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Archiv-Artikel

vorlauf Dünn-dreiste Realsatire

„Das Ganze eine Rederei“, (Mo., 23.00 Uhr, ARD)

Da sitzen sie alle in Anne Wills Talkrunde, feiern sich selbst und strahlen fröhlich um die Wette. Klaus Michael Heinzens dreiteilige Dokumentation bringt zum Thema 30 Jahre Talk im deutschen Fernsehen lauter vertraute Gesichter auf den Bildschirm: von Willemsen über Beckmann und Kerner bis Böhme, dazu Urgesteine wie Dietmar Schönherr und die längst abgetauchte Margarethe Schreinemakers.

Und sofort greift eine in den Sendern nicht ganz unbekannte Taktik: Man überschütte sich selbst mit Ruhm und liefere obendrein jene verträgliche Dosis Selbstkritik, die keinem wehtut, gleich liebevoll mit. Denn wussten wir es nicht schon immer: Fernsehkritik ist überflüssig, die Macher streicheln sich selbst und bewerfen sich zum schönen Schein mit Wattebäuschen. Dazu bekommt der Zuschauer Szenen aus der Historie des geschwätzigen Reigens geboten, über die immerhin die Talkmaster lachen können.

In der ersten Folge, Untertitel: „Vom Sex und von der Liebe“, fragt Anne Will hintersinnig, ob da etwa nur auf Voyeurismus gesetzt wurde, und Autor Heinz lässt zum Beweis Talkauftritte knapp bekleideter Models und Pornodarsteller Revue passieren, begleitet von fröhlichem Moderatorengekichere. Reinhold Beckmann bleibt es anschließend überlassen, das Ganze als „Aufklärung“ verkaufen zu wollen. Im Zeitalter der sexuellen Revolution hätten Talks den Zweck der Provokation verfolgt, vernehmen wir Fernsehzuschauer staunend. Ziel sei gewesen, „irgendetwas anzuzeigen“.

Vermessen wäre indes, zu behaupten, Talkmaster seien generell unkritisch gegenüber ihren rhetorischen und intellektuellen Leistungen: Böhme konstatiert zum Beispiel messerscharf, die meisten Talks seien ohnehin „nur Zirkus“. Und so setzt Heinz’ Dokumentation bestenfalls auf Realsatire.

So dünn wie der Erkenntnisfortschritt bleibt auch der Unterhaltungswert: Man ist eben unter sich, der Tellerrand scheint schwierig zu überblicken. Bar jeglicher Zukunftsvision wird in Selbstbeweihräucherung verharrt und infantil gewitzelt. Was bleibt, ist ganz gewöhnliche Rederei. GITTA DÜPERTHAL

Teile 2 u. 3.: Di./Mi., jew. 23.00 Uhr