Durchs Dröhnland: Some things never change oder Können Namen lügen?
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Sich als weiße Hardcore-Band TRBNGR (ausgesprochen Turbo Negro) zu nennen und die Bandmitglieder – in guter alter Ramones-Tradition – durchgehend den Nachnamen Neger führen zu lassen, kann leicht zu Mißverständnissen führen. Die fünf Herren aus Norwegen meinten mit dem Bandnamen aber ganz und gar nichts Rassistisches, der Turbo Negro sollte vielmehr ein „bewaffneter Schwarzer auf Rachefeldzug“ sein. Umbenannt haben sie sich trotzdem und heißen jetzt Stierkampf, was demnächst vielleicht ja die Tierschützer auf den Plan ruft (wie schnell der Schwenk von da nach dort vollführbar ist, macht ja gerade Emma vor). Jenseits davon spielen die Osloer einen gnadenlos geraden Punkrock, der eigentlich das Wort Hardcore noch nicht recht verdient hat, und erinnern nicht nur zuweilen an Klassiker wie die Lazy Cowgirls. Ähnlich undifferenzierter Gesang an der Reibeisengrenze, Humbta- Gitarren und schmierig-schwitziger Gesamteindruck. Some things never change. Aber was gestern gut war, muß heute ja nicht schlechter sein – jedenfalls nicht immer.
Heute, 22 Uhr, K.O.B.,
Potsdamer Straße 157, Schöneberg.
Ach, manchmal ist es doch gar zu schön, wenn man beobachten darf, wie sich die geschätzten Kollegen mit der Beschreibung genauso schwer tun wie man selbst. Aus reiner Schadenfreude nun sehr divergierende Zitate über ein und dieselbe Kapelle: „Wahnsinnig?“, „Bonanza-Jazz“, „osteuropäische Surfinstrumentals“, „exotisch undudeliger Schubladibuh“, „Phantasie-Wischiwaschi“. Die so Gelobten (?) heißen Carnival of Souls, stammen aus Hamburg und haben auch schon selbst einiges zur Verwirrung beigetragen: „Carcass ohne Sänger und unverzerrt im Café Keese“, ließen sie im eigenen Info schreiben. Komischerweise stimmt alles irgendwie, und tatsächlich läßt sich auch nicht viel Verbindliches über das Trio sagen (mithalten kann und möchte ich da sowieso nicht). Immerhin so viel: kein Gesang, oft sehr reduziert, aber nicht immer unverstärkt, natürlich völlig durchgeknallt, aber nicht so, wie man es gewohnt ist, also nix Experiment, auf jeden Fall saukomisch, auch wenn die Stimmungen sehr oft bitterernst sind... Ich geb's auf.
Heute, 22 Uhr im Knaack,
Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.
Alice Brennen sind leider auch nicht mehr das, was sie mal waren. Vom Trio zum Quintett gewachsen, hat sie der überdrehte Witz leider verlassen. Kein „Ring of Fire“ mehr neben „Paranoid“ oder „All Tomorrows Parties“, und das alles gespielt mit dem türkischen Saiteninstrument Saz und auf reduzierter Folk-Basis. Die Erweiterung hatte vor allem einen recht satten, aber halt auch austauschbaren Rockteppich zur Folge. Die Vergangenheit ist da zwar noch in dem einen oder anderen obskuren Ton zu hören, aber selbst für die Beerdigungen, auf denen die Berliner früher gerne spielten, dürften sie jetzt zu schwerfällig geworden sein.
Morgen, 22 Uhr in der Volxküche, Keller Lychenerstraße 60, Prenzlauer Berg.
