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Dschingderussabumm

■ SPDeutschmeister schwingen Wahlkampfauftaktstock: Riedmüller bildet Soldaten, Momper will kein deutsches Geld für Russen, Schwierzina fackelt für Olympia

Berlin. Im Endwahlkampf um Berlin, der entscheidenden Runde für die Hauptstadtqualifikation, läßt die regierende Sozialdemokratie jetzt ihrem inneren Diepgen freien Lauf: Wissenschaftssenatorin Riedmüller macht die EisbrecherIn für die Wehrmacht in der ehemals entmilitarisierten Stadt.

Als gäbe es nichts Eiligeres und Wichtigers zu tun, führt sie 30 Kriegshandwerkslehrlinge (Ost) stolz durchs Schöneberger Rathaus — zwecks »politischer Bildung«. »Bewußter Kontrast zur NVA-Schulung«, nennt dies der anführende Oberleutnant und Uniformbürger (West). Dieser wurde u.a. von Professor Riedmüller herangebildet, die weiland an der Hochschule der Bundeswehr in München Pädagogik lehrte. Ein bißchen Kriegskredit hat ja noch nie geschadet.

Haut-, Volks- und Kleinbürgernähe demonstriert derweil der Regierende Momper beim Tag der Offen Tür im Roten Rathaus. Zur PDS-Razzia seiner Innenbehörde geht er obrigkeitsstaatlich in Stellung: »Die Staatsanwaltschaft wird schon ihre Gründe gehabt haben, warum sie das gemacht hat«. Es sei schon »erstaunlich«, erläutert der rächende Antikommunist weiter, »daß ausgerechnet die das große Geschrei anheben, die vierzig Jahre dieses Land in den Dreck gefahren und hier die Menschenrechte mit Füßen getreten haben«. Freilich müsse »alles rechtsstaatlich in Ordnung sein«, räumt Momper jovial auf. Deutsches Geld sollte auch deutsches Geld bzw. in der Familie bleiben: »Das Geld, was diese Partei dem Volke hier gestohlen und weggenommen hat, das soll sie dem Volke wieder zurückgeben und nicht irgendwelchen Russen überweisen.« Volkstümliches Nationalgefühl beginnt eben gern am Portemonnaie.

Derweil schickt sein Ostberliner Kollege Tino Schwierzina schon jetzt Fackelläufer vom Roten zum Schwarzen Rathaus, um für Berlin als Olympiahauptstadt im Jahre 2000 zu werben. Wir dürfen doch wohl erwarten, daß wir in den nächsten zehn Jahren weiterhein regelmäßig mit fröhlichen Vorspielen im öffentlichen Raum versorgt werden.

Als nächsten Wahlkampfhit planen unsere S-Demokraten von der Bebel-Partei nun etwas ganz besonderes: Am nächsten langen Samstag wird Verkehrssenator Horst Wagner persönlich am Wittenbergplatz farbstoffreie Radiergummibärchen verteilen. Damit sollen bis zum Wahltag am 2. Dezember »alle BürgerInnen dieser Stadt tatkräftig mithelfen«, den »sozialistischen Irrtum Busspur« aus dem Antlitz der Hauptstadt zu radieren. kotte

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