Durchs Dröhnland: Eigentlich eigen
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Der Mann mußte einfach lernen, das Akkordeon zu spielen. Schließlich hatten schon Großvater und Vater von Chubby Carrier mit der Quetschkommode zum Tanz aufgespielt. Da war es dann unvermeidlich, daß auch der Junior dem Zydeco anheimfiel. Doch im Gegensatz zur Familiengeschichte bemüht sich Carrier – ähnlich wie viele andere der jungen Musiker aus Lousiana – die traditionelle Partymusik der Cajuns zu erweitern. Ob nun mit Mainstream- Rock-Elementen oder ein bißchen Blues, schließlich hat ihm schon der Papa ein paar B.B.- King-Platten mit auf den Weg gegeben.
Beherrschend aber bleiben natürlich die hübschen kleinen Zuckungen, die jeder Tourist vom Gumbo-Essen in New Orleans kennt. Verzichten will der aus Lafayette stammende Carrier auch auf das traditionelle Waschbrett nicht, aber bei ihm findet sich halt auch mal ein untypisches Saxophon oder gar ein eher lässig groovender Soul.
Heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 33–36
Was die letzten Jahre, der Aufbruch deutschsprachigen Pops nicht doch bewirkt haben! Inzwischen kann man sich einfach leise freuen über Bands, die einen früher schier in Verzückung versetzt hätten. Diesmal also Die Aeronauten aus dem schweizerischen Schaffhausen, die mit ihrem wunderschön unaufgeregten Pop perfekt in diese Entwicklung zur Normalität passen.
Da wird über das Alter gesungen – mit dessen Zunahme man beginnt, sich für Country- music zu interessieren – oder einfach ein filmisches Instrumental gespielt. Sie zitieren Randy Newman und Bertolt Brecht und geben es zu. Sänger Olifr nölt dazu, als ginge ihn das alles gar nichts an, während eine Orgel gemütlich plärrt. Manchmal graben sie auch ein Garagen-Gitarrenriff aus, singen „Heiße Bettwäsche und Rockballaden setzen unsere Sexualität in Gang“ dazu und lassen ein paar Soul-Bläser tröten. Das ist schlicht und einfach gute Musik.
Mit Concord (Hamburg) und Blochin 81 (Berlin), morgen, 21 Uhr, Trash, Oranienstr. 40/41
Weil die Klassik sich wohl besser verkauft mit Popstarimage, steckt auch Wolfram Huschke seine Füße in Cowboystiefel, trägt Sonnenbrillen, streckt in CD-Beilagen die Zunge raus, jagt sein Cello durch Effektgeräte, tritt als Anheizer für Marius Müller-Westernhagen auf und covert schon mal Jimi Hendrix. Dabei sind seine Eigenkompositionen eher besinnlich, auch wenn sie modisch und wohl ein bißchen schockierend gemeint „Orgasm“, „Whale Killers“ oder „Origin Alien“ heißen. Dabei tröpfeln meist die Percussions ganz ruhig, daß der Herr Huschke allen Raum hat, darüber sein Cello zu betätigen, als sei's ein guter Freund, mit dem man lange schon kein mehr so nettes ausführliches Gespräch hatte.
Morgen, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz
Ein HipHop-Act, der live aufnimmt? Oder doch nur ein Rockprojekt, das mit Rapping und Breakbeats experimentiert? Gesamtkunstwerkanspruch und/oder Größenwahn? Was sich bei One Inch Punch zusammenfügt, liegt in der widersprüchlichen Geschichte von Justin Warfield, dem Rapper, Gitarristen, Trommler, Programmierer und Produzenten des Duos begründet. Der machte zwei Soloplatten, die eher HipHop waren, spielte dann bei Supernaut eher Rock, bevor er kurz bei Bomb The Bass mittat und von dort aus Tanzböden erschütterte.
Irgendwie läßt sich das alles bei One Inch Punch finden, aber auf einer so archaischen Ebene, daß es dabei mehr nach Punk klingt als alles, was das Punk- Revival in den letzten drei Jahren hervorgebracht hat. Die Unbehauenheit erklärt sich leicht damit, daß Warfield und sein Bass spielender Partner Gianni Garofalo auch im Studio live aufnehmen, aber ist natürlich Konzept, wenn man sich ebenso zur Einflußnahme durch den Wu-Tang Clan wie einer durch Sonic Youth bekennt. Trotzdem haben One Inch Punch nichts zu tun mit dem üblichen Hardcore-HipHop-Crossover, manches erinnert eher an das Schaben von Industrial, und darüber spricht Warfield Texte voller Symbolismen und Anspielungen. Einfach ziemlich eigen.
Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Aufgewachsen sind sie in London mit The Clash und The Jam, aber eben auch New Order, nach deren Platte „Republic“ sie sich Republica tauften. Der Versuch des Trios, diese beiden Seelen zu verbinden, hört sich dann ungefähr so an, als wären Frankie Goes To Hollywood gerade aus der Pubertät rausgekommen oder als wären Blondie über einen Haufen Sequenzer gestolpert. Es ist laut, kreischend, pluckert unaufhörlich und wird nur mit knapper Not nicht zur nächsten Bravo- Festivität eingeladen. „Wir sind nicht Britpop“, sagt denn Sängerin Saffron, die schon als Magenta in der „Rocky Horror Picture Show“ auf der Bühne stand, „und wir sind auch kein Dance Act. Darauf sind wir ziemlich stolz.“
24.3., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
Blowtorch gingen hervor aus den Resten von Big Davod and the Deep Manko, die versuchten die Wendezeit mit Soul zu überstehen. Übriggeblieben sind Bassist Andi grandMaier und der aus Kirgisien gekommene Schlagzeuger Nick Tarasov, der an die Gitarre wechselte. Als Blowtorch verspricht man zwar „russische Melancholie trifft auf eine wütende Generation X“, aber der erste Teil ist beim besten Willen nicht zu hören. Aber ihre Nirvana-Ripoffs, das muß man zugeben, sind hoch professionell und ziemlich unterhaltsam. Also warum nicht eine sehr gute Kopie goutieren, wenn das Original ein Loch im Kopf hat.
27.3., 22 Uhr, Duncker,
Dunckerstraße 64 Thomas Winkler
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