Durchs Dröhnland: Der Glamour-Faktor
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Kann Biertrinken Lebensmaxime sein? Die letzte Platte von Gang Green ziert auf jeden Fall wieder einmal Budweiser in allen Erscheinungsformen: Kasten, Flasche, Büchse, Strahl. Andererseits: Was bleibt einem schon noch, wenn man sich nun bereits 16 Jahre lang hauptberuflich als Hardcore-Pioniere und Kultkombo durchschlägt. So halten Gang Green zum einen fest an ihrem flotten Gerümpel, das sich weiter erfolgreich wehrt, erfolgreich zu werden, zum anderen an ihren Biertrinkerscherzen, die noch nie so richtig witzig waren: „Another Case of Brewtality“, heißt die letzte Platte.
Mit Bad Brians und Punishable Act, 28.11., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Ähnlich unbelastet vom musikalischen Geschehen des letzten Jahrzehnts gehen Floert zu Werke. Allerdings bricht das gemischtgeschlechtliche Quartett aus dem fränkischen Fürth seinen eingängigen Punkrock mit der ausführlichen Zurschaustellung von knallbunten Federboas, was den musikalischen Glamour-Faktor jedoch nicht wesentlich erhöht.
29.11., 21.30, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170
Die Compilation „Dynamo“, ganz hoffnungsfroh „Vol.1“ untertitelt, will „the new Berlin Guitar-Pop Generation“ auch mit Hilfe dieses Festivals introducen. Am Start sind allerdings fast ausschließlich die üblichen Verdächtigen: Groovy Cellar, Jackethive, Helicopter und der von Hamburg übergesiedelte Space Kelly. Eine Entdeckung immerhin gibt es zu melden: niedlich 666 heißen nicht nur so, ihre Deutschpop-Versuche an der Grenze zum Schlager sind tatsächlich herzallerliebst. Bleiben zwei Fragen: Was ist so „new“ an The Smash, die vor bald zehn Jahren schon ihre erste Auflösung hinter sich gebracht haben? Und: Interessiert heutzutage irgend jemanden noch Guitar-Pop?
29.11., 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 16, Mitte
Irgendwann wurde es Ken Kushner zu dumm, immer nur die sauschnellen Bassparts von Anthrax zupfen zu müssen, also machte er seine eigene Kapelle auf. Für World Bang hat er sich zu einem Landsmann am Schlagzeug noch zwei Deutsche zum Bass- und Gitarrespielen dazugeholt und bevorzugt eine fast gemütliche Metal-Variante, die auf steinschweren, repetetiv wiederholten Gitarrenriffs basiert und keine Berührungsängste zu Industrial oder gar Techno kennt.
30.11., Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Beim wahnwitzigen Erfolg von Skunk Anansie ist einigen Plattenbossen ganz feucht geworden. Also werden uns jetzt die Guano Apes beschert, Göttingens Antwort auf die Frauenpower mit Männerunterstützung in Zeiten des Rock-ist-tot- aber-dafür-groß. Das Quartett knallt angemessen knallig und Sandra Nasic lotet, wie es immer so hübsch heißt, mit ihrer Stimme alle Tiefen und Untiefen menschlicher Gefühle aus. Das kann sie ohne Zweifel, und die Guano Apes funktionieren wahrscheinlich sogar.
Mit Fast Food Cannibals, 30.11, 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide 108–114, Neukölln
Schon mal gefragt, warum Trickys erste Platte „Maxinquaye“ hieß? Seine verstorbene Mutter hieß Maxin Quaye und war wiederum die Halbschwester von Finley Quaye. So wäre man selbst gern aufgewachsen: Duke Ellington als Patenonkel, einen Vater, der Jazzkomponist ist, der Onkel spielt in Afro- Funk-Bands, der große Bruder ist Sessionmusiker und – wie erwähnt – Tricky ist dein Neffe. Schlußendlich muß das aber gar nicht so lustig gewesen sein, denn Quaye ist größtenteils elternlos aufgewachsen und war früh schon soviel unterwegs, daß er im zarten Alter von 23 Jahren bereits in Endinburgh, London, New York, Amsterdam, Frankreich und vor allem Manchester gelebt hat. Dann standen irgendwann die großen Plattenfirmen vor seiner Tür – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Im Alleingang hat er dann ein Album hingebastelt, über das sich jeder kaum noch einkriegt, verquickt es doch auf Reggae-Grundlage ein wenig Soul, Rock und Calypso, daß man am liebsten die Shorts auspacken würde. Pickel und Ausschlag, die üblichen Abwehrreaktionen auf zuviel Sunshine- Reggae, bleiben aber trotzdem aus, denn Quaye weiß auch, was er an Dub und Dancehall hat. All diese Stile benutzt er so souverän, daß man sich fragt, ob er nicht schon längst einen eigenen entwickelt hat. Groß, sehr groß wird er auf jeden Fall.
30.11., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Wenn die 60er jemals so bunt waren, wie sie dem einen oder anderen in seinen Drogenträumen vorkommen, muß das eine wirklich knorke Zeit gewesen sein. Dieser Irrglauben hat aber immerhin einen großen Haufen ziemlich lustiger Retro-Musik hervorgebracht, dem Laughing Sky zwar keine neuen Erkenntnisse, aber noch ein paar hübsche Melodien, verhallte Choräle und Gitarrensoli hinzufügen. Es hat sicherlich schon unangenehmere Geschichtsstunden gegeben als die mit dem Trio aus New York, das sich das Label passenderweise mit MC5 und den Flamin' Groovies teilt.
4.12., 21.30 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei
Nachdem die Beastie Boys auch nicht mehr sind, was sie mal waren, bleibt einem immerhin noch Uncle Ho. Die kommen zwar nur aus Wuppertal, aber haben sich mit der – für ihre Verhältnisse allerdings recht zahmen – Single „Bubblehead“ verdientermaßen hoch in die Indie-Charts geschlichen. Dort gedenkt man auch zu bleiben und will die Pop-Elemente demnächst ausbauen, ohne aber darüber den guten alten HipHop-Hardcore-Crossover zu vergessen. Es ist doch schön, daß junge Menschen nicht so einseitig sind.
4.12., 22 Uhr, SO 36 Thomas Winkler
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