Duftforscher über Körpergeruch: "Wasche dich nicht!"
Körpergeruch hat ein schlechtes Image. Das findet Duftforscher Hanns Hatt schade und empfiehlt, öfter mal auf unsere Nase zu hören.
taz: Deopflicht am Arbeitsplatz - das fordert Ursula Frerichs, die Präsidentin des Unternehmerverbands mittelständische Wirtschaft. Herr Hatt, warum stört uns Schweißgeruch so sehr?
Hanns Hatt: Das ist ein kulturelles Problem. Es gibt keine genetische Disposition, Schweiß als unangenehm zu empfinden. Durch unsere Erziehung definieren wir Schweißgeruch als negativ. Eltern erzählen ihren Kindern, sie würden nach Schweiß "stinken". Das war nicht immer so. Vor 200 Jahren war Schweißgeruch für manche Nasen durchaus attraktiv. Napoléon hat seiner Joséphine immer geschrieben: "Wasche dich nicht, ich komme!"
Ist Körpergeruch denn ein Zeichen mangelnder Hygiene?
Heute jagen wir jedem Duftmolekül im Körper nach und versuchen, es wegzuschrubben. Wenn sich jemand nicht wäscht und die Kleidung nie wechselt, ist dieser Geruch auch ein Zeichen dafür, dass derjenige - zumindest nach unserer gesellschaftlichen Auffassung - nicht genügend körperliche Hygiene betreibt.
Wie entsteht eigentlich der menschliche Körpergeruch?
Dieser Text stammt aus der aktuellen sonntaz vom 21./22. August - ab Samstag zusammen mit der taz am Kiosk oder in Ihrem Briefkasten.
63, ist Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum und forscht zum Thema Geruchs- und Geschmackssinn. Seine Ergebnisse publizierte er unter anderem in dem Buch "Niemand riecht so gut wie du".
Es gibt zwei verschiedene Arten von Schweißdrüsen: Die einen erzeugen vor allem Duftstoffe. Die anderen sind überwiegend für die Temperaturregulation verantwortlich. Letztere produzieren aber auch einen Teil der Fettsäuren, die für den Schweißgeruch zuständig sind. Die Schweißmoleküle, die so unangenehm nach Buttersäure riechen, sind eigentlich gar nicht von uns gemacht, sondern werden von Mikroorganismen auf unserer Haut produziert.
Sie forschen gerade nach einer Möglichkeit, Gerüche so zu verändern, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen. Wie kann das funktionieren?
In unserer Nase gibt es 350 Riechrezeptoren. Würden wir den Rezeptor kennen, der auf den schlechten Schweißgeruch reagiert, könnten wir einen Antiduft entwickeln. Ein Molekül also, das in diesen Rezeptor, dieses Schloss, passt, ihn besetzt, aber nicht aktiviert. Ich müsste nur mein Hemd mit diesem Antiduft einsprühen und könnte stinken wie ein Iltis, es würde aber keiner riechen. Bisher haben wir zehn dieser 350 Rezeptoren entschlüsselt und kennen auch schon den Antiduft.
Botox für die Achseln, die Schweißdrüsen entfernen lassen: Die Methoden zur Schweißhemmung werden immer extremer. Herrscht in unserer Gesellschaft ein Hygienewahn?
Wir haben mit der Zeit sicher ein gestörtes Verhältnis zu den natürlichen Dingen entwickelt, die unser Körper produziert. Im Moment ist die Gesellschaft in einer gegenüber Düften sehr zurückhaltenden Phase. Ich persönlich finde es schade, dass wir diesen Sinn so ausklammern.
Warum ist das so?
Wir leben in einer technologischen Welt und denken, wir kommunizieren gar nicht mehr auf diese Weise. Wir gehen nicht mehr mit offener Nase durch die Welt, sondern nur noch mit offenen Augen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das ändern wird und wir uns in zehn oder zwanzig Jahren wieder mehr der Nase zuwenden. Man sieht das ja auch mit dem Rauchverbot in Lokalen. Da kommt wieder viel mehr Eigenduft zutage und plötzlich erstaunt es einen, was man alles wieder riechen kann.
Wenn unsere Gesellschaft Gerüchen so zurückhaltend gegenübersteht, verlernen wir dann auch das Riechen?
Riechen hat mit Übung zu tun und die Nase arbeitet 24 Stunden am Tag. Aber auch wenn wir nicht mehr so stark auf Gerüche achten, die Nase registriert sie trotzdem. Das heißt, die Duftinformation läuft ständig und verändert so unser Gehirn, beeinflusst unsere Erinnerungen und Emotionen. Würden wir die Düfte bewusst wahrnehmen, könnten wir mit den Informationen mehr anfangen. So entscheiden wir uns für etwas, wofür eigentlich der Duft die Ursache war, rechtfertigen unsere Entscheidung aber mit visuellen Faktoren.
Bei den 68ern galt es als Statement, sich Deo und Parfüm zu verweigern. Ist das heute noch so?
Absolut! Gerade heute werden Düfte oft zur Manipulation genutzt - vor allem im Marketing. Überall wird etwas beduftet, um uns zum Kauf zu bewegen. Wir selbst sind aber die größten Manipulateure. Die Benutzung von Parfüm hat einzig und allein den Zweck, mich in der Nase meiner Mitmenschen besser darzustellen als ich bin. Dagegen wollten die 68er, aber auch die Linken von heute, demonstrieren: Wir wollen nicht manipuliert werden und auch selbst nicht manipulieren.
In Ihrem Buch "Das Maiglöckchen-Phänomen" beschreiben Sie, dass Eizellen eine Art Maiglöckchenaroma verströmen. Spermien orientieren sich an diesem Duft und finden so ihren Weg. Ist Riechen also der erste Instinkt?
Ja, mit Sicherheit. Ich bekomme immer die Frage: "Wie kommen denn diese Rezeptoren von der Nase in die Spermien?" Dabei ist es andersrum. Wahrscheinlich waren erst ein paar dieser Riechrezeptoren in den Spermien und sind dann später mal in die Nase gewandert. Die Fortpflanzung gab es ja schon, bevor Lebewesen eine Nase hatten.
Mal abgesehen vom Maiglöckchenduft, welche Gerüche finden wir besonders anziehend?
Das ist individuell subjektiv. Es gibt zwar Umfragen, die zeigen, dass Mundgeruch und Fußschweiß die größten Abturner sind, prinzipiell sind es aber die persönlichen Erfahrungen, die Düfte attraktiv machen oder nicht.
So wie bei Parfüm. Das sollte einen ja eigentlich besser duften lassen. Dabei finden manche Menschen Parfümgeruch nur lästig.
Das Umweltbundesamt will das Tragen von Parfüm in öffentlichen Gebäuden inzwischen sogar verbieten. Das ist wirklich lächerlich. Da rieche ich doch lieber Parfüm als Kragenfett, Akten und Menschenschweiß.
Da wären wir wieder bei der grundsätzlichen Debatte angelangt. Am besten sollte man nach gar nichts riechen.
Ich weiß nicht, ob das gut ist. Ich finde Riechen etwas Wunderschönes, weil es Emotionen und Gefühle in mir auslöst. Es ist genauso ein Genuss wie etwas Gutes zu essen. Oder auch ein Garten voller duftender Blumen - ein Stück Lebensfreude.
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