: Duales System wieder in Finanznöten
■ Kein Konkursantrag, aber 700 Millionen fehlen / In den kommenden zwei Wochen wird es eng / Umweltminister Töpfer schimpft auf Firmen, die nicht zahlen / SPD will dagegen die Gesellschaft auflösen
Berlin (AP/taz) – Zum zweitenmal innerhalb von drei Monaten ist das Duale System zur Sammlung und Wiederverwertung von Verpackungsmüll in ernsthafte Finanznöte geraten. Die Gesellschaft teilte am Wochenende mit, bis zum Jahresende fehlten ihr voraussichtlich 700 Millionen Mark. Ein Konkurs drohe zwar nicht unmittelbar, aber wenn nicht innerhalb der kommenden zwei Wochen eine Lösung gefunden werde, werde es eng.
Umweltminister Klaus Töpfer sagte, die Probleme seien entstanden, weil zwar rund 90 Prozent aller Verpackungen heute bereits den Grünen Punkt trügen, die verpackenden Firmen aber nur für rund 50 Prozent die fälligen Gebühren entrichten würden. Besonders pikant: Die säumigen Firmen kassieren schon heute bei ihren Kunden für die Entsorgung der Verpackungen mit dem Grünen Punkt ab.
Die Pressesprecherin der Gesellschaft Duales System Deutschland (DSD), Petra Rob, rechnete vor, die Finanzlücke komme dadurch zustande, daß zwar monatlich 190 Millionen Lizenzgebühren vereinbart seien, faktisch aber nur 140 Millionen eingingen. Für eine kurzfristige Lösung müßten Entsorgungswirtschaft, Handel und Industrie das DSD finanziell stützen. 200 Millionen Mark seien schon eingezahlt, aber noch gesperrt. 500 Millionen Mark fehlen also noch. Erst auf mittlere Sicht könnten die Verträge so gestaltet werden, daß beim Verdacht auf unkorrekte Angaben der Lizenznehmer kurzfristig ein Wirtschaftsprüfer eingeschaltet werden könne.
Bisher werden die Gebühren mit den rund 15.000 beteiligten Unternehmen aufgrund von deren Angaben abgerechnet. Erst zum Jahresende ist das Attest eines Wirtschaftsprüfers vorgesehen. Das DSD war bereits im Mai aus ähnlichen Gründen in Schwierigkeiten geraten, hatte dann aber im Juni mitgeteilt, daß die finanzielle Basis des Unternehmens dauerhaft gesichert sei.
Rob drohte, ein Konkurs des DSD würde Kosten von insgesamt 30 bis 40 Milliarden Mark verursachen und Tausende von Arbeitsplätzen vernichten. Im Gesetz ist vorgesehen, daß bei einem Scheitern des Dualen Systems die Verbraucher die Verpackungen im Laden zurückgeben können.
Dagegen verlangte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, von Töpfer die Schließung des DSD. Der SPD-Politiker erklärte, die Gesellschaft sei ein teurer und aufwendiger Moloch, der immer mehr Geld brauche, ohne wirkliche Fortschritte auf dem Gebiet der Abfallvermeidung und Abfallverminderung erreichen zu können. Damit sich die gigantischen Fehlentwicklungen nicht weiter verfestigten, solle die Bundesregierung das DSD schnell beenden. Statt dessen sei ein Konzept nötig, das Abfallvermeidung, Abfallverminderung, Mehrwegsystemen und dem Ausbau einer dezentralen Verwertungswirtschaft den Vorrang einräume.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen