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Druck auf Israel wirktLockerung der Blockade in Sicht

Nach der Blockade der "Rachel Corrie" werden die Passagiere des Solidaritätsschiffes ausgewiesen. Doch die Aktivisten wollen weitermachen.

Kein Schiff in Sicht: Ein Junge springt ins Hafenbecken von Gaza-Stadt Bild: reuters

JERUSALEM taz | Der internationale Druck auf die israelische Regierung trägt erste Früchte. Die Minister debattierten am Sonntag in Jerusalem ein Ende oder mindestens eine deutliche Verminderung der Blockade des Gazastreifens. "Die Zeit ist reif, um Alternativen für das Embargo zu prüfen", meinte Sozialminister Itzhak Herzog von der Arbeitspartei. Er schlug vor, sowohl dem Umfang der Warenlieferungen nach Gaza als auch die Produktliste zu erweitern. Transportminster Israel Katz (Likud) hoffte hingegen auf eine Abkoppelung Israels vom Gazastreifen: "Die zivilen Waren sollten von Ägypten aus über (die Grenzstadt) Rafah nach Gaza geliefert werden."

In Tel Aviv hatten am Vorabend rund 6.000 Demonstranten ein Ende der Blockade gefordert. Trotz des strengen Sicherheitsaufgebots gelang es einem rechtsnationalen Aktivisten, eine Rauchbombe auf die Demonstranten zu werfen. "Ich stand kaum zwei Meter entfernt", berichtete Uri Avnery, Gründer des linken Friedensblocks "Gusch Schalom". Die Nationalisten hätten die Demonstranten als "Araberfreunde" bezeichnet und "Geht doch nach Gaza!" gerufen. Von dem Zwischenfall abgesehen, zeigte sich Avnery zufrieden über die Teilnahme bei der Demonstration, die "zum ersten Mal seit Jahren Vertreter aus dem gesamten israelischen Friedenslager auf die Straße brachte".

Am Wochenende fanden auch landesweite Solidaritätskundgebungen mit den Marinesoldaten statt, die den Auftrag hatten, den Hilfskonvoi für Gaza zu stoppen. "Das Volk steht vereint hinter der Israelischen Verteidigungsarmee und seinen Soldaten", hieß es auf Spruchbändern. Die Elitetruppe war international in Verruf geraten, nachdem bei der Kaperung des türkischen Flaggschiffs "Mavi Marmara" neun propalästinensische Aktivisten erschossen worden waren.

Proteste gegen Israel

Bis zu 10.000 Menschen sind in der türkischen Metropole Istanbul erneut auf die Straße gegangen, um gegen die israelische Erstürmung der Hilfsflotte für den Gazastreifen Anfang der Woche zu protestieren. Zu der Kundgebung am Samstag hatte auch die islamistische Nichtregierungsorganisation IHH aufgerufen. Auch in Paris und mehreren anderen großen Städten in Frankreich demonstrierten am Samstag tausende Menschen gegen den israelischen Militäreinsatz. In London versammelten sich tausende in der Downing Street. Sie forderten die Regierung auf, den Druck auf Israel zu erhöhen. Schwedische Hafenarbeiter wollen aus Protest gegen die israelischen Blockade Gazas israelische Schiffe eine Woche weder be- noch entladen. Die Aktion soll vom 15. bis 24. Juni dauern. (afp/apn)

Die Aktivisten der "Rachel Corrie", dem siebenten Schiff der propalästinensischen "Freiheits-Flotilla", wurden gestern zum Teil über die Allenby-Brücke in Richtung Jordanien, zum Teil über den Flughafen Ben Gurion abgeschoben. Die elf irischen und malaysischen Staatsbürger hatten sich am Samstag zwar unter Protest, aber ohne physischen Widerstand von der Marine zum israelischen Hafen Aschdod bringen lassen. Greta Berlin, Sprecherin der "Free-Gaza"-Bewegung, kommentierte das israelische Vorgehen von Zypern aus als "brutalen Akt der Piraterie". Die Bewegung plane bereits vier weitere Schiffsfahrten mit Hilfsgütern für Gaza. "Wir werden jetzt ein Schiff nach dem andern schicken, bis die unmenschliche Blockade gegen die Bevölkerung im Gazastreifen ein Ende hat," sagte Berlin.

Die Koordinatorin der "Free Gaza"-Bewegung vor Ort, Munna el-Farra, sagte: "Wir begrüßen die Anstrengungen unserer Freunde, aber die Transporte sind wenig im Vergleich zu dem, was wir brauchen." Farra hofft nun auf konkrete politische Veränderungen. Die Lieferungen der Hilfskonvois seien für die Palästinenser nicht das Entscheidende, sondern "die Botschaft dieser Leute, die kommen und sagen: Ihr seid nicht allein."

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu stellte im Verlauf der gestrigen Regierungssitzung fest, dass er "die Errichtung eines iranischen Hafens in Gaza nicht zulassen" werde. Die Minister blieben sich uneins darüber, in welcher Form die Ereignisse der vergangenen Woche untersucht werden sollten. Die UNO und die Regierung in Washington forderten eine unabhängige Untersuchungskommission, was Israel in der Vergangenheit stets ablehnte. Nach Berichten der Zeitung Maariv zeichnet sich eine zivile israelische Kommission unter Beisein internationaler Beobachter ab. Minderheitenminister Avischai Bravermann (Arbeitspartei) warnte vor einer Wiederholung der Fehler nach dem Gazakrieg, als Jerusalem jede Kooperation mit der von der UNO eingesetzten Kommission ablehnte, was zwangsweise zu einer Einseitigkeit des Berichts geführt habe.

