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Durchs DröhnlandSplatter spielen

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Das ist doch mal eine hübsche Idee, die KHS da hatten: Ein warmes, wohltemperiertes Klavier beherscht die von Jörn Handschke gemischte Musik, über die dann Reime gerappt werden. KHS steht für Killa Hill Squad, und die feiert heute die Veröffentlichung ihrer ersten Maxi. Während andere deutsche HipHopper der kleinen Schwester schon Messer zustecken müssen, um Aufmerksamkeit zu erregen, und dabei Manfred Kanther in die Tasche rappen, erzählen Ivo und G-Shot, die beiden Rapper der Killa Hill Squad, tatsächlich vom eigenen Erfahrungshorizont. So plaudern sie von ihrem Kifferdasein, ohne auch nur einen Moment peinlich dabei zu werden, vom Verhältnis zwischen den Geschlechtern, ohne dabei zu verkrampfen, und allein das ist schon eine Leistung, die hierzulande ihresgleichen sucht. Was KHS, die sich beim Skaten im Allende-Club trafen, aber wirklich außergewöhnlich macht, ist dieses Klavier, das eine Atmosphäre schafft, die an Schwülstigkeit locker mit den dicksten Swingbeat-Produktionen aus USA mithalten kann, ohne aber jemals auf der eigenen Schmalzspur auszurutschen. Soviel Perfektion beim Debüt ist schon ziemlich beängstigend.

23.1., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Parker Valentine und Lily Wolf mögen ihre Band aufgelöst haben und sich weggemacht haben aus Austin nach New York, aber im Herzen sind sie schlußendlich doch in Texas geblieben. Für die zweite Reinkarnation ihrer Valentine Six haben sie sich zwar teilweise Noise-Rocker aus dem Big Apple geholt und lassen die Instrumente dissonant aufeinander losgehen, aber beherrschend bleibt dann doch irgendwie jene schwammige Verzögerung, wie man sie nur aus dem Süden kennt, wenn der Blues ausgezogen wird bis aufs Gerippe. Das Tempo mag großstädtisch sein, doch am Ende kehrt immer wieder die ländliche Ruhe zurück.

23.1., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40, Kreuzberg

Was Tortoise angefangen haben, nämlich die Strukturen von instrumentaler elektronischer Musik auf eine Rockband zu übertragen, führen Aerial M mit dem Folk fort. Dave Pajo ist normalerweise Bassist von Tortoise und Tour-Bassist von Stereolab und spielt öfter mal mit Will Oldham (Palace in allen Erscheinungsformen) zusammen. Aerial M sind fast ausschließlich er und seine Gitarre, die er so entspannt spielt, daß es geradezu nach Schaukelstuhl schreit.

Diese Musik scheint keinen Anfang und kein Ende, kein Ziel und keine Absicht zu haben. Irgendwann beginnt sie, und irgendwann endet sie, dazwischen ist Zeit vergangen, und es war wunderschön. Gesang würde da natürlich nur unangenehm auffallen. Statt dessen verfestigen sich manchmal gewisse Melodien, die so lange wiederholt werden, bis sie sich im Nichts auflösen. Darüber zu reden ist ziemlich langweilig, es zu hören fast erleuchtend. Aufgenommen hat Pajo den Großteil der Platte im Haus seiner Eltern. Er hat im Keller angefangen, bis der überflutet wurde, und zog dann um in die Garage. Es war Winter und ziemlich kalt. Wenn man will, kann man das hören. Man kann es auch sein lassen.

25.1., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Schon im letzten Oktober waren die Stereophonics hier. Damals gaben sie noch die Anheizer für Supergrass, jetzt ist das Trio also für reif erkoren worden, selbst den Headliner zu machen. Ein weiter Weg aus einem walisischen Kaff mit dem unaussprechlichen Namen Cwmaman und einer Vorläuferband mit dem peinlichen Namen Tragic Love Company. Damals spielte man noch Coverversionen von Hendrix und Free.

Heute hält man immer noch ausreichend Abstand zum restlichen Britpop, klingt zwar nicht ganz so amerikanisch wie inzwischen manch englischer Kollege, aber ausreichend, um demnächst im Stadion-Format auftreten zu dürfen – und diesmal eben nicht für Supergrass, sondern, sagen wir mal, für Guns 'N Roses einzuheizen. „Wir wollen in die große weite Welt hinaus“, haben sie gesagt, und man muß das wohl auch verstehen, wenn jemand aus Cwmaman kommt. Sie haben es bald geschafft, die Melodien und das Pathos, die es dazu braucht, haben sie auf jeden Fall.

28.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

„Freude durch Elektronik“ geht heute in die zweite Runde mit den einzigen Teilnehmern, die sonst nicht auch als feste Kapelle unterwegs sind. Hinter Hexer verbergen sich Thomas Wagner, der sonst als Herr Blum brachial mit der Gitarre rummacht, und Yref, der manchmal einfach nur zusieht, was sein Sechssaiter so anstellt. Wenn zwei Musiker aufeinandertreffen, die dafür berüchtigt sind, daß ihr oberstes und einziges Prinzip die jederzeitige Improvisation ist, läßt sich natürlich nicht allzuviel voraussagen. Beide werden sich allerdings nicht auf ihr Stamminstrument beschränken, sondern auch mit der Elektronika spielen. Robert Junge läßt dazu zwei Beatboxen Salti schlagen.

28.1., 21 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68, Mitte

Ihr Debüt beginnt mit den Worten: „Die Musik wird heftig, denn sie klingt wie ich.“ So ist es denn auch. G-Reizzt aus Koblenz heißen nicht nur so, sie hören sich auch so an. Schneidende Gitarren, ein meckernder Sänger, der auch schon mal ein Operntrillern einfließen läßt, und ein Schlagzeug, das keine Gefangenen nimmt. Kurz: So ziemlich der beste, schnörkellose Hardrock, der seit Jahren zu hören war. In der Tradition von Rammstein, von denen sie ein prinzipiell höheres Tempo unterscheidet, bemühen auch sie sich um eine gewisse textliche Uneindeutigkeit, schlüpfen in Rollen und spielen ein bißchen Splatter. Das ist manchmal abgeschmackt, aber funktioniert doch immer wieder. Eher langweilig allerdings ihre Coverversion des Ideal-Klassikers „Blaue Augen“.

29.1., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler

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