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Durchs DröhnlandEine ganze lange Weile

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Aus einer Rockband, die ich vor nicht mal zwei Jahren ernsthaft für die beste des Planeten gehalten habe, ist eine noch bessere Rockband geworden, aber leider nicht die beste des Universums. Die Zeiten vergehen, und Alice Donut haben sich weiterentwickelt. Ihr Ansatz, jene verwegene Mischung aus Jazz und Lärm, Hardcore und Blues, Versuch und Irrtum, jene zum Kotzen avantgardistische, überschwappende Krankheit ist zu allergrößter Reife gelangt. Nicht, daß die Elemente weniger geworden wären, jetzt können sie sogar Latino- Rhythmen integrieren. Aber alles wird stilsicher und souverän zusammengefaßt und die neue Bassistin sorgt für tanzbaren Boden. Den Hardcore-Fanatikern von früher wird die Chose möglicherweise zu glatt geraten sein, und zugegebenermaßen fehlt das Auseinanderdriften, das Rohe, das Unbehauene, das einen großen Teil des Reizes von Alice Donut ausgemacht hat. Unsere fünf Freunde aus New York sind nur im Moment vielleicht nicht mehr die beste Band, aber in ihrer relaxten Meisterschaft haben sie gerade die Ebene von Sonic Youth erklommen, und da oben ist die Luft bekanntlich dünn.

Am 2.12. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Als Cecil Taylor sich ein Konzert des 16köpfigen Orchesters anhörte, fühlte er sich an Duke Ellington erinnert. Nach Auftritten beim JazzFest 92, den Donaueschinger Festtagen für Neue Musik 93 sowie beim größten skandinavischen Jazzfestival in Pori, Finnland, gibt es das diesjährige Konzert des „Experimenti Berlin Orchestras“ endlich mal wieder in Berlin. Neuzugänge wie Felix Wahnschaffe, Rudi Mahali und Axel Dörner repräsentieren in dem international besetzten Orchester die aktuelle Berliner Szene. Die „Experimenti Berlin“ sind ein subventionierter Musikerpool und ein -netzwerk, das mit seiner jüngsten CD „wüstenCommunikation“ (BardoMusik) eine musikalische Bilderflut vorgelegt hat, in der von Paul Linckes „Berliner Luft“ über Napoleons Posaune bis zu Thelonious Monks Haus alles mögliche bemüht wird, um doch noch eine Geschichte zu finden, die es zu erzählen lohnt. Moderieren tut der österreichische Stimmungsjazzer Ulli Orth, die Regie führt Bardo Henning.

2.12, um 20 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

Freunden romantischer Verwirrungen, die trotzdem nicht auf eine verzerrte Gitarre verzichten mögen, sei Bettie Serveert anempfohlen. Jene holländische Band, die so wunderhübsch amerikanische Mythen adaptiert, immer stilsicher auf der Grenze zwischen Rock und Folk. Und wenn Carol Van Dijk anfängt zu singen, fällt der Regen in noch dickeren Tropfen, wird das Verlassensein noch ein wenig gemeiner und der gemütliche Abend zu zweit noch gemütlicher. Selten wohl hat eine europäische Band stilsicherer adaptiert, ohne ironisch zu werden oder in Peinlichkeit zu versinken.

Am 4.12. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln

Die Subversion durch kokettes Provozieren mit faschistischen Symbolen funktioniert nur solange, bis man es durchschaut. Das ist das Problem von Laibach, die jedem erst einmal gewisse Gedankenarbeit abverlangten, bevor man sie für sich zu den Akten legen oder richtig begeistert sein konnte. Und genau das, nämlich daß sie nicht gleichgültig wurden, ist ihre größte Leistung. Bleibt das persönliche Verhältnis zur Musik, mit der ich nie viel anfangen konnte. Nur soviel: Ihr neuestes Album „Nato“ stellt alte Klassiker (die umzudeuten schon immer beliebtes Verfahren der Band aus Slowenien war) wie „War“ und „Dogs of War“ ebenso in den Zusammenhang „Festung Europa/Krieg in Ex-Jugoslawien“ wie peinliche Hits aus den letzten Jahren wie „The Final Countdown“ oder „In The Army Now“. Zur Umdeutung benutzen sie nicht wie früher die Reduzierung aufs gitarrige Gerippe (z.B. bei „Life is Life“) sondern verschnüseln sie mit stroboskopigen Rhythmen und Kirchenchören, als wollten sie die Pet Shop Boys aus Fußballstadien kicken.

