Durchs Dröhnland: Janis Joplin wirft mit Southern-Comfort-Flaschen
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Was wird denn das? Der Tränenpalast, sonst eher bekannt für entspanntes Tanzen zwischen House und Ethno, versucht sich an den zuletzt langsam aber sicher wachsenden Erfolg der Countrymusik anzudocken. Bei der „First Night of Country“ fehlen zwar Truck Stop, aber dafür bringen The Union ungute Erinnerungen zurück. Ihr ebenso lahmarschig wie trostlos dahertrabender C&W fällt vor allem wegen der unglaublichen Texte auf: „O mi, o mei, da kommt die Polizei“, oder „Hallo Nachbar, hey, mach dir keine Sorgen, auf heute folgt morgen, wichtig ist nur, daß man zusammenhält.“ Durch Traditionsbewußtsein glänzen immerhin das Doc Thomas Trio und Mike Strauss, die sich an Hank Williams vergreifen werden. Dabei kann man zumindest von Doc Thomas einiges erwarten. Er fiel bisher nicht nur durch gewaltige Koteletten, sondern auch durch eine ständig umkippende, fies greinende Stimme überzeugte, die dem Original vielleicht sogar eine neue Dimension hinzufügt. Zu sehen gibt es außerdem eine Videodokumentation über das kurze und heftige Leben des Übervaters Williams, die sich, so verkünden die Veranstalter, selbst Gunter Gabriel nicht entgehen lassen will. Fragt sich nur, ob das nun gerade ein Anreiz ist.
Heute, 22.30 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte
Aus dem Fränkischen kommen Nine Daise Wonder daher mit dem Charme einer Schülerband. Dabei spielen sie einen fast bis zur Karikatur verbaßten Psychedelic Rock, der sich offensichtlich bei gewaltigen Momenten der 70er wie Black Sabbath bedient. Mal bekommt das Wah-Wah-Pedal kaum Zeit zum Luftholen, dann verwandeln sich harmlose Gitarrenklimper-Intros in bös knarzende Riffs. Zumindest ausbaufähig, das Ganze.
Morgen, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170
Bei einem Auftritt von Christian Death stellt sich weniger die Frage, was die spielen, als vielmehr, wer denn spielt. Daß es in den letzten Jahren aus der Mode gekommen war, sich nach internen Bandzwistigkeiten erst mal um den Namen zu keilen, hat Rozz Williams und Valor, die zuvor jahrelang gemeinsam die Blumen des Bösen besangen, nicht davon abgehalten, einen bitteren Rechtsstreit zu führen. Gewonnen hat schließlich Valor und seine Version von Christian Death, die sich auch heute noch so nennen darf. Ob die andere Ausgabe besser oder schlechter ist, sei dahingestellt, KindergärtnerInnen werden so oder so erschreckt, was den einschlägigen Gothic- Fans vor allem am Herzen liegt.
Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Früher, in den goldenen 70ern, durfte man eine solche Frau noch ungestraft „Rockröhre“ rufen, und das wurde nicht einmal als Beleidigung aufgefaßt. Heutzutage kriegen Sängerinnen wie Melissa Etheridge statt dessen Sätze wie „die vitalste neue Stimme des Rock'n'Roll“ von der New York Times hinterhergeschmissen. Man stelle sich vor, Janis Joplin hätte so was zu hören bekommen, sie hätte den Journalisten wahrscheinlich mit leeren Southern- Comfort-Flaschen beworfen. Beides jedoch meint dasselbe, nämlich: Hier entäußert sich jemand und läßt seine Stimmbänder so an- und wieder abschwellen, daß der Zuhörer glauben gemacht wird, hier auf die Seele des Singenden zu stoßen. Das Zauberwörtchen heißt Authentizität und ist der fundamentale Unterschied zum Pop, wo allein der glitzernde Glanz der Verpackung zählt. Entsprechend dürftig läßt Etheridge dann auch ihre Vokalakrobatik instrumentieren, kann sich aber leider nicht so recht zwischen balladesker Verzweiflung und knorkiger Rockigkeit entscheiden und endet manchmal gar als Bastard aus Cowboy Junkies und Bonnie Tyler – eine grauenhafte Verbindung. Ihr Mainstream-Rock ist aber sicherlich besser als der Rest in dieser Preisklasse, und die Amis ließen der Frau aus Kansas dafür verdientermaßen schon einen Grammy und Platinplatten im Dutzend zukommen. Und der Boss, erklärtes Vorbild von Etheridge, sang auch schon mit ihr.
Mit Joan Osbourne, Mi., 14. 2., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108, Neukölln
In Mannheim, im Krieg fast vollständig zerstört und dann im nüchternen Geist der 50er wiederaufgebaut, kann man leicht Traditionen vermissen. Denen geben sich Allying Cry recht widerspruchslos hin und schöpfen mit beiden Händen tief aus dem angestaubten Rockfundus. Da bratzt alles recht konventionell und konservativ und wird auch nicht spannender dadurch, daß ein hochprofessionelles Niveau erreicht wird. Monsterrock in Lederjacken und Jeans.
Do., 15. 2., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!
Oft genug verirrt man sich in den Cross-overn; zuviel soll auf einmal passieren. Krombacher M.C. lassen kaum was aus, aber gründen sich auf ein solides Punkfundament. Man hört es zwar nur selten durch, doch als Attitüde ist es ständig präsent. Ein roter Faden, der die divergierenden Einflüsse zusammenfaßt. Die logischste Verbindung besteht noch zu den Ska-Stücken, aber dominierend ist ein mal rüder, aber des öfteren elegant dahinsmoothender HipHop. Bei den Düsseldorfern werden zackige Funkriffs geblasen, es wird auch mal mit Punkgitarren gebratzt, selbst vor süßlichen Akustischen schrecken sie nicht zurück wie auf der Single „Kreis der Sieger“, wo eine recht konventionelle Ballade mit wunderschön abgehangenem Rapping verknüpft wird. Ihre immerzu bösartig politischen Texte sind 100% p.c., ehrlich bis an Schmerz- und Peinlichkeitsgrenzen, und welchem Zyniker das zu muffig ist, verpaßt die Gelegenheit, der Politik mit dem Tanzbein vors Schienbein zu treten.
Do., 15. 2., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Aus „In the Ghetto“ wird „In el Barrio“. „You Ain't Nothing but a Hound Dog“ ist „You Ain't Nothing but a Chihuahua“. El Vez sieht sich nicht einfach als ein Elvis-Imitator, er ist ein „impersonator“, eigentlich tatsächlich der einzige, echte Elvis, der mexikanische eben. Wurde auf Santanas Instrumental „Samba Pa Ti“ nicht ursprünglich schon immer der Text von „Are You Lonesome Tonight“ gesungen? „Suspicious Minds“ hieß in Wirklichkeit „Immigration Time“ und ist eine Abrechnung mit der Einwanderungspolitik der USA: „I'm caught in a trap, I can't walk out / Because my foot's caught in this border fence.“ Sehr schnell erwächst aus dem großen Spaß die Gewißheit, daß der Rock'n'Roll eigentlich südlich des Rio Grande erfunden wurde, und Generationen von Popjournalisten uns belogen haben. Und das Wissen, daß Elvis so dick wurde, weil er wußte, daß sein Ruhm nur geklaut war.
Do., 15. 2., 21 Uhr, Huxley's Junior Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen