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Durch Keime getötete FrühchenIm Hamsterrad

Die Skandale um die durch Keime getöteten Frühchen haben Methode. Immer neue Sparrunden haben die Krankenhäuser kaputt gemacht.

Frühchen im Brutkasten: Wenn alle nur auf befristeten Stellen sitzen, warum soll einer Verantwortung übernehmen? Bild: dapd

Diesmal ist es also die Charité in Berlin, deren Babys lebensgefährlich durch Krankenhauskeime erkrankt sind. Im Herbst 2011 war es das Klinikum Bremen-Mitte. Gerade hat Professor Walter Popp sein Gutachten über die Bremer Vorkommnisse vorgelegt. Kurz zusammengefasst kommt er zu dem Schluss, dass Rationalisierungen im Gesundheitswesen nicht folgenlos geblieben sind.

Auch Dr. Zastrow vom Vivantes-Institut für Hygiene und Umweltmedizin sagt klar, dass die Probleme an der Charité auf „Schlamperei“ zurückzuführen sind. Denn auch an der Charité wurde und wird auf Teufel komm raus gekürzt, gestrichen, rationalisiert und outgesourct. Gut waren Bauarbeiten, die man nicht ausführen musste, besser waren Serviceleistungen, die man nicht mehr erbrachte, aber das Beste war natürlich immer der Abbau teurer, aufmüpfiger und womöglich noch festangestellter Mitarbeiter.

Als zweitbeste Lösung wurden die Arbeiten an externe Unternehmen gegeben, die dann ihre Mitarbeiterinnen für 5 Euro Stundenlohn in dem Universitätsklinikum arbeiten lassen. Parallel wurden immer neue Aufgaben übernommen, man will immer noch besser sein, noch mehr Patienten behandeln, noch mehr Forschungsmittel einwerben. Immer neue Zentren werden gegründet, Diagnostikgeräte angeschafft, Spezialbehandlungen angeboten.

Es ist ein neoliberales Märchen, dass diese ständigen Kürzungen im Gesundheitswesen ohne Folgen bleiben können. Das Personal ist erschöpft, Streikbereitschaft, Protestpotenzial und Krankenstand sind hoch. Einerseits klingt es zwar gut, wenn viele der Charité-Mitarbeiter eine lange Reihe von Titeln und Funktionen haben, andererseits heißt das vielerorts, dass keine der Aufgaben richtig gemacht wird.

Im neoliberalen Modus verankert

Für geringe Löhne, die man an externe Unternehmen zahlt, bekommt man keine gut qualifizierten MitarbeiterInnen, und schon gar nicht langfristig. Wenn alle nur auf befristeten Stellen sitzen, warum soll einer Verantwortung übernehmen?

Keinem Einzelnen kann hier ein Vorwurf gemacht werden, bei dieser Art der Vorgehensweise entstehen Lücken und diese führen in Zusammenhang mit der maximalen Arbeitsbelastung zu Fehlern. Die Ressourcen, diese Fehler zu entdecken, zu reflektieren oder gar zu beheben, sind einfach nicht mehr vorhanden, wenn jeder nur froh ist, am Ende eines oft viel zu langen Arbeitstages für ein paar Stunden aus dem Hamsterrad aussteigen zu können.

Doch die Charité ist mittlerweile mit vollem Enthusiasmus im neoliberalen Modus verankert. So wurden Millionen für externe Beratungsunternehmen ausgegeben, die dann weitere Tipps zum Sparen gaben, damit Geld für die nächste Runde der Beratungsunternehmen da ist. Wenn die Rettungsstellen überquellen, die Rohre platzen und sich wahrhafte Diebstahlserien durch die Charité ziehen, ist das doch egal, so lange die Unternehmenssprecher das irgendwie schönreden können. Ein System, das eigentlich Kranken heilen soll, ist längst eines, das Menschen krank macht. Es darf nicht überraschen, dass von so einer Entwicklung zuerst die Schwächsten betroffen sind.

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10 Kommentare

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  • FM
    Franz Maget

    Es wäre doch ein Vergleich der Hygienemaßnahmen in dieser Station mit denjenigen anderer Kliniken öffentlich darzustellen und nicht nur zwischen den Frühchenstationen.

     

    Diese kleinen Menschen geraten durch eine solche Infektion in einen lebensbedrohlichen Zustand. Entsprechend muß die Prävention vor Infektionen organisiert sein, so wie bei anderen Menschen mit möglichen fatalen Folgen.

     

    In bestimmten neurologischen Stationen. in Intensivstationen (dort befinden sich auch viele Patienten nach chirurg. Eingriffen) findet man folgende verstärkte Hygienemaßnahmen:

     

    1. Kein freier Zugang, sondern Zahlenschlösser an den Türen

    2. Personal und Besucher müssen sich beim Zutritt zu den Pflegeräumen waschen, desinfizieren und mit Hygienekleidung bekleiden, d.h. mit Schürze und Handschuhen.

     

    Und nach Berührung mit Fäkalien hat sich Jedermann immer und jedes mal sofort zu Waschen.

     

    Die Lichtschalter mit Kupferoberfläche können nur als "doppelter Boden" gelten.

     

    Es besteht der Verdacht, daß Frühchen mit geringeren Schutzmaßnahmen rechnen dürfen als denjenigen die für jeden Haushalt gelten. Die Hygienemaßnahmen richten sich dort nach dem individuellen Risiko der Bewohner.

    Und kein Mensch kommt auf die Idee sich nur beim Betreten und Verlassen der Wohnung die Hände zu waschen, wie das in diesen Stationen offenbar der Fall war. Und entsprechend muß der Personalansatz sein.

     

    Von möglichen lebenslangen Spätschäden habe ich auch nichts gelesen. Diese würde man bei Erwachsenen mit einem modernen PET-System finden und nicht mit einem CT oder einem MRT. Auch an die Schädigung des Herzmuskels ist zu denken.

     

    Wir - die Erwachsenen - müssen uns für diese Menschen einsetzen.

  • K
    Klaus

    Zusätzlich zu den einzelnen Kommenaren, die mir alle wichtige Aspekte hervorheben, sollte klar sein:

    unsere privaten wie staatlichen Gesundheitsinstitute übersehen die neuesten Erkenntnise über die antimikrobielle Wirkung von Kupfer!

     

    Wenn selbst im deutschen Wikipedia darüber nichts steht, sind positive Ergebnisse von Machbarkeitsstudien

    wie zum Beispiel 2008 in der Asklepios Klinik Wandsbek/Hamburg ohne Auswirkungen.

    Dazu ein Auszug eines Artikels der welt:

    "Eine komplette Krankenhausstation wurde mit Türgriffen, Türplatten und Lichtschaltern aus Kupfer ausgestattet. In regelmäßigen Abständen werden Proben von den kupferbeschichteten und den herkömmlichen Oberflächen genommen und ausgewertet. Türklinken und Lichtschalter sind erfahrungsgemäß die häufigsten Krankheitsüberträger. Nach einer Auswertung soll sich zeigen, ob das Material gegen die gefährlichen, antibiotika-resistenten Bakterien (MRSA steht für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), etwas ausrichten kann. Immer häufiger erkranken Patienten in Kliniken und Pflegeheimen an diesen Erregern. Die Ausbreitung lässt sich durch klassische Hygienemaßnahmen offenbar nicht stoppen.

    Dass der Versuch Erfolg verspricht, haben Laboruntersuchungen gezeigt, bei denen 99,9 Prozent der Bakterien, darunter auch die hochgefährlichen MRSA-Erreger, innerhalb eines Zeitraumes von wenigen Minuten bis zwei Stunden auf Kupferoberflächen eliminiert wurden. Auf Edelstahloberflächen wurden dagegen Überlebensraten derselben Mikroben von bis zu drei Tagen gemessen."

    Quelle:http://www.welt.de/gesundheit/article2335064/Kupfer-eliminiert-gefaehrliche-Krankenhauskeime.html

     

    Prägnant ist die folgende Website aus den USA:

    http://www.copperkillsmrsa.com/index.html

  • N
    noevil

    Gewinnorientierung und -maximierung haben in den Gesundheitsbereichen, die patienten- und personalintensiv arbeiten müssen, nichts aber auch gar nichts verloren. Das hat diesem Bereich die Politik eingebrockt - hat der geneigte Wähler wohl schon vergessen. Ist ja auch gerade erst mal so rund ein paar Jahre her. Die eigentliche Verantwortung für jeden durch Sparmaßnahmen Verstorbenen gehört in die Reihen der sich die Hände in Unschuld waschenden Politiker zurück verwiesen, denen die seinerzeitigen Beschlüsse entstammten.

