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Drogenpolitik in KreuzbergDruckraum stark unter Druck

Gegen den neuen Drogenkonsumraum in Kreuzberg machen jetzt drei Initiativen mobil. Eine Demo nimmt aggressive Züge an. Bezirk will am Projekt festhalten.

Spritzen nur noch in bestimmten Räumen - wenn das so einfach wäre Bild: dpa

Der Widerstand gegen den neuen Druckraum in Kreuzberg wächst: GegnerInnen demonstrierten am Mittwochabend vor dem geplanten Standort an der Kreuzung von Reichenberger und Ohlauer Straße. Die Emotionen der zunächst friedlich Demonstrierenden kochten sehr schnell hoch.

Gleich drei Initiativen von AnwohnerInnen der direkten Nachbarschaft und vom Kottbusser Tor hatten zu der Kundgebung aufgerufen. Etwa 80 Erwachsene und Kinder, zu gleichen Teilen deutscher und migrantischer Herkunft, versammelten sich. "Es gibt zu viele Schulen und Kitas hier", kritisierte eine Frau. Da der Druckraum nur vier Stunden geöffnet sein soll, würden die Abhängigen die restliche Zeit in der Umgebung verbringen, befürchtet eine Mutter, die zwei Kinder mitgebracht hatte.

Anlass für den Streit ist die Schließung des früheren Druckraums in der Dresdner Straße hinter dem Kottbusser Tor im Juni auf Druck von Anwohnern. Ende September hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bekannt gegeben, dass in der Reichenberger Straße neue Räumlichkeiten für einen Drogenkonsumraum gefunden worden seien. Das 800 Quadratmeter große Gebäude soll von der Organisation Zuhause im Kiez (ZiK) gekauft und dann an Fixpunkt, einen Träger von Projekten für Drogenabhängige, vermietet werden. Wenn alles klappt, soll im Frühjahr 2010 eröffnet werden.

Der Plan des Bezirks hat nicht nur Gegner. Am Mittwoch forderte eine Handvoll GegendemonstrantInnen auf ihrem Plakat "Carlofts nein - Druckraum ja". Derweil machten die GegnerInnen mit Pfeifen und Tröten auf ihr Anliegen aufmerksam.

Mit dem Lärm wurde auch die Stimmung aggressiver. Ein Passant geriet dabei in eine körperliche Auseinandersetzung mit Demonstranten. Eine arabischstämmige Frau, die zufällig mit ihrem Kind vorbeikam, sagte: "Ich habe wegen meiner Kinder Angst vor auf Spielplätzen liegenden Spitzen." Deshalb sei sie für den Druckraum, da er diese Gefahr reduziere. "Ich wünsche dir, dass dein Kind auch mal drogenabhängig wird", brüllte einer der Gegner sie an.

"Von solchen Äußerungen distanzieren wir uns ausdrücklich", sagt Thomas Hartwig vom Interkulturellen Elternnetzwerk Reichenberger Straße. Die Schuld dafür, dass die Emotionen derart hochkochten, sieht er beim Bezirksamt, das die Ängste und Befürchtungen der Anwohner nicht ernst nehme: "Die Probleme hier im Kiez sind immens", sagt Hartwig. Ein Druckraum würde noch mehr Eltern aus dem Kiez vertreiben: "Wir haben vor mehr als einem Monat einen offenen Brief ans Bezirksamt geschrieben", sagt Hartwig. Eine Antwort hätten sie bisher nicht bekommen.

Der Bezirk bleibt trotz der massiven Proteste bei seinen Plänen: "Es steht fest, dass der Druckraum dort einzieht. Wir konnten keinen anderen Standort finden", erklärt Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke).

"Es geht uns ja nicht nur um unsere Kinder", sagte eine andere Vertreterin des Elternnetzwerks auf der Kundgebung. Sie sei nicht prinzipiell gegen Druckräume, aber direkt neben dem geplanten Standort sei ein Wohnprojekt, in dem auch ehemalige Drogenkonsumenten lebten: "Denen setzt man doch keinen Druckraum vor die Nase!"

Der Geschäftsführer des ZiK weist die Vorwürfe zurück. Es gebe tatsächlich cleane Abhängige im Haus, sagt Christian Thomes: "Darunter auch manche, die Angst vor dem Druckraum haben. Wir haben aber mit allen Betroffenen gesprochen und halten den Plan für verantwortbar." Sorgen bereite ihm jedoch gerade vielmehr die aggressive Stimmung unter den GegnerInnen, die auch seine MitarbeiterInnen und BewohnerInnen angefeindet hätten. "Die Mitarbeiter sind geschult, aber die Bewohner sind körperlich und psychisch schwach und können sich nicht dagegen wehren", sagt Thomes.

