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Drogen-ProzessLauter Kronzeugen

Im Prozess gegen einen Lieferservice für Kokain fällt das Landgericht in den meisten Fällen milde Urteile - dank eines Kunstgriffs der Verteidigung.

Rein, weiß - und gar nicht unschuldig. : dpa

Der riesige Sitzungssaal in Moabit war gut gefüllt, mit elf Angeklagten, deren Anwälten und dem Gericht. Rein äußerlich hätte es ein gigantisches Verfahren werden können - es ging um Kokain, das von zwei Banden organisiert, portioniert, gebunkert und in der Stadt verteilt worden war. Doch schon nach fünf Verhandlungstagen fällte das Berliner Landgericht gestern Abend zehn Urteile, nur das Verfahren gegen den elften Angeklagten läuft weiter.

Grund für den zügigen Abschluss war ein Schachzug der Verteidiger: Sie rieten ihren Mandanten, in einer konzertierten Aktion und noch vor Prozessbeginn ein Geständnis abzulegen, mit dem sie sich selbst und ihre jeweiligen Mitangeklagten belasteten. So kamen alle Angeklagten in den Genuss der Kronzeugen-Regelung und von milden Strafen zwischen 15 Monaten und 46 Monaten. Dabei beträgt die Mindeststrafe beim bandenmäßigen Drogenhandel fünf Jahre Haft.

Der Kokainlieferservice wurde von zwei Brüderpaaren geleitet. Der eine von den Kosovaren Arten S. (39) und Albert H. (32), der andere von den Türken Erkan (30) und Serkan C. (28). „Man hat sich infrastrukturmäßig gestützt“, resümierte der Vorsitzende Richter gestern in seiner Urteilsbegründung. „Wenn mal ein Fahrer fehlte, half man sich aus.“ Man teilte das Stadtgebiet untereinander auf, die Türken unterstützten die Kosovaren auch, wenn deren Stoff knapp wurde. Das Strecken, Portionieren und Bunkern erledigte jede Gruppe für sich.

Bereits im Jahr 2009 gab eine V-Person einen Hinweis auf den Kokainhandel von Arten S., der die Droge aus einem Lokal heraus verkaufen sollte. Fortan wurde das Telefon des Verdächtigen abgehört. Anfangs fiel nichts Verbotenes auf, berichtete ein Ermittlungsführer vor Gericht. Doch allmählich ergaben die verklausulierten Gespräche, in denen von „ganzen und halben Euros“, von „DVDs und CDs“ und von „fertig machen“ die Rede war, einen Sinn. Die spätere Anklage geht von einem Drogenhandel aus, der mindestens von März bis Juli 2012 bestand. Allein in diesem Zeitraum wurden ca. 1.600 "Verkaufseinheiten" abgesetzt, wobei es sich um ein knappes Kilo Kokain handeln dürfte.

Es wurde ermittelt, dass die beiden Kosovaren unter dem Label „Leo und Sunny“ firmierten und ein Handy besaßen, in dem die Nummern von etwa 150 Abnehmern gespeichert waren. Die Kunden riefen an und die Brüder schickten einen Fahrer los, der zu den vereinbarten Treffpunkten fuhr und den Stoff verkaufte. „Die Ausfahrer wurden wie Tagelöhner bezahlt“, sagte der Richter in bezug auf den Lohn, der wochentags bei 75 Euro lag und sich an einem stressigen Wochenende auf 150 Euro steigern konnte.

Doch auch die Chefs seien nicht reich geworden: Monatlich hätten die beiden Türken 4.000 Euro verdient, Arten S. gibt 1.500 bis 2.000 Euro, sein Bruder 600 bis 800 Euro an. Auch eine „ausdifferenzierte Begehungsweise“, von welcher noch der Staatsanwalt gesprochen hatte, mochte der Richter nicht feststellen: „Dass sie die auf Ihren Namen angemeldeten Fahrzeuge zur Auslieferung nutzten, war nicht besonders schlau.“ Gestaunt hätten die Richter eher darüber, dass drei der vier Haupttäter noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und auch die übrigen Täter sich zuvor noch nie im Drogenhandel engagiert hatten.

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