Druck auf Atomindustrie: Die Union hört die Signale
Nach den Anti-Atom-Protesten am Samstag kündigt die CSU eine härtere Gangart gegenüber der Atomindustrie an. Und auch die FDP hat "nicht nur Atom im Kopf".
Ungewöhnliche Töne aus Reihen der Union: Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) hat eine härtere Gangart gegenüber der Atomindustrie angekündigt. Er wolle längere Laufzeiten von Atomkraftwerken nur noch dann genehmigen, wenn die Energieversorgungsunternehmen jährlich mehr als die Hälfte ihrer zusätzlichen Einnahmen aus Atomstrom für erneuerbare Energien investieren, kündigte Söder jetzt an.
Auch forderte er die Unternehmen auf, sich an der Sanierung der Asse II zu beteiligen. Die Kosten für das marode Atommülllager in der Nähe von Braunschweig werden auf bis zu 5 Milliarden Euro geschätzt. Bisher hat die Union keine Bedingungen an die Atomindustrie gestellt und stand für eine unbegrenzte Laufzeitverlängerung. Mit seinen Ankündigungen reagiert Söder nun offensichtlich auf den zunehmenden Druck aus der Bevölkerung. Am Samstag hatten beim größten Anti-Atom-Protest seit 23 Jahren mehr als 50.000 Menschen die sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke gefordert.
Zudem hat eine jüngst erhobene Umfrage von TNS-Emnis im Auftrag von Greenpeace ergeben, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für den Atomausstieg ist. 59 Prozent der Befragten lehnen demnach eine Laufzeitverlängerung der 17 noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in Deutschland ab.
Der Vorstoß von Söder stößt auch bei anderen Unionspolitikern auf Zustimmung. Joachim Pfeiffer, Koordinator für Energiefragen und stellvertretender wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte zwar, dass die Union "die willkürlich verkürzten Laufzeiten verlängern" wolle. "Wir sind aber nicht die Handlanger der Energiekonzerne."
Auch er plädiert dafür, dass "ein beträchtlicher Teil" in einen Fonds oder eine Stiftung fließen soll, worüber der Ausbau der Forschung im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz finanziert werden soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen hatte sich noch Ende vergangener Woche gegen einen Atomausstieg bis zum Jahr 2020 gewandt. Deutschland müsste bei einem zu schnellen Ausstieg Atomenergie aus Frankreich beziehen. Viele Staaten wollten derzeit neue Atomkraftwerke bauen.
"Das wollen wir nicht, aber wir wollen mitreden, wenn es um die Sicherheit von Kraftwerken geht", sagte sie in der WAZ. Gorleben müsse als mögliche Endlagerstätte für radioaktiven Abfall weiter erkundet werden, so Merkel.
Immerhin geht die FDP - wenn auch zögerlich - auf Distanz. Atomkraft werde laut Wahlprogramm zwar akzeptiert. Aber nur als "Überbrückung", wie FDP-Chef Guido Westerwelle in der taz betont. "Als ob die FDP nichts anderes im Kopf hätte als Atom."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“