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7 Kommentare

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  • K
    Kassandra

    Während die Schiffe aufgebracht wurden, herrschte in Gaza die übliche Selbstbedienung durch die Hamas an der internationalen Theke, schließlich muss man ja auch dafür sorgen, dass die Armen in Palästina hübsch arm bleiben, denn nur ein pittoresker Slum lässt weitere Spenden munter sprudeln:

    Statement by the UN Special Coordinator for the Middle East Peace Process, Robert Serry

     

    For immediate release

     

    03 June 2010, Jerusalem

     

    I am deeply concerned at reports from Gaza that Hamas has broken into a number of NGO offices in Gaza City and Rafah in recent days and closed them down, confiscating their materials and equipment in the process. This targeting of NGOs, including UN partner organizations, is unacceptable, violating accepted norms of a free society and harming the Palestinian people. The de facto authorities must cease such repressive steps and allow the re-opening of these civil society institutions without delay.

     

    Bin gespannt, ob dieser Kommentar durch die Zensur kommt.

  • S
    Sabine

    Ich bin sicher dass auch in der von den Taliban kontrollierten Regionen in Afghanistan und Pakistan die Zivilbevölkerung leidet und humanitäre Hilfe benötigt. Angesichts der Tatsache dass in dem Konflikt dort auch deutsche Soldaten beteiligt sind wäre es nur angebracht, dass sich deutsche Friedensaktivisten mit islamistischen Unterstützern der Taliban solidarisieren, einen Konvoi dorthin organisieren, und jegliche Kontrolle ihrer Fahrzeuge auf Waffen durch die Pakistanische Armee auf dem Weg dorthin verweigern, ggf. auch unter dem Einsatz von Gewalt. Im Dienste des Weltfriedens.

  • MG
    maria g.

    an "annette" und alle anderen verblendeten:

     

    "Die israelische Armee hat mittlerweile eingestanden, daß sie Mitschnitte des Funkverkehrs mit der Free-Gaza-Flotte und dem Leitschiff »Mavi Marmara« »bearbeitet« hat. Die angeblichen Äußerungen von der Flotte »Geht zurück nach Auschwitz« und »Denkt an den 11.September« seien aus dem Zusammenhang gerissen, von welchem Schiff die Äußerungen gekommen seien, ließe sich nicht klären. Der ebenfalls von der Armee veröffentlichte Videomitschnitt des Funkkontakts enthielt diese Drohungen nicht. Denis Healey, Kapitän des Free-Gaza-Bootes »Challenger 1« erklärte, die Kommunikation sei von allen Kapitänen der Flotte zu hören gewesen und jeder, der spreche, sei identifizierbar. Während er das Boot steuerte, habe er diese Äußerungen nicht gehört. (www.freegaza.org)"

     

    http://www.jungewelt.de/2010/06-07/061.php

  • T
    TOM

    Druck auf Israel wirkt und die Blockade soll gelockert werden? Hehe, musste nach langer Zeit der TAZ Abstinenz wieder heftigst schmunzeln. Ich verzichte jetzt einfach auf die jährlich wiederkehrenden Links über die lockerung und evtl. Beendigung der Blockade und der Diskussion in Israel darüber. Geschehen ist nichts. Hin und wieder hat man paar Sachen aus der Blockade wieder zugelassen für ne Weile, dafür anderes blockiert. Lasst euch nur weiter Sand in die Augen streuen und nettes Happi happi bieten von Israel zur Beruhigung

  • S
    Stefan

    Kleinanzeige:

    Verkaufe billig das Wort "TERRORIST". Es wurde durch "Aktivist" ersetzt und ist jetzt überflüssig geworden. Zur Weiterbenutzung in liebevolle Hände abzugeben, gerne auch an Extremisten, Antisemiten oder Friedensheuchler.

  • A
    Annette

    Kann man von "Aktivisten" sprechen, wenn per Radio Transmission wir hören die so-gannanten "Aktivisten" sagen:

     

    "Go back to Auschwitz!"

     

    Hören Sie die Auesserung hier:

     

    http://idfspokesperson.com/2010/06/05/clarificationcorrection-regarding-audio-transmission-between-israeli-navy-and-flotilla-on-31-may-2010-posted-on-5-june-2010/

     

    Aktivisten??? Wirklich???

     

    Wird die TAZ diese Kommentar veröffentlichen, oder werde ich wieder mal zensiert??

  • E
    Enrico

    «Bei der Abfahrt des Schiffes wurde gesungen: ‹Tod den Juden›»

     

    Es war wieder einmal sehr faszinierend: Als letzten Freitag bei Anschlägen von Islamisten in zwei Moscheen in Lahore (Pakistan) 93 Menschen getötet wurden, schwieg die ganze Welt. Als dann bei einer von türkischen Extremisten provozierten Aktion vor Israel 10 Personen ums Leben kamen, schrien die Weltmedien auf. Die 93 frommen Menschen in den Moscheen sind scheinbar völlig unwichtig. Aber es geht da nicht um die Opfer, die sind alle gleichwertig. Es geht um die Täter....

     

    http://www.enabc.de/include.php?path=news