Die aggressive Stimmung unter den GegnerInnen war für Ercan Yasaroglu der Grund, aus einer der Anwohner-Initiativen auszusteigen. "Bewohner haben Konsumenten verjagt und gesagt, sie sollen sich verpissen", erzählt der Sozialarbeiter, der sich schon seit Jahren um die AnwohnerInnen und Dorgensüchtige am Kottbusser Tor kümmert.

Yasaroglu sieht nur eine Möglichkeit, den Konflikt und die Situation am Kottbuser Tor zu entschärfen: Der Druckraum muss 24 Stunden geöffnet haben und auch Aufenthaltsmöglichkeiten anbieten.

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8 Kommentare

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  • NS
    nona sumy

    @Redaktion: Daß die zwei sehr langen Sätze über den damals wie heute leider nicht oder nur sehr rudimentär thematisierten Aspekt dieser Arie inhaltlich nicht gefallen ist verständlich; daß dies den Straftatbestand der persönlichen Beleidigung erfüllt war mir nicht bewußt. Insofern danke für die Zensur.

    Die Zensur dann aber so vorzunehmen, daß die persönliche Beleidigung völlig aus dem Kontext gerissen wiedergegeben wird und damit den Kreis der sich persönlich beleidigt fühlen Könnenden nicht nur erheblich erweitert (auf Kommentatoren des Forums und diverse andere übliche Gegner) sondern auch in die falsche Richtung lenkt, halte ich für noch schlechteren Stil als die versehentlich persönliche Beleidung einer - um Mißdeutungen auszuschließen - namentlich genannten Person, die die Intelligenz zahlreicher Namenloser beleidigt.

  • D
    denninger

    Im Haus vom MdB Özdemir wäre doch noch was frei. Wenn man ihn noch mit genügend Nachdruck darauf hinweist, dass er sozusagen tolerant von Berufs- und Parteizugehörigkeits wegen zu sein hat klappt es auch mit dem Druckraum.(SCNR)

    Was soll eigentlich das Hendiadyoin "Menschen migrantischer Herkunft"?

    Uns seit wann, "g.wissen" sind alle Migranten "Schwaben"? Kann es sein, "g.wissen", dass Du eigentlich gar nicht begriffen hast, worum es im Artikel geht?

  • RW
    ralf wünsche

    dachte bislang das in berlin - kreuzberg doch eher liberale frauen und männer leben und so auch mehr verständnis für drogenabhängige aufbringen - zumindest in einer adventszeit !

     

    das gegenteil scheint der fall zu sein am

    " kottbusser tor " !

    auch hier beschäftigt sich man mit symptomen und vertreibt diese - aber wohin ?

    in die illegallität in eine krimininalität - aber schade wenn denn das auto noch brennt in kreuzberg?

     

    denjenige die hier protestieren sollte sich eigentlich selbst an die nase fassen und sich mit den grundlagen beschäftigen , welche zu drogenkonsum und beschaffungskriminalität führen !

     

    aber das führt vielleicht zu ihnen und deren unmenschlichen verhalten im berliner alltag !

     

    und dann hat sich die " schlange sich selbst in den schwanz gebissen " !

  • NS
    nona sumy

    Sehr viel mehr dauernde Öffentlichkeit, Recherchen und Nachfragen würde ich mir bei der Hausverwaltung des Neuen Kreuzberger Zentrums wünschen, in dem Räumlichkeiten vorhanden waren und sind. Und für deren schnelle anderweitige Belegung unter der Hand getrommelt wird um die naheliegendste und allgemeinverträglichste Lösung des Problems zu verhindern.

     

    Die Redaktion hat zwei Sätze aus diesem Kommentar gelöscht. Bitte versuchen Sie, ihre Meinung sachlich auszudrücken, ohne dabei zu persönlichen Beleidigungen zu greifen und einer namentlich genannten Person "widerwärtig scheinheilige Junkie-Hetze" vorzuwerfen.

  • D
    Diego

    Also, g.wissen, es macht nicht viel Sinn so zu reden. Wenn Sie Lust haben, darueber zu diskutieren, dann bin ich bereit mit Ihnen ueber dieses Thema zu reden.

    Wie gesagt, ich sehe hier ein Problem der Kommunikation. Wenn alle bereit sind mit einander zu reden, dann wird am Ende die Drogenabhaengige am meisten helfen und alle anderen werden zufriedener sein.

  • G
    g.wissen

    Geradezu widerlich, wie hier Kinder instrumentalisiert werden um die hanebüchenen Vorurteile der Eltern zu untermauern.

     

    Zieht doch endlich aufs Land ihr "Schwaben"!

  • D
    Diego

    Ich finde Ihre Kommentare (A. Lessing) uebertrieben.

    Meiner Meinung nach, das Problem liegt an die fehlende Kommunikation zwischen die Menschen.

