■ Durchbruch bei den Nordirland-Verhandlungen?: Britischer Humor
Man wollte vor dem berühmten Gast nicht mit leeren Händen dastehen. Darüber hinaus hatte US-Präsident Bill Clinton seinen Gastgebern klargemacht, daß er keinesfalls mit einem Scheitern des nordirischen Friedensprozesses in Verbindung gebracht werden möchte. So steckten der britische Premier John Major und sein irischer Amtskollege John Bruton die Köpfe zusammen und verkündeten – wenige Stunden vor Clintons Eintreffen – freudestrahlend den „Durchbruch“.
Wen wollen sie für dumm verkaufen? Daß es sich in Wirklichkeit um einen kosmetischen Witz handelt, um dem Staatsgast aus USA die Reise nicht zu vermiesen, wissen nicht nur die ExpertInnen. Major und Bruton haben sich lediglich auf Dinge geeinigt, über die sie sich nie uneins waren. Die „internationale Kommission“, die sich mit Ausmusterung der Waffen beschäftigen soll, die bilateralen Vorgespräche und die Hoffnungen auf einen runden Tisch – alles alte Hüte, die bereits im Spätsommer zum Verkauf bereitstanden. Die strittigen Punkte wurden dagegen wieder mal auf die lange Bank geschoben: Der Termin für die Allparteiengespräche ist nicht bindend, die britische Regierung beharrt nach wie vor auf Ausmusterung der IRA-Waffen, und die internationale Kommission hat nur beratende Funktion, aber keine Entscheidungsgewalt. Anfang September hatte Bruton wegen eben dieser Punkte den geplanten Gipfel in Chequers abgesagt und sich Majors Zorn zugezogen. Mit Clinton wollte er es sich offenbar nicht auch noch verderben.
Dabei gab es bisher noch keinen irischen Premierminister, der der britischen Position in bezug auf Nordirland so nahe stand wie der konservative Bruton. Doch selbst er schien darüber beunruhigt, wie leichtfertig die Tory-Regierung die historische Chance vertändelt. Aber sein kurz aufblitzender Kampfgeist ist in Erwartung des großen Blonden aus Übersee wie weggeblasen. Es bleibt die positive Feststellung, daß die Waffen in Nordirland seit 15 Monaten ruhen – trotz der Politiker.
Clinton darf zufrieden sein. Er kann sich wieder eine Friedensmedaille ans Jackett heften. Daß die schon rostig sein wird, bevor er in Washington landet, spielt ja keine Rolle. Einen Sündenbock, wenn's doch noch schief geht, findet man allemal. Im Zweifelsfall waren es die feuerköpfigen NordirInnen, gegen die selbst US-Präsidenten vergebens predigen.
Ralf Sotscheck, Dublin
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