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Durchs DröhnlandSchmächtige Casio gegen gewaltige, miese E-Gitarre

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Es zeugt von einem gewissen Traditionsbewußtsein, wenn Neon Dorn nicht irgendwas, sondern eben „Heroes“ covern. Das ist nun mal der berühmteste Song aus David Bowies berühmten Berliner Jahren, und wir hier in diesem kleinen Provinzstädtchen halten uns gerne daran fest, daß dies überhaupt Bowies beste Phase war.

Vor noch gar nicht so langer Zeit hieß das Berliner Trio Scum. Damals spielten sie einmal im Vorprogramm von Jesus Lizard, und das dürfte sie so richtig glücklich gemacht haben. Genau wie die scheißen sie auf Songstrukturen, und doch hat man auch bei Neon Dorn immer eine sehr exakte Ahnung, wo der ganze Lärm herkommt. Manchmal drängt sich das intellektuelle Spielchen Rock-Zerlegen zu sehr auf, auch wenn durch Kreischen und Lärm authentische Zerstörungswut markiert werden soll. Meist geht der Weg von der Dekonstruktion hier stante pede in die Zerrissenheit.

Das Zusammensetzen, die Sinnstiftung überlassen Neon Dorn lieber anderen. Selbst dann, wenn die große Geste, das weitschweifige Gitarrenriff, die selbstquälerische Melodie ausgepackt wird, wirkt es eher aufgesetzt, fast schon verzweifelt, vor allem aber distanziert von sich und dem großen Gefühl, mit dem man im Rock heute einfach nicht mehr hausieren gehen darf. Dann sind sie fast so gut wie Pavement. Wenn man in Betracht zieht, daß Neon Dorn trotzdem ganz eindeutig vom Rock kommen, der – glaubt man den professionellen Jahresrückblickern – nun endgültig sein Lebenslichtchen ausgeblasen bekommen hat, sind sie vielleicht gerade dabei, die einzige verbliebene Zuflucht für Rocker auszuloten. Dort treffen sie sich dann mit Sonic Youth, den Resten der Scientists und eben Pavement und Jesus Lizard. Könnte durchaus eine nette Party werden.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte

Vieles muß vergehen, manches bleibt bestehen. So auch das Bemühen von Zest, richtig guten Funk zu spielen. In diesen Kreisen heißt das dann gerne fetzig. Dazu bleiben die neun Berlinerinnen aber meist zu akademisch, und mit der Präzision eines Uhrwerks wird der klar strukturierte Funk mit den saftigen Bläsersätzen abgespult. Was da fehlt, ist die Seele, ein wenig Dreck und Schweiß. Leider gewinnt der Schweinefunk nur manchmal die Oberhand über das Groove-Gelehrtentreffen. Dann aber ist der Stomp von Zest nahezu unvergleichlich.

Heute, 23 Uhr, Junction Bar, Gneisenaustraße 18, Kreuzberg

Einen ausgiebigen Hang zum Dancefloor demonstrierte Jasper van't Hof schon immer. Und als mit diversen Jazz-Fusions plötzlich auch noch Geld zu verdienen war, dachte der alte Schwede, 'tschuldigung: Niederländer sicherlich, seine Zeit sei gekommen. So stellte er vor zwei Jahren eine neue Ausgabe seiner Combo Pili Pili zusammen. Es kam Frank Itt, der als Deutschlands bester Funkbasser gilt und dies auch schon bei Terence Trent D'Arby beweisen durfte; es kam die Posaunistin Annie Whithead, die nicht nur in Jazzkreisen einen guten Ruf genießt, sondern sich vor allem durch ihre zahlreichen Gastauftritte auf erfolgreichen Pop-Platten die Butter aufs Brot verdient. In Anspruch genommen wurde sie zuvor von Prince, Elvis Costello, Bananarama, Jah Wobble und Joan Armatrading. Van't Hof aber hatte sich verrechnet, spielen Pili Pili ihren Jazz, der vor rein gar nichts zurückschreckt, doch immer noch in kleinen Clubs. Und jetzt sogar mit Sängerin: Izaline Calister kam aus Curaçao, das man nicht nur trinken kann, sondern das es tatsächlich gibt. Der taz-Sportredakteur Lieske kann es bezeugen. Er war dort im Urlaub.

Heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Sind die Unemployed Ministers wirklich so großartig, wie sie tun? So breit, wie sie klingen, so bescheuert, wie sie von sich sprechen? Der Sänger lebt in Augsburg, obwohl es dort so langweilig ist. Der Gitarrist bewundert Malcolm Young, was wiederum der Rhythmusgitarrist von AC/DC und der Bruder von Angus ist. Ja, genau der, der mit unmöglichen Haaren und noch unmöglicheren T-Shirts immer stoisch mit dem Oberkörper zuckt. Nun, auch egal. Die Ministers haben es sich auf alle Fälle vorgenommen, in der klassischen Triobesetzung die Geschichte des Gitarren-Rock neu zu schreiben. Das wird ihnen mißlingen, soviel sei verraten. Was sie aber nicht daran hindert, ein paar nette Knaller abzuliefern, die zwar meist mehr scheinen, als sie sind, aber doch zumindest gute Unterhaltung garantieren. Und dann ist da noch die nette Idee, ausgerechnet einen kleinen, schmächtigen Casio gegen eine böse, gewaltige, miese E- Gitarre anpiepsen zu lassen. Das hätte Malcolm gefallen.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Die hier heißen wie die Briketts, die man dieser Tage eigentlich ununterbrochen die Treppen hochschleppen muß, wenn man es halbwegs gemütlich haben will (außer man ist stolzer Besitzer einer Zentralheizung wie ich, aber das nur am Rande). Zumindest warm ums Herz machen es einem Rekord mit ihrem ganz, ganz geraden Punkpop. Und schön ist es, zu beobachten, daß die Hamburger Schule sich nun doch langsam auch im Süden auswirkt. Bis Wiesbaden ist sie immerhin schon gekommen. Rekord gehören dabei eher zur Tocotronic-Fraktion, auch wenn sie deren düstere Seite, die mit den schleifenden Gitarren, ausblenden. Sie hüpfen und federn lieber, was dann auch schon mal nach 60ies-Gedängel klingt, aber vor allem durch die lakonischen deutschen Texte leicht wettgemacht wird. Und Balladen können sie auch. Und die sind kitschig. Und das darf, das muß so sein in diesen trüben Tagen.

Donnerstag, 11.1., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler

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