    Ich glaube, Sie und die BI RBKiez haben viele Positionen gemeinsam. z.B.:

    - Druckraum laenger oeffnen

    - Drogenabhaengige als kranke Menschen behandeln

    - Problem mit Dealern separat behandeln.

    - Sachliche Auseinandersetzung statt miese Hetze

     

    Darueberhinaus, die BI RBKiez hat Kontakt mit den Leute am Kotti und mit der Drogenabhaengige aufgebut, und versucht das Wohl von allem zu vereinbaren. Deswegen sind folgende Forderungen noch von BI RBKiez auch vertreten:

    - Schaffung legaler Bezugsquellen von Drogen, um der Dealerszene und der Beschaffungskriminalität ein Ende zu bereiten.

    - Hilfe an verschiedenen Brennpunkten in ganz Berlin. Dazu gehören neben Toiletten- und Waschräumen, ein Aufenthaltsraum, ein Ruheraum und ein Drogenkonsumraum, der allerdings rund um die Uhr und nicht nur vier Stunden geöffnet ist und in dem Heroin von staatlicher Seite abgegeben wird.

     

    Meine Fragen an Sie:

    - Finden Sie wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, das vorgeschlagene Projekt (Druckraum, 4 Std./Tag, 5 Tage/Woche) zu hinterfragen, und Forderungen zu den Politikern stellen? Oder denken Sie, das Projekt ist gut genug?

    - Ausser die Standortwahl. Denken Sie, die Durchsetzung von unsere Forderung würde viel gutes für alle Menschen in SO36 tun? Oder denken Sie, unsere Forderung sind zu parteisch, um die mehrheit von Leute in Kreuzberg dafür zu gewinnen? Wer sind die "Gewinner" und "Verlierer", wenn unsere Forderung durchgesetzt würden?

     

    Ich (Diego) würde Sie gerne treffen und mit Ihnen über dieses Thema diskutieren. Ich habe mit viele Leute darüber diskutiert, und ich finde gerade wichtig mit den Leute zu reden, die unsere Initiative nicht unterstutzen, um ihre Argumente besser zu verstehen.

     

    Grüße,

    Diego

  • AL
    A. Lessing

    Hier ein Standpunkt von Anwohner_innen, die sich für den Druckraum ausgesprochen haben:

    Anwohner_innen-Initiative Reichenberger Straße

    begrüßt das geplante Druckraum - Projekt

    in der Reichenberger Straße 131

     

     

    Druckräume verbessern die Lebensbedingungen von Konsument_innen illegalisierter Drogen.

    Tod durch Überdosierung kann vermieden werden, da sofort 1. Hilfe Maßnahmen von den Mitarbeiter_innen des Druckraumes ergriffen werden können.

    Druckräume für Drogenabhängige sind das einzige wirksame Mittel gegen herumliegende Spritzen .

    Dies sind Ergebnisse von langjährigen Untersuchungen z. B. in den Niederlanden.

     

    Wenn Drogenkonsument_innen die Möglichkeit haben, jederzeit in einem Druckraum zu konsumieren, sind sie nicht gezwungen, dies woanders zu tun und dann möglicherweise die gebrauchte Spritze dort herum liegen zu lassen.

    Ein durchgehend geöffneter Druckraum könnte einen Großteil der Ängste, die Eltern um ihre Kinder haben auflösen.

    Deshalb:

    Begrüßen wir das Vorhaben, einen Druckraum in der Reichenberger Straße, der täglich 4 h geöffnet hat, einzurichten. Denken aber, dass dies nur ein Anfang sein kann, und die Öffnungszeiten erweitert werden sollten. Ein Druckraum 24h/7 Tage die Woche wäre optimal.

     

    Auch die Gefahr, dass Kinder als Drogenkuriere missbraucht werden könnten oder von Dealern angesprochen würden, erhöht sich durch einen Druckraum nicht.

    Drogenkonsument_innen, die einen Druckraum benutzen, gehören einer anderen „Szene“ an, als diejenigen, die Kinder für ihre Geschäfte einspannen wollen oder sie als neue Kunden gewinnen wollen: Bei diesen Gefahren hilft nur das altbewährte Motto: Kinder stark machen gegen Drogen! Sinnvolle Anregungen zur Drogenprävention gibt es in vielen professionellen Beratungsstellen, die sich mit dem Thema beschäftigen.

     

    Und wenn wir bei Professionalität sind:

    Vertrauen wir nicht irgendwelchen Initiativen, von Leuten, die, unter jedem Niveau gezielt versuchen, die Stimmung im Kiez gegen wichtige Einrichtungen anzuheizen.

     

    Schulen und Kinder gibt es in jedem Kiez, Drogenkonsument_innen auch. Ein Druckraum, der immer geöffnet ist, kann das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Bedingungen positiv beeinflussen.

    Für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Situation und gegen miese Hetze

     

     

    Drogenraum 24h/7

    in der Reichenberger Straße 131