Drei Tore für Hansa Rostock: Das ewige Talent Enrico Kern
Durch drei Tore seines Ersatzkapitäns Kern gewinnt Hansa das Ostderby gegen uninspirierte Energetiker aus Cottbus. Kern ist das Symbol der Rostocker Leidensfähigkeit.
Der Rummel schien Enrico Kern ein bisschen unangenehm zu sein. Die Kollegen hatten längst das Stadion verlassen, geduscht und sich gefönt, als der Stürmer des FC Hansa vor die Kabinentür trat. Er hatte in den Katakomben ein wenig ferngesehen, um den Puls wieder auf die normale Schlagzahl zu senken. Alle drei Tore hatte er für die Rostocker gegen Energie Cottbus geschossen (3:2), und so ließ seine makellose Chancenverwertung die solide Leistung seiner Mannschaft ein wenig heller erstrahlen. Ausgiebig reden wollte er darüber jedoch nicht. "Ich nehme das nicht ganz so wichtig, ich muss nicht im Mittelpunkt stehen", sagte er. "Aus dem Alter bin ich raus. Das familiäre Glück ist mir wichtiger." Kern widmete die Treffer seiner Mutter und Wolfgang Holz, dem stellvertretenden Aufsichtsratschef des Klubs, beiden geht es gesundheitlich schlecht.
Ergebnis: 3:2 (1:0)
Hansa Rostock: Wächter - Langen, Sebastian (37. Lukimya- Mulongoti), Orestes, Stein - Bülow (53. Yelen), Rathgeb - Dorn, Rahn (86. Pearce) - Agali, Kern
Energie Cottbus: Tremmel - da Silva, Mitreski, Kukielka, Cvitanovic - Bassila (85. Aloneftis) - Angelow (57. Ziebig), Skela, Rost - Rangelow (70. Kioyo), Sörensen
Schiedsrichter: Merk (Otterbach)
Zuschauer: 20.000
Tore: 1:0 Kern (18.), 1:1 da Silva (58.), 2:1 Kern (59.), 3:1 Kern (74.), 3:2 Skela (90.)
Gelbe Karten: Bassila (5)
Auf Wanderschaft
Enrico Kern, 28, weiß nur zu gut, was drei Tore wert sind, in einer Zeit, in der Helden heute geboren und morgen vergessen sein können: "Dieses Spiel ist vielleicht ein kleiner Ausgleich für die schlechten Erfahrungen, die ich gemacht habe." Kern galt in den 90er-Jahren als großes Versprechen auf eine erfolgreiche Zukunft, doch er konnte es nie so ganz einlösen. Von Erzgebirge Aue, seinem Heimatverein, wechselte er 1998 für knapp eine Million Mark zu TeBe Berlin. Die Erwartungen an den Jugendnationalspieler waren groß - ebenso wie die Ernüchterung später.
Eine schwere Knieverletzung stoppte den rasanten Aufstieg. Nach der mühsamen Regeneration ging Kern auf Wanderschaft. Er wechselte zu Werder Bremen, wo er in der Bundesliga nicht eine Minute spielen durfte. Er zog weiter nach Mannheim, später nach Linz und dann nach Regensburg. Sein Glück fand er erst in Rostock.
Frank Pagelsdorf holte ihn Anfang 2006 aus der dritten Liga zum FC Hansa. Er hob einen Spieler auf das Niveau, an das Kern selbst nicht mehr geglaubt hatte. In seinem ersten Jahr für den FC Hansa schoss Kern 18 Tore, ohne ihn wäre der Klub, der so lange auf der Suche nach einem großen Torjäger war, vermutlich noch zweitklassig. Inzwischen ist Kern die Symbolfigur der Rostocker Leidensfähigkeit, das zeigte die Partie gegen Energie Cottbus aufs Neue.
Der Stürmer leistete sich einige Fehlabspiele, doch seine Beharrlichkeit und seine Souveränität vor dem Tor sicherten Hansa gegen uninspirierte Cottbuser die wichtigen Punkte. Unterstützt wurde er dabei von Sturmpartner Victor Agali, der Freiräume schuf. So hartnäckig wie sich der Verein nach fünf Niederlagen in den ersten fünf Spielen von der verbotenen Zone entfernt, so hartnäckig ist Kern seinem Trauma enteilt. "Er ist einer unserer Führungsspieler", sagte Pagelsdorf. "Er hat immer ein offenes Ohr", ergänzte Teamkollege Tobias Rathgeb.
Reine Kopfsache
Auch am Samstag vertrat der Torschütze den verletzten Stefan Beinlich als Kapitän, in einem Spiel, das als Hassderby angekündigt worden war, doch dann ruhig verlief. So blieb es der Tag des Enrico Kern, der sich weigerte, von glorreichen Zeiten zu träumen. Den Satz des Tages trug jedoch der hemmungslos enttäuschte Cottbuser Timo Rost vor: "Wir dürfen die Köpfe nicht stecken lassen." Das könnte auch das Motto von Enrico Kern sein, nun ja, zumindest so ähnlich.
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