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Durchs DröhnlandDer Wim Wenders in uns allen

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Irgendwie totgelaufen hat sich die ganze Death-Metal-Kiste (Wat für ein Kalauer), da helfen auch wohl Wiederbelebungsversuche wie das „Nuclear Blast Festival“ kaum weiter. Nuclear Blast ist ein Label in einem Ort namens Donzdorf irgendwo im Süddeutschen und hat vornehmlich die gute zweite Liga der Chose im Angebot. Diesmal spielen Amorphis, Hypocrisy, Butality, Dismember (aus Schweden und jung und recht nett eigentlich) und Benediction aus Birmingham, die immerhin die beste Plumpsklostimme des Planeten im Angebot haben. Doch es wird wohl wieder so kommen, wie es kommen mußte: Der Metal zieht sich demnächst – wie schon so oft zuvor – in seine Winterruhe zurück und sammelt in Dörfern wie Donzdorf Kraft für den nächsten Innovationsschub.

Heute, 20.30 Uhr im Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Die letzten wirklichen Protagonisten des ungebrochenen Zugangs zu amerikanischen Mythen finden sich längst nicht mehr in Übersee. Weit muß man nicht mehr reisen, um zumindest musikalisch in wüste Weiten zu gelangen: Auch hierzulande gibt es mehr als eine Handvoll Bands, die ihr Neo-Hippietum gefressen haben. Folgt man der Verbindung 18th Dye, die zwar einen eher großstädtischen Zugang pflegen, landet man über deren berlinisch- dänische Zusammensetzung schnell in Kopenhagen, wo die alten Freunde von Thau erst gar nicht versuchen, irgendwelche Einflüsse zu verleugnen. Programmatisch ist das Cover ihrer aktuellen LP, die nicht nur „Utah“ heißt, sondern auch noch gleich ein Foto von Wim Wenders abbildet, das die europäische Faszination an Amerika ebenso auf den Punkt bringt, wie das seine Filme tun. Auf dem kleinen Silberling setzt sich dann die retuschierte und romantisierte Sicht des US-Staubs fort. Ganz offen bekennten sich Thau zu Dinosaur Jr., allerdings ohne deren flirrende Fusseligkeit zu erreichen, zu Pavement, ohne deren ironische Distanz zu suchen, oder zu den Pixies, und bleiben dabei deren überkandidelte Nervosität schuldig. So kann man Thau zwar Feigheit und den Hang zum kleinsten gemeinsamen Nenner vorwerfen, muß ihnen aber andererseits bescheinigen, daß genau das wiederum den Reiz des Konsenses besitzt. Und schlußendlich sprechen sie mit dieser inkonsequenten Schnittmenge aus wunderschönen Voraussetzungen eben genau dem USA-Touristen, dem Wim Wenders in uns allen perfekt aus dem Herzen. Learning From Las Vegas benutzen nicht nur denselben Übungsraum in Kopenhagen wie Thau, sondern auch den denselben musikalischen Steinbruch, aus dem sie sich bedienen. Durch die Stimme erscheinen sie näher an Dinosaur Jr., die Vorliebe für einen leicht außergewöhnlichen Gitarrensound läßt an Eigenständigkeit glauben, und das Hängertum der Songstrukturen meint wohl größere Distanz.

Morgen, 22 Uhr, Auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Die schon viel zu oft festgestellte Feststellung, wirklich politischer Pop sei in Deutschland nicht möglich, weil der Einheimische ein Problem damit hat, Politik mit Party in Einklang zu bringen, hat auch seine Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Diese Ausnahmen finden sich weniger in der Hamburger Szene, die das Problem meist dadurch umgeht, indem sie den Bauchnabel zum Politikum erhebt, sondern eher im HipHop. Das größte Problem war dabei, wie man so Wörter wie „Imperialismus“ halbwegs vernünftig rappen sollte, ohne sich die Zunge zu brechen. Auf der anderen Seite war die Szene über die Maßen vorsichtig, möglichst sperrige Beats und harte Samples zu wählen, um nicht im Mustopf bei den Fantastischen 4 zu landen. Nachdem die Grabenkämpfe weitgehend zur Normalität geworden sind, die DJs ihre Künste verfeinert und die Rapper fleißig geübt haben, gibt es nun kein Problem mehr. Währenddessen haben z.B. Anarchist Academy ein Niveau erreicht, das tanzbar ist, ohne irgendwelche Abstriche an Härte zu machen. Und das meinen die Musik und die Texte sowieso. Ihr ebenso eleganter wie intelligenter Tiefschlag gegen diesen Staat „Flammen in der Nacht (Bundestag brenn!)“ hat es immerhin schon zu reichlich Radioeinsätzen gebracht. Zwar finden nicht alle vier Rapper immer die flüssige Formel, sind die Beats und Breaks nicht der allerletzte Schrei, aber hier finden wir doch seltene Einmütigkeit von Körper und Geist, ohne daß eine Seite den kürzeren zieht.

Morgen, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Da, wo Ska draufsteht, ist die Hütte im Moment meist sowieso voll. Auch das wird bei No Sports aus dem Süden unserer Republik nicht anders werden. Die Traditionalisten sollten sich aber vorsehen. Zwar haben No Sports selbst schon mit „Stay Rude Stay Rebel“ einen veritablen Klassiker verfaßt, dem nur noch ein paar Jährchen gepflegtes Altern zur endgültigen Reife fehlen, aber grundsätzlich ist ihnen nichts heilig. Das beginnt bei solchen Offensichtlichkeiten wie Lou Reeds „Walk On The Wild Side“ durch den Off-Beat-Fleischwolf zu drehen, geht über HipHop-Einflüsse und endet noch lange nicht bei Klängen, die man eher in der Bacardi-Werbung vermuten würde. Dabei können sie vom frechen Sunshine-Reggae über den flotten Arschkick-Ska wirklich alles, aber ihre größte Leistung ist und bleibt die Respektlosigkeit in einem Genre, das seine traditionellen Werte so bewußt hochzuhalten pflegt. Übrigens auch: aktueller Ausgehtip für Wolf aus der Telefonzentrale!

Am 8.1., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Unsereiner hat ja oft das Gefühl, solches Tun wie Kunze oder Grönemeyer oder Waggershausen oder Westernhagen ließe sich reduzieren auf Einzelphänomene. Dem ist leider wohl nicht ganz so, da gab es zuletzt ja Pur und ihren unglaublichen Erfolg, der einen nun wirklich am Geisteszustand dieses Volkes zweifeln läßt. Mit Pur getourt haben schon Illegal 2001 aus Schleswig- Holstein, die sind zwar nur halb so schlimm, aber das reicht noch völlig aus. Nun versuchen die „Shooting-Stars der norddeutschen Tiefebene“ (Selbsterkenntnis) den Rest zu erobern. Wehrt Euch! Ihr Humor ist dürftig, aber nicht mal so hübsch hirnlos wie Helge Schneider (den sie schlecht kopieren), ihre Musik ebenso knallig wie öde, ihre Texte harmlos und „ohne Wörterbuch zu verstehen“ (Eigenlob). Ich habe zumindest olle Marius wieder schätzen gelernt.

Am 12.1., 21 Uhr, Huxley's Junior

Thomas Winkler

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