     

    Ich bin ebenso sauer wie der Verfasser.

  • M
    Michael

    Pflegekräfte werden eingespart - und auf den Chefarztparkplätzen der Charité stehen Ferraris, Por(k)sche und Maserati. Das Maserati-Pack (und die Treberhilfe) lassen grüssen!

  • A
    anke

    Ach nein? Kann wirklich "keinem Einzelnen [...] ein Vorwurf gemacht werden", wenn Krankenhausleitungen Frühgeborene tot sparen? Was hat denn die sogenannte Arbeitsteilung für einen Sinn, wenn es vorher keine Zuständigen gibt und nachher keine Verantwortlichen? Irgendwer wird ja wohl die Entscheidung getroffen haben, die Reinigungsarbeiten zum kleinstmöglichen Betrag outzusourcen. Bezahlt worden ist jedenfalls gewiss jemand für diese geniale Idee. Vielleicht sogar befördert.

     

    Es ist ein neoliberales Kindermärchen, dass der Topf ewig weiter Grütze kochen kann, ohne dass irgendwer daran erstickt. Genau so, wie es ein neoliberales Kindermärchen ist, dass Chefärzte mehr wert sind (und also deutlich besser bezahlt werden müssen) als Reinigungs- oder Pflegekräfte. Es hilft nicht einer Mutter, wenn ihr Frühchen in einem sündhaft teuren Brutkasten künstlich am Leben erhalten wird, nur, damit sie es nachher an einen simplen Durchfall verlieren kann.

     

    Merke: Wer nur den Anfang der Mär vom süßen Brei zur Grundlage seiner Entscheidungen macht, und nicht die ganze Story, der gehört aufs Töpfchen, nicht in den Vorstand einer Klinik. Nur gut, dass ich für diese Art Selektion nie zuständig sein werde!

  • KK
    Karl K

    Danke für diese kenntnisreiche plastische Beschreibung.

     

    Getragen und begleitet wird all dies in den großen Städten durch tiefgreifende organisatorische Veränderungen der Rahmenbedingungen.

    Die Krankenhäuser sind in Verbundsysteme integriert, GmbH's etc , wodurch das Personal bis zu den Chefärzten Manövriermasse der Verwaltung geworden sind.

     

    Als der Chefarzt meiner Tochter ihr in den Ohren lag, wie prekär! sein Posten sei, habe man doch die Chefärztin der Nachbarabteilung geschaßt wg geringer Belegung, war klar, was die Glocke geschlagen hat.

     

    Die alte Melodie: …als sie die Putzfrauen outsourcten… ich bin ja keine Putzfrau … usw.

    Jedes soziale System empfindet seine Mitglieder als Störenfriede, möchte sie tendenziell vernichten.

    Gerät das System solcherart rein pekuniär gesteuert aus dem Ruder, wird eine optimale Erledigung der Aufgaben systematisch verhindert.

     

    So kämpft der WDR mit der "Rückführung" outgecourcter Mitarbeiter, weil plötzlich(?) doch 16%Mehrwertsteuer dorten fällig werden.

    Anders als bei Outsourcing angenommen!

    Also nix sparen - im Gegenteil.

     

    Allein diese singuläre Größe (16%) war für diese mehrere hundert Mitarbeiter treffende Maßnahme entscheidend.

     

    Geiz ist geil! Und so viel Dummheit auf einem Haufen wie gesehen nicht selten, sondern hat System.

     

    Die Suppe auslöffeln müssen dann die anderen.

  • H
    homer

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke für den Artikel.

  • J
    jan

    Bravo und bitte mehr davon!

    Es reicht nämlich noch lange nicht wenn alle Verständigen die Zusammenhänge zwar erkennen, die restliche Systempresse das Land jedoch unbeirrt weiter mit bornierten neoliberalen Propagandaphrasen zuschmiert.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Kliniken spielen mitdem Leben von Menschen

    Nicht durch Krankheiten sterben Menschen in Kliniken überwiegends,sondern duirch Keime und Bakterien.

    Kliniken sollten mehr unter der Aufsicht stehen,was keime und Bakterien betrifft.Es geht um Menschen,hier um Neugeborene.

  • S
    spiritofbee

    Charité ist überall...... Wieviel Babys, Kinder und Erwachsene müssen noch ( weltweit!!!) sterben, damit wir diese skrupellosen menschengemachten Mechanismen endlich stoppen?