Durchs Dröhnland: Liebliches Amerika
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Bands, die sich nicht so recht entscheiden mögen, gibt es zuhauf – man nennt das Cross- over. Meist ist das dann ein verwegen zuckender Brei, und manchmal funktioniert es auch. So bei King Prawn, die sich mal anhören wie ein paar jamaikanische Kiffer, die sich an HipHop versuchen, dann wieder wie eine traditionsbewußte Punkband aus dem Keller im Nebenhaus. Oder gar wie ein verloren vor sich hinwuselndes Ensemble aus frustrierten Low-Fi-Jüngern. Zum Nachdenken bleibt bei den Londonern aber nie viel Zeit, denn – schwupps – werden schon wieder neue Felder beakkert.
Bei The Ex lagen die Dinge noch nie sonderlich klar. Die Band aus der Amsterdamer Hausbesetzerszene konnte live durchaus schon mal den stumpfen Hardcore abliefern und im nächsten Moment eine zerrissene Platte machen, die sich verzweifelt auf die Suche nach Auswegen aus der Punksackgasse begab. In den letzten Jahren hat man sich zumindest musikalisch immer weiter von den Wurzeln entfernt, ohne sie grundsätzlich verleugnen zu können. Gefunden hat man Folk, sogar ethnische Musiken und vor allem endlich eine gewisse altersweise Ruhe.
7.12., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68
Diesmal geht's nicht einfach zum Rockkonzert, es geht zur Noise Vision – Das Experiment. So nennen die Leute von der Kulturfabrik ihre Idee, Amateurfilme im 8- und 16-mm-Format, Videos und Dias von drei Rockbands live vertonen zu lassen. Das hat sich so ähnlich zwar schon Andy Warhol ausgedacht, aber ergibt sicher auch heute noch hübsche Brechungen, die die Musik von Slick manchmal auch nötig hat, weil sich die drei aus Prenzlauer Berg sonst schon mal im Rockschmock verirren. Die in Kreuzberg ansässigen Mondo Fumatore wissen fast immer, wann es nötig ist, ein mittelschweres Lärmgewitter zu verursachen. Und da fallen die Kölner Freunde von Feal mit ihrem reichlich eingängigen Poprock fast schon wieder aus dem Rahmen.
7.12., 21 Uhr, Kulturfabrik Lehrter Straße 35
In Amerika wurde ihnen gerade die ehrenvolle Aufgabe übertragen, den Gitarrenrock zu retten. Wilco wären nicht die ersten, die daran scheitern, und auch nicht die ersten, die gerade in diesem Scheitern Schönheit entwickeln. Ein Gefühl, das Sänger und Songschreiber Jeff Tweedy nicht unbekannt ist, hat er doch schon mit Uncle Tupelo erlebt, daß Kritikerruhm eher selten mit Massenerfolg zusammengeht. Die überhohen Ziele gehen Wilco nun mit einer Doppel-CD an, weniger einer Platte als einem Werk, und spielen sich konsequent durch die Geschichte des weißen Teils der amerikanischen Musikgeschichte. Und ebenso konsequent fällt fast jeder Song am Ende auseinander, nachdem man zuerst in Sicherheit gewogen wurde, es könnte noch einmal funktionieren, die alten Geschichten zu erzählen. Irgendwie erinnert das alles verteufelt an The Band, nur daß deren Spiegel noch nicht zerbrochen war.
8.12., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
Da, wo sich Jazz und Noise treffen, da also, wo man sich vor allem in New York gerne rumtreibt, da, wo Fred Frith zu Hause ist, irgendwo dahin wollen auch Goz of Kermeur. Das Trio aus Genf nimmt sich kleine Melodieideen, die dann wahlweise gnadenlos monoton wiederholt werden und/oder sich andauernd leicht transformieren. Ohne Kreischen und spitze Kiekser und ein bißchen weniger hektisch wären sie ungefähr so wie Blurt minus Saxophon. Das ist dann natürlich ungemein sperrig, aber öffnet erst mal eingelassen ein Türchen in deinem Hinterkopf, durch das kleine gemeine Geräusche auf dann doch noch fruchtbaren Boden fallen.
8.12., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Erster Song, erster Satz auf der letzten Platte von Refused: „I'd rather be dead than alive by your oppression“. In Song Nummer zwei heißt es „I will start a riot“. Das versuchen die Schweden mit dem althergebrachten Arsenal des Hardcore. Den einzigen Luxus, den sich diese Puristen gönnen, ist ein auf den Effekt bedachtes Wechselspiel zwischen ultralaut und ziemlich leise.
Damit mögen sich ihre Landsleute von Mindjive nicht begnügen. Sie spielen mal einen HipHop, mal versuchen sie es mit progressivem Rock, dann kommen sie mit einer funky Chic-Gitarre. Die Verwirrung hat vor allem komische Seiten, ist aber immerhin stets tanzbar.
11.12., 21 Uhr, Thomas-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9
Obskur an den Miesen Tropen ist vor allem die Besetzung. Anstatt einer Gitarre hat das Trio eine Mandoline im Angebot und spielt damit einen Pop wie aus der Steinzeit. Dann covern sie noch Kraftwerks Klassiker „Das Model“, und spätestens da ist nicht mehr zu entscheiden, ob und was die überhaupt ernst nehmen. Sich selbst jedenfalls ganz bestimmt nicht.
12.12., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
The Poison Ivvy versuchen mit herzhaft röchelndem Gesang und allerbreitesten Bratzegitarren den Anschein zu erwecken, der Punkrock sei in der Schweiz erfunden worden. Dazu drehen sie schon mal olle Kamellen wie „House of the Rising Sun“ oder „Suzi Q“ durch den Fleischwolf, was denen hübsch bekommt. Aber trotz aller eingängigen Melodien werden die drei wohl kaum an das aktuelle Punk-Revival andocken können, denn die amerikanische Konkurrenz hat die lieblicheren Stimmen. Für einen Abend, an dem man erfolgreich wegtrinken kann, daß 1977 nun schon eine ganz Weile vorbei ist, sind sie trotzdem hochgeeignet.
12.12., 21.30 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler
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