Drei Platten aus England: Nach der Rave-o-lution
Was ist geblieben vom Summer of Love? Neue und alte Platten von Rave- und Post-Rave-Bands: James, The Charlatans und The La's.
James aus Manchester. Gestartet sind sie in den Achtzigern als von Morrissey abgesegnete Zweitversion der Smiths. Während der großen Raveomania konnten sie mit dem Nach-dem-Sex-auf-E-Stück "How Was It For You?" einen der ganz großen Hits landen. Danach bildeten sie ungefähr die chronologische Schnittstelle zwischen den Simple Minds und Coldplay, mit ihrem Pathospop, der irgendwie aber auch okay ging. Jetzt, viel später, machen sie das noch immer. Ihr Comeback-Album "Hey Ma" hält die typischen tragischen James-Stücke parat, Trompete und Tim Booths prägnantem Gesang inklusive.
Schlecht ist das nicht, nur manchmal eben schwer erträglich ("Oh My Heart"). Was James können: den langsamen Aufbau, dann die Steigerung ins Hymnische. Was sie nicht können: überraschen. Gewidmet ist das insgesamt solide Werk übrigens dem im letzten Jahr verstorbenen Label- und Haçienda-Chef und überhaupt dem Gottvater jedwelchen Madchester-Sounds, Tony Wilson. Ob James aber an die auch hierzulande erfolgreichen alten Zeiten anknüpfen können, ist zu bezweifeln. Nötig ist diese Platte nicht.
James: "Hey Ma" (Mercury/Universal)
Die Auferstehung der Orgel
Der unaufhaltsame Abstieg der Charlatans. Was im Nachsommer der Liebe, also nicht dem von 1989, sondern dem von 1990 mit der immer noch jedes lahm gewordene Tanzbein zum Zucken bringende "The Only One I Know" startete, ging über ein weithin unterschätztes Zweitwerk ("Between 10th And 11th") zusehends in die Breite. Stadionrock, die britische Variante. Später entdeckten die Männer um Sänger Tim Burgess Dancehall und Dubstep und klangen zuweilen wie eine Britpop-Version der Wailers.
Auf ihrer neuen Platte versuchen sie, mit Tempo, Geschraddel und der Auferstehung ihrer Orgel Punkte wiederzugewinnen. Gerockt wird auch. Als ob sie zu viele alte Grunge-Platten gehört hätten. Insgesamt ist das aber nicht übel, "Oh! Vanity" oder "Bad Days" mit New-Wave-Touch sind gut rockende Nummern. Von besonderer Brisanz ist die Platte jedoch nicht. Also gilt auch hier: Hardcorefans ziehen mit, die anderen fühlen sich angenehm erinnert und schwärmen insgeheim doch lieber von alten Zeiten. Der zweite Sommer der Liebe ist lange vorbei.
The Charlatans: "You Cross My Path" (Cooking Vinyl/Indigo)
Gitarre, leider nicht rund
Die Las kamen nicht aus Manchester, sondern aus Liverpool. Im Wesentlichen bestanden sie aus dem eigensinnigen Lee Maver und dem Bassisten John Power. Die Las haben nur eine einzige Platte veröffentlicht, nach zahlreichen Anläufen. Bekannt wurden die Las durch "There She Goes", einer fein dängeligen Post-Rave-Hymne, zu Tode gecovert und mit zahlreichen Filmeinsätzen belohnt.
Dieser Hit präsentiert die Essenz der Band: Sixtiessound, trotzdem federnd und schwungvoll, und jeden Wimp auf die Tanzfläche treibend. Auf dem 1991 erschienenen Album fand sich daneben noch die eine oder andere possierliche Nummer. Insidern gilt die Platte sogar als Grundstein des Twee Pops, der von Belle & Sebastian bekannt ist. Warum das Ganze aber nie rund war, kann man auf dieser Deluxe-Edition wunderbar nachvollziehen: Nicht weniger als sechs Produzenten versuchten sich an dem Werk. Dazu gibt es BBC-Sessions und sonst wie Rares. Für Fans und zu spät Geborene, die nicht mehr wissen, wie außerordentlich englisch Britpop tatsächlich einmal geklungen hat.
The Las: "The La's (Deluxe Edition)" (Universal)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!