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Durchs DröhnlandDer Mario kommt mit dem 76er Ford

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Ihren ersten Auftritt hatten The Cramps im Januar 1976 im legendären CBGB's in New York, und nicht nur an dem Club ist die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen. Ihre Art, den wilden, wuchtigen, bösen Rockabilly der 50er neu einzuspielen, hatte zwar viel mit Punk zu tun, aber bewahrte in seiner rüden Entschlossenheit doch jeden denkbaren Respekt für die Gründungstage der Jugendkultur. Und vor allem waren die Cramps alles, was ein Teenager brauchte, um seine Eltern zu schockieren und sich selbst auch noch besser zu fühlen: sie hatten viel Sex, noch mehr Suff, waren hysterisch, cool, ichbezogen und arrogant und spielten schlecht und extra laut. Lux Interior machte anzügliche Geräusche, anstatt zu singen, und Poison Ivy zupfte nicht nur ihre Gitarre in fiesen Höhenlagen, sondern war nicht mehr und nicht weniger als der fleischgewordene Traum eines jeden pickligen Teddyboys. Allerdings ist es inzwischen ziemlich lächerlich, wenn sich Menschen um die 40 Rotwein in die Hose kippen und dazu „Surfin Bird“ singen. Die alten Zeiten kommen eben nicht wieder.

Am 3.3. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108, Neukölln

Hoots Mon sind gut beschrieben, wenn man weiß, daß sie viel von Punkrock gelernt haben, eine gute Melodie zu schätzen wissen und auch einer Rockballade nicht abgeneigt sind. Die noch nicht einmal ein Jahr bestehende Kapelle verweist freudig darauf, daß man sich aus beiden Hälften der Stadt zusammensetzt und Mario einen 76er Ford besitzt.

Am 3.3. um 21 Uhr im Zosch, Tucholskystraße 30, Mitte

Fast rührend sind die Anstrengungen von The Prodigal Sons, die inzwischen allgemein als goldig erkannten Siebziger wieder aufleben zu lassen. Ich weiß nicht, durch welches Loch im Raum- Zeit-Kontinuum es diese vier Holländer hierher verschlagen hat, aber da, wo sie herkommen, steht man noch auf klassisches Songwriting, Gitarren, die sich wie Gitarren anhören, die große Geste und den ausladenden Gesang.

Am 4.3. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Wenn es selbst Wolfgang Niedecken wagt, auf den Vorlagen seines Idols Bob Dylan auszurutschen, sollte man es dem verdienten Mekon Jonboy Langford erst recht gönnen. Der hat sich an Johnny Cash versucht und wenigstens nicht alle einschlägigen Hits bemüht, sondern sich ins Werk des Meisters vertieft. Wer also „Ring of Fire“ oder „Walk the Line“ erwartet, muß sich bis zum 11.5. gedulden (wenn er noch Karten kriegt). Langford hat zwar nicht die Möglichkeit, Cash auf Kölsch zu verbrechen, aber immerhin zwängt er ihn gnadenlos in das Folkrockgerüst, in das er sonst seine Mekons zwängt. Das ist meist interessant, oft wenig passend und vor allem Geschmackssache. Das notorische Pferdehuf- Klipp-Klapp der Cash-Band kommt jedenfalls nur unzureichend rüber.

Am 6.3. um 21 Uhr im Huxley's Junior

Dies hier kommt aus einer Welt, in der man Baseballkappen verkehrt rum trägt, Songs nicht länger als zwei Minuten und Häuser besetzt sind, politisch korrekt getextet wird und die Revolution nahe ist. Es ist eine schöne Welt in 29640 Schneverdingen. Miozän heißt das Quintett, und ultraschneller Punkrock ist ihr Ding – mehr gibt's dazu nicht zu sagen.

Am 6.3. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Richtig schön blöden Metal für Intellektuelle machen die God Bullies aus Michigan. Das stumpft gerade so eintönig dahin, daß man sich wohlfühlt, hat sogar Stimme und Trantütigkeit der späten Sisters of Mercy, ist aber durch allerlei Gimmicks und Samples und plötzliche Irgendetwasse so aufgemotzt, daß sich Genuß ohne Reue einstellen darf, denn dies ist zudem künstlerisch wertvoll.

Am 7.3. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Die Legende will es so, daß die Ostberliner Band Blackout Ende der 80er beschloß, gemeinsam in den Westen auszureisen, weil man mit Metal in der DDR auf keinen Zweig kam. Die Sache mit den Anträgen zog sich hin, man versuchte die Flucht, wurde erwischt, landete im Knast und wurde schließlich in den Westen abgeschoben. So dauerte es bis ins Jahr 1989, daß man sich in Westberlin wieder zusammentat. Diesmal unter dem Namen Depressive Age und gerade zur rechten Zeit, daß man den auf Hochdampf kutschierenden Metalzug noch besteigen konnte. Seitdem ist man mit dem musikalisch wie textlich sehr kunsthandwerklich verschnörkelten Melanchometal Dauergast bei MTVs „Headbanger's Ball“ – jedenfalls wenn die unsägliche Vanessa moderiert.

Am 8.3. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Mindwar kommen aus New Haven in Connecticut, quasi einer Vorstadt von New York. Ihre Platten bringen sie im Selbstverlag heraus, die letzte wurde in Berlin aufgenommen. Bedeutet das jetzt, daß sie drüben keiner hören will oder daß das alternative Netzwerk funktioniert? Möglicherweise beides, aber immerhin spielen Mindwar Hardcore, der sich halbwegs auf der Höhe der Zeit bewegt, nicht durch allzu große Hektik nervt, zur rechten Zeit matscht, ein paar klasse Riffs sein eigen nennt und auch sonst alles bietet, was man unter einer Lederjacke zum Schwitzen braucht. Darüber gelingen ihnen so hübsche Zeilen wie „If you cannot understand my silence / You cannot understand my words“.

Am 9.3. um 22 Uhr im K.O.B. Thomas Winkler

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