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■ Südafrika erlebt seinen ersten freien WahlkampfDrei schwere Monate

Nun ist es amtlich: Vom 26. bis 28. April wird in Südafrika gewählt – zum ersten Mal ganz frei und demokratisch. Zwar sind das Wahlergebnis und die Zusammensetzung der künftigen Allparteienregierung in groben Zügen längst bekannt. Aber ein historisches Ereignis ist das allemal. Und wie alle historischen Ereignisse werfen auch diese Wahlen ein neues grelles Licht auf die politische Kultur.

Zunächst dreht sich noch alles um die Frage nach der Teilnahme an den Wahlen. Die rechtsextreme Freiheitsallianz aus reaktionären Weißen, Buthelezis Inkatha-Freiheitspartei und einigen Homeland-Potentaten muß bis Ende nächster Woche entscheiden, ob sie sich zur Wahl stellt und damit ihre Prinzipien verrät oder die Wahl boykottiert und damit den nächsten Bürgerkrieg vorprogrammiert. Bislang fordert sie als Hauptbedingung ihrer Teilnahme die Einführung eines separaten zweiten Wahlzettels für die neuen Provinzparlamente, um ihre Chancen auf regionaler Ebene zu erhöhen. Noch im November hatten Regierung und ANC dies verweigert. Nun wollen de Klerk und Mandela anscheinend nachgeben, womit einem rechten Wahlboykott die Grundlage entzogen wäre.

Aber ob die Rechte an den Wahlen teilnimmt oder nicht – der Wahlkampf wird brutal. Kämpferische Rhetorik in Wahlreden geht einher mit gewalttätiger Einschüchterung. Schon jetzt verbieten weiße Farmer ihren schwarzen Arbeitern die Fahrt zu ANC-Wahlversammlungen, werfen Unbekannte Bomben auf ANC-Büros, versuchen Aktivisten verschiedenster Parteien, die Tätigkeit der anderen zu stören. Das Südafrika des Hasses und der Gewalt wird sich in den nächsten drei Monaten austoben und der Welt ein häßliches Gesicht zeigen – und die wird daher der kommenden ANC-Regierung starke Vollmachten bis hin zum Ausnahmezustand gönnen. Dies weiß der ANC und wissen auch seine Gegner, und sie kennen auch die Konsequenzen. Die Demokratie wird Südafrika nicht friedlicher machen.

Ein Politikinstitut prophezeit bereits, die zurückliegenden Jahre des Übergangs und der Öffnung könnten als kurzer „Prager Frühling“ in die südafrikanische Geschichte eingehen. Das ist zu negativ gedacht – die Ära der institutionalisierten Unmenschlichkeit ist vorbei. Aber es reicht nicht, Demokratie und Toleranz als politischen Rahmen einzurichten, um diese Werte auch gesellschaftlich zu verankern. Dafür ist Geduld nötig – und dieser Wahlkampf ist einer der Ungeduld, der eher verzerrend als aufklärend wirkt. Die Menschen in Südafrika müssen die Wahlen irgendwie überstehen. Dazu werden sie aber wohl oder übel ihre alten Gewißheiten hervorkramen. Andere gibt es noch nicht. Dominic Johnson

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