Am 6.12. um 22 Uhr im E- Werk, Wilhelmstraße 43, Mitte

Die Verschiebung politisch korrekter Musik vom Punkrock weg hin zum Folkrock personifiziert niemand passender als Penelope Houston. Die Gallionsfigur des New Folk aus San Francisco begann Ende der Siebziger bei den Avengers, wo sie nach gerne geäußerter Meinung Chrissie Hynde vorwegnahm, um sich Schritt für Schritt zu den akustischen Klängen hinzubewegen. Dort angelangt, macht sie nun Platte auf Platte wundervollste Songs, die ihre noch viel wundervollere Stimme zieren. Fragt sich nur, was aus dem ganzen New Folk wird, wenn er noch länger in untergründiger Bedeutungslosigkeit dahindümpelt. Und fragt sich natürlich auch, was das für eine politische Korrektheit ist, die den musikalischen Stil wechseln muß, um sich treu bleiben zu können. Das ist kein Vorwurf an Houston, denn ihre Entwicklung ist einfach ihre ganz persönliche.

Am 6.12. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln

Wenn man sich überlegt, daß Crossover noch vor wenigen Jahren fast ein Schimpfwort war, das man gerne Jazzern andichtete, die auch mal an die Fleischtöpfe wollten, kann man sich nur wundern, daß es heutzutage fast als Auszeichnung verstanden wird. Der Preis für den momentan umfassendsten Crossover wird hiermit Senser überreicht, die aus einer Thrash-Metal-Band hervorgingen, um zunächst – nicht weiter weltbewegend – HipHop-Elemente zu integrieren. Zum Sampling und für die Rhythmik holte man sich schließlich einen DJ und einen Toningenieur, packte sie in den Gruppenzusammenhang und übernahm damit auch personell das Dancefloor-Konzept. Doch dann beließen sie es nicht beim Zusammenführen von Metal und HipHop, sondern wickelten auch noch House-Elemente mit ein; sprich, die BPMs klappern und soulige Refrains jauchzen. Der eine oder andere Track braucht sich auch vor den Stereo MCs nicht zu verstecken, aber von Crossover läßt sich bei Senser dennoch kaum mehr sprechen, auch wenn sie sich um gesamplete Vielfalt bemühen. Zu unbeteiligt steht der Metal nur mehr als selten aufgeführter Gimmick neben den zugebenermaßen grandiosen Dance-Tracks.

Am 7.12. um 22 Uhr im Trash, Oranienstraße 40-41, Kreuzberg

Duisburg mag der Spucknapf des Ruhrpotts sein, aber neben Herrn Schimanski zählt diese Stadt auch unbekanntere Zeitgenossen zu ihren Söhnen: Tom G. Liwa etwa, der eine Weile lang als größter heimischer Songwriter gehandelt wurde. Und als er auch noch seine jungenhafte Dylan- Verehrung zu den Akten legte und in seiner Muttersprache dichtete, stiegen die Flowerpornoes gar zur zeitweise einzigen ernstzunehmenden deutschsprachigen Popband von Rang auf. Dann kam Hamburg und Duisburg war wieder nur zweite Liga. Aber so in Ruhe, im Schatten konnten die Flowerpornoes reifen, rockiger werden, die Verklemmungen avantgardistischer Ansprüche ablegen und Liwa noch schönere Texte verfassen. Manche glauben, Herr Liwa sollte endlich offensiver werden, und Niedecken und Stoppock und die ganze Bagage zum Teufel schicken. Aber dann wäre Liwa auch nicht mehr ein solch sensibler, netter Songwriter und die Mühe wohl umsonst. Ungerecht, die Welt.

Am 8.12. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler /

Christian Broecking

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