: Draußen nur Kännchen
■ Der DGB mauert beim Ladenschlußgesetz
Die Debatte über das Ladenschlußgesetz ist wenig ersprießlich. Sie wird im wesentlichen von den Verbänden der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie von Politikern geführt, die dem einen oder anderen Lager zuneigen. Die schweigende Mehrheit, die Kunden, die nur von einigen relativ unbedeutenden Verbrauchervereinigungen vertreten werden, sind in der dienstleistungsfeindlichen Bundesrepublik kaum gefragt.
Die Gewerkschaften versuchen geschickt, die Argumente pro und contra auf den Beschäftigungs- und Umsatzeffekt zu reduzieren. Da können sie allerhand behaupten, was unwidersprochen bleiben muß. Schließlich kann niemand nachweisen, daß die Konsumenten bei geänderten Öffnungszeiten tatsächlich mehr Geld ausgeben würden. Und wer kann schon vorhersagen, ob die Arbeitgeber die längeren Öffnungszeiten durch Aushilfspersonal mit geringer Stundenzahl abdecken? Stichhaltiges haben die Gewerkschaften nicht vorzuweisen. Sie versuchen lediglich, liebgewonnene Gewohnheiten zu betonieren, unabhängig davon, wie sich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation entwickelt hat. Daß das Nachtbackverbot auf einen Getreidemangel nach dem Weltkrieg zurückgeht – wen interessiert das schon? Vor allem fehlt den Gewerkschaften die Antwort, wie der rasante Personalabbau im Handel gestoppt werden soll. Von 1993 bis 1995 wurden 100.000 Arbeitsplätze abgebaut. 1996 werden es vermutlich weitere 50.000 sein. Ist das der Status quo, der unbedingt bewahrt werden soll?
Davon abgesehen fragt es sich aber, ob die Liberalisierung der Ladenschlußzeiten nicht auch ohne direkten Beschäftigungseffekt sinnvoll ist. Auch wenn sich zur Zeit alles um Arbeitsplätze dreht, gibt es Millionen von Menschen, für die es ein Gewinn an Lebensqualität wäre, wenn sie länger einkaufen könnten. Daß der DGB behauptet, die Mehrheit der Verbraucher wolle weder längere Einkaufszeiten noch frische Sonntagssemmeln, zeigt, daß er nur mit denjenigen Verbrauchern spricht, die zugleich im Handel beschäftigt sind. So bestätigt sich der traurige Ruf, daß Deutschland im Dienstleistungsbereich international hintansteht. „Draußen nur Kännchen“ ist lediglich eine der harmlosesten Ausprägungen davon.
Markus Franz
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