verpasst? : Du, also ich
„Deutschland – Brasilien“, Mi., 20.15 Uhr, ZDF
Waren Cäsaren im Krieg erfolgreich, dann wurde ihnen im alten Rom die Ehre eines Triumphzuges zuteil. Ein Sklave hielt dann dem Geehrten einen Lorbeerkranz übers Haupt und bewahrte ihn vor dem Verlust der Bodenhaftung, indem er ihm fortwährend ins Ohr flüsterte: „Bedenke, dass du sterblich bist“. Wolf-Dieter Poschmann aber hält dem Kaiser Franz das Mikro vor die Nase – und wird nicht müde, ihn als unsterblich zu feiern. So ist es, wenn die Medienkompetenz des Gastes die des Journalisten übertrifft. Dass Poschmann neben Beckenbauer einen geduckten Eindruck macht, liegt aber nicht an der höfischen Unterwürfigkeit des ZDF-Sportchefs, sondern an einem rhetorischen Kniff, den Beckenbauer auch schon bei „Anke Late Night“ erfolgreich angewendet hatte. Es ist das kaiserliche „du“ in Sätzen wie „Wenn du beim FC Bayern Millionen zu verwalten hast …“, „Wenn du gegen die Brasilianer gewinnen willst …“ oder „Wenn du die WM nach Deutschland holst …“. Nicht „ich“ oder „man“, sondern nur das einnehmende „du“ suggeriert, „wir“ träfen uns auf Augenhöhe. Beckenbauers volksnahes „du“ macht journalistische Distanz im Gespräch fast unmöglich, weil es auf sublime Weise impliziert: „Bedenke, dass ich sterblich bin!“ ARNO FRANK