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Dresdner HandyskandalRichter kritisieren Datenschützer

Sächsische Richter kritisieren den Datenschutzbeauftragten im Freistaat, weil er die Funkzellenauswertung in Dresden rügte. Hilfe kommt indes von den Kollegen.

Eine Anti-Nazi-Demo in Dresden im Februar. Es wurden mehr als nur die Personalien aufgenommen. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben ihren sächsischen Kollegen, Andreas Schurig, in der Affäre um die unzulässige Speicherung von Handydaten in Dresden in Schutz genommen. "Die Kompetenz des Sächsischen Datenschutzbeauftragten zur Kontrolle von Polizei und Staatsanwaltschaft wurde in nicht nachvollziehbarer Weise in Frage gestellt", kritisierte der Bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz, Thomas Petri, in München. Das Verhalten einzelner politischer Entscheidungsträger in Sachsen lenke ganz klar von der eigentlichen Problematik ab.

Anlass der Diskussion ist der Dresdner Handyskandal. Die sächsische Polizei hatte im Februar bei mehreren Funkzellen-Abfragen während einer Nazidemo die Daten von rund einer Million Mobiltelefonaten erfasst ("wer sprach wo mit wem wie lange"). Damit sollten Angriffe auf Polizisten und auf Nazis aufgeklärt werden. Die Maßnahmen waren vorab vom Amtsgericht Dresden gebilligt worden.

Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hat die Massenerfassung Anfang September jedoch als "unverhältnismäßig" beanstandet. Innenminister Markus Ulbig (CDU) konterte einige Tage später mit einem Gutachten des liberalen Berliner Staatsrechtlers Ulrich Battis. Dieser wertete die Funkzellenauswertung trotz der vielen Betroffenen "als insgesamt angemessen".

Grundsätzliche Kritik bekam Schurig auch vom sächsischen Richterverein. Der Datenschutzbeauftragte habe mit der Beanstandung seine Kompetenzen überschritten und die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Schurig habe nämlich nur formal Polizei und Staatsanwaltschaft gerügt. "In Wahrheit will er den Richter treffen, der die beanstandete Maßnahme angeordnet hat", monierte der Richterverein.

Die Datenschutzbeauftragten verteidigten ihren sächsischen Kollegen gegenüber den Vorwürfen von Seiten der Richter. „Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat sich einer Bewertung der richterlichen Anordnung in diesem Fall völlig enthalten“, sagte Petri. Schurig habe lediglich die Vorgehensweise der Sicherheitsbehörden vor und nach der Anordnung bewertet und seinen Kompetenzbereich damit nicht überschritten.

Den Antrag, den die Sächsische Landesregierung zum besseren Schutz vor Handyüberwachung, im Bundesrat eingebracht hatte, begrüßten die Datenschutzbeauftragten von Bund und Länder als "Schritt in die richtige Richtung". Zwar müsse überlegt werden, ob man Verwertungsverbote von bereits erhobenen Handydaten noch sehr viel stärker verankert, gab der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zu bedenken. Jedoch seien die im Antrag der Sächsischen Landesregierung enthaltenen Regelungen ein großer Fortschritt im Vergleich zu den bisherigen Richtlinien.

Der sächsische Gesetzentwurf wurde am Mittwoch im Rechtssausschuss des Bundesrats erstmals beraten und sogleich vertagt. Nach sächsischen Angaben soll sich zunächst eine Arbeitsgruppe unter Einschluss von erfahrenen Richtern und Staatsanwälten mit der Frage beschäftigen.

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10 Kommentare

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  • UF
    Uli Friese

    Liebe Politiker: Nicht ablenken!

    Offensichtlich hat die gesamte Richterschaft Sachsens noch nicht kapiert, was ein Rechtsstaat ist. Rechtsstaatlich ist es nicht, dass eine Maßnahme durch den Richter angeordnet wird. Sondern: Rechtsstaatlich ist, dass die angeordnete Maßnahme „verhältnismäßig“ ist. Denn: Der Rechtsstaat definiert sich geradezu über dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wird gegen dieses Prinzip gehandelt, dann ist auch der Rechtsstaat per se nicht mehr existent.

    Auch eine richterliche Anordnung muss dieses Prinzip deutlich erfüllen, sonst unterminiert diese den Rechtsstaat und schafft ihn - in der Tat - ab. Und: Gerade der Richter darf sich nicht außerhalb der Rechtsstaatlichkeit bewegen.

  • W
    Webmarxist

    Schurig hat nur die Vorgehensweise der Polizei und der Staatsanwaltschaft vor und nach der Anordnung kritisiert. Er hat diese Aktion aber nicht bewertet und damit keine Kompetenzen überschritten.

