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■ Düsseldorfer Kirmes 93: Kosmonautentraining für das VolkMensch, übergib dich nicht!

Düsseldorf (taz) – „Technisch schwierige fliegende Bauten“, so heißen sie im TÜV-Fachjargon: jene hochgerüsteten Kirmes-Kolossalattraktionen, gegen die sich Omas Kettenkarussell wie lumpiges Blechspielzeug ausnimmt. Jetzt rasen, rotieren und überschlagen sie sich wieder auf den Rummelplätzen der Nation – zum Beispiel in der hiesigen „Größten Kirmes am Rhein“ – und verwandeln sie in immer gnadenlosere Kosmonauten-Trainingszentren fürs ganze Volk.

Wie resistent ist mein Magen nach dem Genuß von gebrannten Mandeln, Backfisch, Paradiesäpfeln und Faßbier gegen alle Zentrifugalkräfte zwischen Himmel und Erde? Wie stellt sich meine Heimatstadt dar, kopfüber betrachtet aus einer Kreisbahn in 50 Meter Höhe? So lauten die Schicksalsfragen, und um eine Antwort zu erlangen, sollte ein Schleuderpreis von fünf bis sieben Mark nicht zuviel sein.

„Colorado Rafting“ heißt eine dieser Megamaschinen. Zwei Riesenarme wuchten eine ganze Zuschauertribüne durch die Luft, kippen, schwenken und schleudern sie unbarmherzig herum, daß des Kreischens kein Ende ist. Die jeweils dreißig freiwilligen Probanden machen angesichts des großen Zuschaueraufgebots („steht da nicht auch Mutti mit gezückter Videokamera?“) betont heitere Miene zum Spiel. Keiner kotzt, lediglich beim Aussteigen wirken ein paar Gesichter leicht fahl und benommen. Betrunkenen ist die Mitfahrt ohnehin verwehrt, ebenso Schwangeren, Bluthochdruck- und Bandscheibenleidenden sowie Personen, die das Pech haben, kleiner als 1,40 oder größer als 1,95 Meter zu sein – sie würden in der gepolsterten Hydrauliksperre wohl zu sehr gebeutelt und womöglich herausflutschen.

Unter uns gesagt: „Colorado Rafting“ ist eigentlich schon wieder out. Denn jetzt gibt es den „Terminator“. Der Fortschritt zeigt sich nicht nur in den bunten Kulissen – wilde Wasserfälle, coole Killertypen und futuristische Flintenweiber –, sondern vor allem in der hydraulisch-elektronischen Technologie: „Terminators“ Zyklopenarme vermögen versetzt und gegenläufig zu kreisen und die Versuchskaninchen-Plattform auch diagonal zu kippen, ja sie gleichsam durchzuwalken und auszuwringen.

Überhaupt ist die Luftchoreographie dieser neuesten Nervenkitzelmaschine, deren Arbeit von einer lustvoll-hämischen Moderation begleitet wird, noch um einiges hinterhältiger: trügerische Ruhemomente, plötzlicher Überschlag vorwärts und rückwärts, sadistisches Kopfüber-Hängenlassen und andere Gemeinheiten.

Wer lieber lebender Bestandteil eines monströsen Propellers am Stiel sein möchte, steige bei „Evolution“ in den Schleuderkäfig. Und wer seine satisfaction eher durch vierfachen Looping und freien Fall mit halber Schraube findet, vertraue sich „Thriller“ an, der „heißesten Achterbahn der Welt“ – nicht ohne ein höhnisches Gedenken an jene Zeitungsmeldungen vom Vorjahr, wonach sich Fahrgäste reihenweise beim Orthopäden wiederfanden.

Verhaltenen Intellektuellen mit Wirbelsäulenzipperlein kann bedenkenlos zu einem Besuch von „Sensorium“ geraten werden. „Die Weltsensation – back to the thrill – Der Wahnsinn – Wahrnehmung aller Sinne – Eine Reise in den größten Computer der Welt“, so versprechen die Plakate, die schon seit Tagen an jeder Wand in der City hängen. Der Wahnsinn erweist sich im abgedunkelten Hinterteil des Etablissements als liebenswert-eklektisches Gesamtkunstwerk aus Pappmaché und Computerspiel, Lasershow und Springbrunnen, Zündelei und Popmusik, Windmaschine und Schneegestöber. Waaouh! Olaf Cless

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