Durchs Dröhnland: Tut der Seele weh und groovt trotzdem
■ (Nicht nur) die besten und schlechtesten, (nein, auch) die wichtigsten und überflüssig- sten Konzerte der kommenden Woche
Zehn Leute brauchen Time's Up für ihren Schweinefunk. Kräftige Bläser beherrschen die satten Uptempo-Nummern, während die eher besinnlichen Stücke mit niedlichen kleinen Gitarrenlicks verziert werden. Darüber röhrt Sängerin Steph Ernstberger durchaus professionell und angemessen soulig, unterstützt von sachgemäßen Backgroundchören. Dabei deckt die Berliner Großkapelle die übliche Gefühlspalette zwischen Romantik und Fröhlichkeit zwar etwas klischeehaft, aber erfolgreich ab. Das Endergebnis ist gutes Unterhaltungshandwerk – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
26.6., 23 Uhr, Junction Bar, Gneisenaustraße 18, Kreuzberg
Auch Instrumentals brauchen Namen. Deswegen sind diese Namen zwar nicht überflüssig, aber manchmal halt dämlich. Was nicht auf die Instrumentals abfärben muß. Die drei Berliner von Tolshog nennen die ihren „Altöl-Dub“ oder „Fürst/First“, und das sagt einem erstmal nicht viel. Nur mit der Grundausstattung aus Schlagzeug, Gitarre und Bass (der auch mal durch eine zweite Gitarre ersetzt wird) können sie einen wahnwitzigen Lärm veranstalten, der nicht nur in den Ohren, sondern vor allem in der Seele weh tut, und dabei absurderweise trotzdem groovt. Und auch wenn sie mal entspannt dahertröpfeln, liegt in ihrer vermeintlichen Ruhe doch immer eine bittere Bösartigkeit, die ihresgleichen sucht. Es ist Kunst, aber kein bißchen kopflastig, es ist Noise, aber dann doch kein richtiger Lärm, es ist chaotisch und hat immer doch Struktur. Es ist: vor allem ein gewaltiges Grummeln, die Eruptionen eines riesigen Gefühlsstaus, der allerletzte Ausbruchsversuch aus der Sprachlosigkeit. All das ist zwar nicht unbedingt neu, man hat es schon Ende der achtziger Jahre bei einigen vorzugsweise amerikanischen Postrockbands gehört, die zum Teil gar Jazz-Strukturen in einen Hardrock-Kontext übertrugen. Aber in der letzten Zeit war solche Vehemenz dann doch etwas aus der Mode gekommen.
26.6., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte
Ihren Platz hätten sie „in den Berliner Wohnküchen gefunden“, weiß der Veranstalter über die Band Unterwasser zu berichten, als wolle man sich an den angeblichen Boom anhängen. Dabei war und ist der doch nur eine hübsche kleine Idee. Vor allem aber sind Unterwasser, eine Combo aus russischen Exilanten, die es nach Berlin verschlagen hat, musikalisch meilenweit entfernt von den Schrulligkeiten, die sich in halböffentlichen Wohnzimmern so Musik nennen.
Näher dran ist Unterwasser da schon an dem Untergrund- Rock, den die einzelnen Bandmitglieder früher in Moskau spielten. Ein bißchen Wave- Rock klingt durch, etwas Folklore – in ihrer alten Heimat wurde so etwas damals durchaus Art-Rock genannt, heutzutage wirkt es wie mit einer dicken Schicht Patina überzogen.
27.6., 21 Uhr, Atelier 4.R, Pariser Platz 4, Mitte
Als Cora E. endlich mal ein bißchen Geld verdienen wollte und sich nicht mehr 24 Stunden am Tag Gedanken über ihre Credibility machte, erntete sie komischerweise nur wenige erzürnte Ausverkaufsaufschreie, sondern eher erleichtertes Aufatmen. Im Interview sprach sie sogar der Hitfabrik um Puff Daddy die Absolution aus und versuchte vor allem den Eindruck zu erwecken, sie habe die Tage als moralische Tugendwächterin hinter sich gelassen. Irgendwie mochte man ihr das nur zur Hälfte glauben, und selbst eine Single namens „Zeig's mir“, auf der sie im engen Schwarzen vor liebesrotem Hintergrund abfotografiert war, löste eher ungläubiges Staunen als Entrüstung aus. Cora wurde „WOM-Act des Monats“, aber programmatisch bleibt trotz alledem immer noch eher ein Track wie „Schlüsselkind“, in dem sie sich ganz entschieden und bestimmt durch die persönliche Geschichte im HipHop verortet: Rettung durch Rap, nicht weniger, aber das ist ja ziemlich viel. Die Grabenkämpfe aber, die sind vergeben und vergessen. Statt dessen ist HipHop zur großen Familie gewachsen und Cora E. ist die Tante aus Heidelberg, die ab und zu mal zu Besuch kommt, prinzipiell ja ganz nett ist, aber doch auch mal die Neffen zusammenstaucht.
Mit MC Akanni & Special FX, 28.6., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
29 Kensington Road mag nach Britannien klingen, ist aber eine kanadische Adresse. Dort befand sich Stefan Tomek, als er beschloß, was so viele junge Männer schon vor ihm beschlossen hatten, ohne sich dabei ausdrücklich in Kanada befunden zu haben: Er wollte eine Band gründen. So immerhin werden wir niemals vergessen, wo es geschah, sollten 29 Kensington Road tatsächlich einmal berühmt werden. Dies ist nicht unbedingt wahrscheinlich, auch wenn ihr Gitarrenrock durchaus eingängig daherkommt und sich tatsächlich auch noch kanadisch anhört, nämlich nicht so richtig amerikanisch halt, sondern immer ein wenig epigonenhaft. So ungefähr, wie sich Bryan Adams eben nicht anhört wie Bruce Springsteen, wenn jetzt irgend jemand versteht, was ich meine. Was natürlich nicht heißen soll, 29 Kensington Road würden sich anhören wie Bryan Adams. Nein, wirklich nicht, mancher Song gar ist recht hübsch gelungen, auch wenn die demonstrative Weite des öfteren einen Tick zu breit gerät. Auch das Seelenleben des jungenhaften Singles wird des öfteren allzu ausführlich dargelegt. Aber es ist nett. Nennen wir es Cocktail-Gitarrenrock.
30.6., 19 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 36–39 Thomas Winkler
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