Es geht ums Abzocken : Düsseldorfer Tabubruch
Als während der Metallerstreiks ein führender Arbeitgebervertreter die angestellten Beschäftigten aufforderte, in den nächsten Jahren je 500 unbezahlte Überstunden abzuleisten, um die Konjunktur anzukurbeln, glaubte ich angesichts der Widersinnigkeit dieser Forderung bei Massenarbeitslosigkeit und Überproduktionskrise noch an eine reine Einschüchterungskampagne. Doch nun haben die nordrhein-westfälischen Grünen das noch getoppt und in Verhandlungen mit der SPD erreicht, dass laut „Düsseldorfer Signal“ vom 30. 6. 03 die NRW-Beschäftigten künftig 41 Wochenstunden arbeiten sollen.
Peanuts? Vielleicht für Kinderlose, vielleicht auch für Familienväter mit zuarbeitender Ehefrau im Rücken. Für Alleinerziehende fällt die Verfügbarkeit des Freitagnachmittages flach, an dem kaum Kinderbetreuung angeboten wird, und der oft der einzige Wochentag ist, an dem sie ihren Kindern in nicht erschöpftem Zustand begegnen.
Aber sie können ja auf Teilzeit gehen. Können sie? Selbst wenn das finanziell geht: Arbeitgeber können diesen Wunsch betriebsbedingt verweigern oder als Gelegenheit für Versetzungen, Rückstufungen usw. nutzen, Verdichtung und unbezahlte Heimarbeit sind die Folgen, und Aufstiegsmöglichkeiten gehen flöten. Trotzdem werden viele Alleinerziehende genau diese Konsequenz ziehen. Und das ist ja wohl auch die Absicht: Leute aus ihren Vollzeitbeschäftigungen kicken, und zwar die Schwächeren: Alleinerziehende, gesundheitlich Angeschlagene, Ältere … […] Ist das die grüne Gleichstellungspolitik? Die 41 Wochenstunden im „Düsseldorfer Signal“ sind keine Peanuts, sondern ein Tabubruch, den die Arbeitgeber bundesweit mit Vergnügen aufgreifen werden.FRIEDERIKE NEISEL, Bielefeld