  • S
    Sachse

    die Riege des Freistaat Sachsen

     

    1. Westdeutsche Beamte, oft schon eine Weile da, in ihren Heimat- und Entsendeländern ohne jede Chance auf schnellen Aufstieg, dafür nun zügig an die Spitze geschossen, ohne Eignung, dafür aber ehrgeizig und ohne Konkurrenz, folglich ausserordentlich rücksichtslos dabei, vermeintliche Staatsinteressen durchzusetzen zu wollen und

     

    2. Ostbeamte und Politiker, die es über ihre schlecht kommunizierte und niemanden mehr so richtig interessierende Blockflötenparteimitgliedschaft zu etwas gebracht haben und nun der "Besatzungsmacht" als Quotenossis getreulich als Kollaborateure zu Diensten sind.

     

    Kultur oder Toleranz kann man da nicht erwarten. Schließlich beginnt der Fisch vom Kopf an zu stinken. Dass der Ministerpräsident Tillich früher Stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz war, ist dabei nicht das Problem. Das eigentliche Problem besteht darin, dass er es als "DDR- CDU- Mann" war und wenn man ein Kenner der Szene ist, da weiss man, dass man als sogenannter " Blockfreund" , wie zum Beispiel CDU oder LDPD( FDP) ganz anders in das System involviert war, als ein einfaches SED Mitglied in einer ähnlich verantwortlichen Funktion. Jeder, der als SED- Mitglied Verantwortung trug, nahm sich deshalb vor "Blockfreunden" mit steiler Karriere in Acht. Einerseits wegen deren üblicher Zuträgerrolle, andererseits wegen der Erkenntnis, dass sich diese Leute wegen ihrer Karriere sehr heftig einbinden liessen. Die Karriere des MP war angesichts seines damaligen Lebensalters extrem steil, denn so ein junges " Voll" Ratsmitglied gab es nicht oft.

     

    Die sächsische Staatsregierung liebt die totale Kontrolle und man darf ohne jeden Zweifel davon ausgehen, dass sie das auch weiterhin tun wird, wenn nicht verantwortungsvolle und menschlich qualifizierte Wessis, am besten Top- Anwälte einmal gewaltig auf die Pfötchen schlagen. Eine halbwegs wehrhafte Basis des Wehrens gegen Willkür und rechtsstaatlich bedenkliche Akte besteht in der sächsischen Bevölkerung nicht.

  • D
    Dresdner

    Sachsensumpf, Verurteilung zweier Leipziger Journalisten die gegen diesen Sumpf recherchierten, Rücktritt von Biedenkopf und Milbradt, Sachsenbank-Pleite, Welterbeverlust, überall haben sächsische Politiker Ihre schmutzigen Finger in Justiz, Politik und Medien, das ist in diesem Bundesland eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, zu beobachten auch beim Urteil der sächsischen "Justiz" gegen die Umweltverbände zur "Waldschlößchenbrücke"!

  • M
    Mensch

    Es ist eine Schande,

     

    das die Politiker, Richter, Staatsanwälte und nicht zu letzt Polizeibeamten die diesen verbrecherischen Akt begangen haben noch in ihrem Beruf sind. Wann kommt endlich das Gesetz das diese Menschen für ihre Handlungen zur Rechenschaft zieht? Während Otto Normalverbraucher am laufenden Band für irgendwas Strafe zahlen muss zerstören diese Verbrecher unsere Demokratie und laufen dafür frei herum.

     

    Verstehen kann das schon lange niemand mehr.

  • R
    reblek

    "Eine Anti-Nazi-Demo in Dresden im Februar. Es wurden mehr als nur die Personalien aufgenommen." - Da "Es" ein Singular ist, sollte sich der Mensch, der diese Bildunterschrift verzapft hat, mit "wurde" begnügen. Aber der Plural übt eine geradezu unheimliche Anziehungskraft auf Zeitungsschreiber(innen) aus.

  • H
    hunsrückbäuerlein

    die sächsische Justiz ist die Spitze des Faschismus, es gibt nur einen Terror in D, Staatsterror, der Staat gegen seine Bürger, USA 9/11, D 9/30 s21 staatlicher Terror gegen Grundrecht

  • W
    wahrhaft

    Dass selbst Richter (hoffentlich nicht bald so wie in Weimar) solche Überwachungen bestimmter Bevölkerungsgruppen (hier der Antifaschisten)für rechtens halten, kann nur die Piraten freuen.

  • J
    jhw

    Eine Kraehe hackt der anderen kein Auge aus.

     

    Die vereinsmeiernden Richter springen ihrem Kollegen zur Seite und verteidigen ihn.

    Warum muss ich immer wieder an die 20er Jahre, Tucholsky und an Seilschaften denken?

    Bin ich froh, nicht mehr in Sachsen zu leben! (Hab das 27 Jahre lang getan und moechte nicht mehr dorthin zurueck.)

  • EA
    Enzo Aduro

    Sächsische Richter...

    lol.

    In einem normalen Bundesland wäre jeder zweite sächsische Richter mit einem Fuß im Gefängnis. Sächsische Richter waren schon zu oft mit sehr zweifelhaften Angelegenheiten in der Presse, als das deren Wort Wert hätte.