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Durchs DröhnlandFriseurmusik

■ Die tollsten, miesesten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

No Fun At All mögen so heißen, wie sie heißen, aber so wie ihre fröhlichen Punkgitarren abgehen, ist das kaum mehr als eine dreiste Lüge. Die Songs der Schweden hören sich an wie eine Wagenladung Knallschoten auf Betriebsausflug. Ziemlich flott also und immer mit einer lustigen Melodie auf den Lippen. Bad Religion würden sich freuen, und das ganz doll.

Mit Refused, Liberator und The Hives, 28.3., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190

Man stelle sich vor, Pur hätten beschlossen, plötzlich wie Pearl Jam zu klingen, dann hätte man ungefähr Lagnaf. Das Berliner Quintett bollert zugebenermaßen ziemlich kräftig und ist ja auch ganz herzhaft eingespielt, aber auf die Texte ihrer Debüt-Single, deren Erscheinen gefeiert wird, darf man echt nicht hören.

28.3., 21 Uhr, Wabe, Danziger Straße 101

Manchmal kann man auch Platten verkaufen, ohne großartig durch die Medien zu gehen. Mehr als drei Millionen waren es bei Matchbox 20, und schon der Titel des Albums „Yourself Or Someone Like You“ sagt eigentlich alles: Kleiner Mann, auch du kannst es schaffen. Dabei sind Matchbox 20 so langweilig wie eine dieser amerikanischen Großverkäuferkapellen (Live!), die vor allem eins auszeichnet: Sie geben der erbärmlichen Verlorenheit und den kleinen Hoffnungen der weißen, ländlichen US-Jugend eine Stimme. Dazu sehen Matchbox 20 noch aus wie eine schlecht zurechtgemachte Glitter-Rockband aus den 70ern, nur daß ihnen jeder Glamour abgeht. Das gilt auch für die Musik: Trotz aller dicker Gitarren, mächtiger Melodien und heftiger Gefühle wirken ihre Songs kleinbürgerlich. So, als würde sich ein Provinzler in seine Übungsgarage stellen und den Titelsong für eine Hollywood-Action-Blockbuster-Produktion verfassen.

29.3., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Nach dem Erfolg der Mighty Mighty Bosstones konnte man warten auf die nächsten kurzrasierten Tanzbären im Off- Beat. Doch anstatt das Erfolgsrezept auszuschlachten, erweitern Smash Mouth doch tatsächlich die als starr berüchtigten Vorgaben des Ska. Die Bläser lassen sie weg, und des öfteren muß sogar der gute, alte Filzhütchenrhythmus dran glauben. Dafür gibt es dann Punkrock, ein wenig Hardcore, wundervoll knarzende Gitarren und sogar den Willen zum Pop wie in der Single „Walkin' on the Sun“. Selten zuvor hat man Musik gehört, die so ausgewogen bekifftes Abhängen und besoffenes Abrocken miteinander versöhnt.

31.3., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Für Ry Cooder war er „der großartigste Klaviersolist, den ich je gehört habe“. Trotzdem mußte Rubén González erst 77 Jahre alt werden, bevor er es zu seiner ersten Solo-Platte brachte. In seiner Jugend half er, den schon jahrhundertealten Son, jene typische kubanische Musik aus afrikanischen und indianischen Einflüssen, mit dem Jazz zu versöhnen und daraus den inzwischen typischen kubanischen Sound zu entwickeln. Irgendwann wurde die Melancholie gestrichen und Salsa daraus. Doch erst Cooder war es vorbehalten, den klavierlosen und an Arthritis leidenden González wiederzuentdecken. Jetzt kann man noch einmal diese Musik hören, die klingt, als würde sich der alternde Salonlöwe noch ein letztes Mal an der Bar entlangschieben.

31.3., 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, In den Zelten

Mitten zwischen dem Focus- Rap und den Respect-Einforderungen von Jugendhaus-Jams haben sich Anarchist Academy ihre Marktlücke gesucht, aber sie würden sie niemals nicht Marktlücke nennen. Es ist einsam dort in ihrer Nische, aber mit dem Einzelkämpfer-Syndrom dürften sie sich dort beim linksradikalen Rap recht wohl fühlen. „Reiche Deine Hand“, raten sie, „der fünften Terroristen-Generation.“ Die vier aus dem Westfälischen wissen aber vor allem, wie man einen Beat programmiert, auch wenn die Wortebene im Mittelpunkt steht. Franz-Josef Degenhardt, den sie gecovert haben, hat ihnen Enkelqualitäten bescheinigt.

1.4., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56

Thomas Winkler

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