Man kann es sich vielleicht nicht mehr vorstellen, aber auch die Toten Hosen haben mal anders angefangen, bevor sie zum massenkompatiblen Punkrock gelangten. Mit Primitiv-Punk nämlich, der hauptsächlich schnell sein mußte, und ein bißchen Mitgrölen durfte auch sein. Da ungefähr sind Dritte Wahl. Das hat sicherlich seinen Reiz, vorausgesetzt, man ist sechzehn oder siebzehn und hat die letzten zehn Jahre im Tiefschlaf verbracht. Leider fehlt den Rostockern auch noch die Selbstironie der Hosen und ein Texter, der ihre über alle Zweifel erhabene linke Gesinnung in weniger peinliche Sätze zu packen in der Lage wäre. Da sind die Rattle Rats doch das bessere Angebot des Pakets. Zwar nicht wesentlich moderner, aber inzwischen ebenso souverän wie die Vorbilder. Und vor allem nicht so nervtötend hektisch wie die Dritte Wahl. Können Namen lügen?
Morgen, 22 Uhr, K.O.B.
Es gab mal eine Zeit, da war absolut glatter, hygienisch einwandfreier Soul recht angesagt. Dabei entstanden auch einige veritable peinliche Lieblingsstücke. Meine kamen meist von Spandau Ballett. Übriggeblieben aus der Glanzzeit des sogenannten White-Eyed-Soul sind eigentlich nur noch Wet Wet Wet, und deren Abstieg hat sie inzwischen in recht mickrige Hallen geführt. Noch 1988 sahnten die Schotten im Empire die Preise und Top- Poll-Plazierungen im Dutzend ab. Fragt sich, ob ihnen in den kleinen Clubs die peinliche Sauberkeit etwas abhanden kommt, die ihrem Soul immer genau diese Seele raubte. Da hilft dann auch der Schmalz nicht mehr, selbst wenn er in Großküchenmaßstäben verbraucht wird.
Am 30.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.
Da gibt es Leute, denen man wünscht, sie würden ihr Potential endlich einmal ausschöpfen. Was man andererseits natürlich auch wieder nicht will, weil man sie dann mit noch mehr Menschen teilen müßte. Pat Fish ist so ein Fall. Der könnte mit seiner Band The Jazz Butcher problemlos solche Unsäglichkeiten wie Phil Collins dahin befördern, wo sie hingehören – aufs Abstellgleis. Der Mann ist intelligent (Philosophie- Abschluß in Oxford), sieht gut aus (jedenfalls besser als Collins, was allerdings auch nicht schwer ist), schreibt wunderbare Balladen, wunderhübsche Popsongs und Texte, die von sich aus schon mehr Wirkung haben als jedes tränenrührende, verlogen-sozialkritische Video. Aber Fish ist wohl auch ein wenig zu versponnen, eben halt auch zu englisch, und deshalb natürlich sympathischer als Collins. Das wird also nix, dafür haben wir ihn weiter für uns und müssen nicht mit einer überdimensionalen Videowand im Olympiastadion vorlieb nehmen. Und das steht ihm auch besser, denn unser herzallerliebster Jazzmetzger ist nämlich sehr charmant, bricht Herzen nur im Dutzend und läßt schmelzen, was sich nicht schon längst den sanft schmeichelnden Klängen seiner Band hingegeben hat. Seit nun schon über zehn Jahren macht der Jazz Butcher vor, daß man sehr guten Pop spielen kann, ohne auch nur überhaupt in die Nähe großartigen Erfolges kommen zu können. Eine Aufgabe, an der immerhin schon ganz andere wie Scritti Politti oder Prefab Sprout gescheitert sind. Aufgewärmt wird von dem inzwischen in Berlin lebenden Engländer Clive Product. Der füllt eine schmerzliche Lücke, seit Billy Bragg sich eine größere Instrumentierung zugelegt hat. Tatsächlich gibt es Stücke von Product, die man – wüßte man es nicht besser – ganz leicht Bragg zuordnen könnte: Genial-schlichtes Songwriting, Schrammel-E-Gitarre und knarziger Gesang. Genau die Musik, die man gerne auf der Straße und in der U-Bahn hören würde, die aber genau dort leider nie zu hören ist.
Am 2.2., 20.30 Uhr, Loft Thomas Winkler
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