Drogenkrieg in Mexiko: Wahlkampf mit großen Kalibern
In den nordmexikanischen Bundesstaaten erproben die Drogenkartelle eine neue Strategie: Sie bezahlen Poltiker nicht nur, sie bringen sie jetzt auch um.
SAN SALVADOR taz | Die Wahl der Gouverneure in zwölf mexikanischen Bundesstaaten an diesem Sonntag sollte der erste Test werden für die Präsidentschaftswahl 2012. Sie wurde es schon im Vorfeld, aber anders als von den Politikern erwartet: Die Drogenkartelle testeten, wie sie Wahlen beeinflussen können. Traditionell machen sie das mit Geld. Jetzt erprobten sie die Wirkung von Kugeln. Zu dieser neuen Form der Manipulation gehört der bedeutendste politische Mord in Mexiko, seit 1994 der Präsidentschaftskandidat der damaligen Staats- und Regierungspartei PRI (Partei der institutionalisierten Revolution), Luis Donaldo Colosio, erschossen wurde.
Auch diesmal war das Opfer ein PRI-Politiker: Rodolfo Torre Cantú, Kandidat für das Gouverneursamt im nördlichen Bundesstaat Tamaulipas und mit 67 Prozent in den Umfragen großer Favorit. Anders als Colosio, der einer innerparteilichen Intrige zum Opfer gefallen war, starb Torre allem Anschein nach durch die Hand eines Drogenkartells. Sein Auto und ein Begleitfahrzeug wurden am Montag auf einer Landstraße von drei Pick-ups aufgehalten, der Kandidat, sein Wahlkampfleiter und drei seiner Leibwächter wurden mit großkalibrigen Waffen erschossen. Zwei weitere Leibwächter und zwei Begleiter überlebten schwer verletzt. Laut Augenzeugen war auf den Scheiben der Pick-ups ein großes "Z" aufgemalt.
"Z" steht für Los Zetas, die ehemalige Killertruppe des Golf-Kartells, die sich vor einem Jahr selbstständig gemacht hat und nun um Einflussbereiche und Drogenkorridore kämpft. Der Pressesprecher der Zetas – der Mann stellte sich lokalen Journalisten tatsächlich als solcher vor – streitet ab, dass seine Organisation hinter dem Politikermord steckt. Dennoch zweifelt niemand an der Täterschaft eines Drogenkartells. Das Muster des Überfalls entspricht der klassischen Vorgehensweise.
Früher hätten sich die Narcos darauf beschränkt, Politiker und ihre Wahlkämpfe zu finanzieren und so ihr Wohlwollen einzukaufen, sagt Raúl Benítez, der an der Autonomen Universität von Mexiko über Themen der inneren Sicherheit forscht. "Nun greifen sie mit Kugeln ein, um Wahlen zu beeinflussen." Benítez geht davon aus, dass auch im Präsidentschaftswahlkampf in zwei Jahren geschossen werden wird.
Schon seit Monaten bestimmen die Kartelle das Wahlkampfklima im Norden. Im Bundesstaat Chihuahua etwa fanden in etlichen Gemeinden öffentliche Kundgebungen nur dann statt, wenn die Kandidaten vorher bei den örtlichen Narcos eine Genehmigung eingeholt hatten. Im Mai war in der Stadt Villahermosa in Tamaulipas der Kandidat der konservativen Regierungspartei PAN (Partei der Nationalen Aktion) für die gleichzeitig stattfindende Bürgermeisterwahl erschossen worden. Die PAN beschloss daraufhin, in diesem Bundesstaat auf einen öffentlichen Wahlkampf zu verzichten.
"Wir können und dürfen nicht erlauben, dass das organisierte Verbrechen uns seinen Willen und seine perversen Spielregeln aufzwingt", sagte Präsident Felipe Calderón in einer Fernsehansprache nach dem Mord an Torre. Calderón hatte den Kartellen gleich nach seinem Amtsantritt im Juni 2006 den offenen Krieg erklärt und 50.000 Soldaten in die Schlacht geworfen.
Der Mord an Torre ist für den Präsidenten ein Zeichen dafür, dass die in die Enge getriebenen Narcos nur noch verzweifelt um sich schlagen. Die Opposition dagegen hält die Strategie der Gewalt für gescheitert. Fakt ist, dass sie einen hohen Blutzoll fordert: Bislang wurden im Krieg gegen die Drogen fast 23.000 Menschen getötet. Tendenz: steigend. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 6.500 Tote, in diesem bislang schon 5.000.
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