Durchs Dröhnland: Auf festen Füßen
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Der allerliebste Vorzeigeindianer Keith Secola, mehrfach von der „Arizona Commission On The Arts“ ausgezeichnet, Gründer einer Kulturfirma, Filmemacher und Filmkomponist, spielt mit seiner Wild Bands of Indians einen an sich recht konventionellen Folk-Rock, der schon mal mit Neil Young verglichen wird, aber auch Ähnlichkeiten zum Wüstenklang von Giant Sand besitzt, und bettet dieses klassische Songwriting – auch live – in Gesänge und Trommeln der Native Americans ein. Da muß dann p.c.-gerecht natürlich auch Woody Guthries „This Land is Your Land“ dran glauben.
Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln
Immer noch die groovenste Hardrockband in der Stadt. Mit der besten Sängerin, dem korrektesten Background, den schönsten Gitarristen-Haaren, manchmal sogar den besten Melodien. Manchmal könnte man fast meinen, Jingo de Lunch können nichts dafür, daß sie so gut sind. Aber sie machen ja auch nicht viel draus.
Heute, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Eine recht freundliche Ska- Variante haben Carter Beats The Devil entworfen. Ohne große Aufregung lehnt man sich an die ersten Tage des Genres an, offbeatet gemütlich vor sich hin und reklamiert, die erste Ska-Band Erfurts zu sein.
Mit Mark Foggo, morgen 21 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76–78, Potsdam
Heißen Brutal Juice, hören sich so an. Hysterisches Gequieke, vorwärts hastende Gitarren, böse Texte, wenige Hooklines, aber das Break haben sie sich dann doch schon erfunden. Verraten Bad Religion nicht, machen sie aber halt einfach zu kleinen Kindern. Bester Hardcore aus Texas seit dem letzten Erdbeben dort, also seit Anbeginn der Zeiten. Übrigens nichts für Doofe: Der Sänger hat einen Abschluß in Philosophie und schreibt seine Texte als Nietzscheaner. Fröhliche Diskussionsrunde.
Am 19.2., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Zum Stand von Musik in Richtung Westen: Die Malka Family sind ein zwölfköpfiger Funkhaufen, die dir den Arsch abspielen, ohne daß du es merkst, weil du dich eh nicht mehr hinsetzen willst: Kurze, spitze Bläser, call and response, und der Beat mag nicht stoppen. Zu sechst sind Sens Unik, gegründet in Lausanne, deren HipHop nicht hektisch, aber selbstbewußt auf festen Füßen dahergestampft kommt. Die Raps glänzen nicht gerade durch besondere Feinheiten, aber sie haben sich um die Einführung des Männerchors in den HipHop verdient gemacht. Sehr viel smoother und damit im Moment absolut auf der Höhe der Zeit ist unser Pariser Homeboy Soon E MC. Wäre Soon nicht ein so friedlicher Mensch mit ernsthaften, sozial verantwortlichen Texten, würde er Warren G. und seine G-Funk-Plage einfach in die Tasche stecken.
Am 19.2., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt
Der Mann hat schwer zu tragen. Wenn schon dein Vater Singer/Songwriter war, würdest du dasselbe noch mal tun? Du nicht, aber Jeff Buckley hat's getan trotz Papa Tim. Sehr, sehr ähnlich sieht er ihm auch noch, und auch seine Stimme verleugnet die Gene nicht. So versucht er auf „Grace“ ganz heftig wegzukommen vom Mann-allein- mit-seiner-Gitarre und ergeht sich in Song-Auf- und -Abschwellungen, actionlosem Dahingeschwelge oder schlichtem Rockertum. Und all das steht ihm recht gut, der Schatten von Papa wird schon nicht so ausdauernd sein.
Am 21.2., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Der Freitag meinte, die Phlegmatics seien „blutjung“. Tatsächlich sehen sie nur so aus, sind aber Mitte Zwanzig, also in einem Alter, in dem jeder zweite Engländer schon einen Plattenvertrag in der Tasche hat. Sie verbrachten ihre Zeit statt dessen bisher damit, Obskures wie Arabistik zu studieren und in Jugendclubs aufzutreten. Jetzt haben sie aber mal was gewonnen, nämlich den vom Hard Rock Café veranstalteten Open-Stage-Wettbewerb für unbekannte Berliner Bands. Wenn Conny Baum ihrer wirklich wunderhübschen, glockenhellen Stimme noch erspart, nur zum Selbstzweck diese Kiekser abzuliefern, dann würden die Balladen noch besser als sie jetzt schon sind. Und bei den schnellen Sachen etwas mehr Mut zum Dreck.
Am 23.2., 22 Uhr, mit den anderen Gewinnern Wild Kit bei freiem Eintritt im Hard Rock Café, Meinekestraße 21, Charlottenburg
Weep Not Child haben ihr Album nach einem Zitat aus einer Rede von Jesse Jackson betitelt: „Liberation Thru' Music And Lyrics“. Ihr erste EP hieß „From Hoyerswerda to Rostock“, die Ausrichtung der englischen und deutschen Raps dürfte also klar sein. Musikalisch lassen Weep Not Child kaum was aus, was der HipHop in der Zutatenschublade hat: afrikanische Einflüsse, Dub, nicht zu wenig Jazz, Soul-Samples und vor allem relaxte Beats, die viel Raum für Botschaft lassen. Die Posse aus Essen und Leverkusen gruppiert sich um die zentrale Person von Duke T., der schon mit Exponential Enjoyment und als Produzent reichlich Ruhm angehäuft hat. Seine Vorbilder Gil Scott-Heron oder Fela Kuti hört man unzweideutig.
Am 23.2., 23 Uhr, Boogaloo, Brückenstraße, Ecke Köpenicker Straße, Mitte
Runterkommen aus ihren schottischen Highlands mußten die Gebrüder Wiseman, als man ihnen ihre Farm weggenommen hat. Ob das damit zusammenhing, daß sie als Nyah Fearties recht respektlos mit ihren schottischen Musiktraditionen umgingen, ist nicht geklärt, aber seitdem haben sie ihren Kilt- Trash in „Living Room Rock 'n' Roll“ umbenannt und erweitert. Und Diedrich Diedrichsen erkannte treffend wie immer: „Die Pogues waren Schnulzenheinis dagegen.“
Am 23.2., 21 Uhr, Huxley's Junior Thomas Winkler
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