die langen Haare ganz traditionell mit Wagenladungen von Pomade zur Tolle, die anderen schnitten sich den schnittigen Flattop mit einer Andeutung derselben. Die einen hörten einzig die Originale, die anderen Bands, die dem hüpfenden Rhythmus eine neue Härte abgewannen. Die einen hatten Standbasses, die anderen nichts gegen elektrische. Die größte, beste, härteste, fieseste und dickste Psychobilly-Band waren, sind und werden die Meteors bleiben. Unsterblich durch ihre Einführung des Horrorgenres in den Rockabilly mit dem Gassenhauer „My Daddy Is A Vampire“. Damit schlossen sie zwar nur an eine verschüttgegangene Tradition aus den 50ern an, aber was ein echter Ted war, der hätte sich so was nicht angehört. Der dicke, fiese P. Paul Fenech wechselte zwar die Besetzung seiner Kapelle wie andere das Motoröl im Chevy (einmal benutzte er dazu sogar einen Verkehrsunfall, den er als einziger überlebte), aber trotzdem blieben die Meteors einer der wenigen konstanten Faktoren in einer Szene, die nur eineinhalb hitzige Jahre hatte, um dann wieder auf Bastelzirkel-Verhältnisse gesundzuschrumpfen. Aber wer immer noch nicht genug hat von Groß-, Schwieger- und Sonstmüttererschrecken, sein Gehirn ausschaltet und sich noch ein letztes Mal mit den Jeans in die Badewanne legt, kann mit den Meteors einen wirklich unterhaltsamen Abend verleben. Denn die Stray Cats (ja, die gibt's auch wieder) verspeist Fenech an einem schlechten Tag zum Frühstück.
Am 16.12. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Kreuzberg
Thomas Winkler
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