piwik no script img

■ PORTRAITSDraußen auf dem Land: Zustandsbeschreibungen von Schwarz und Weiß

Nesta Mndebele lebt in Driefontein, einer Gemeinschaft schwarzer Landbesitzer etwa 300 Kilometer östlich von Johannesburg.

Jahrzehntelang haben die Menschen von Driefontein dagegen gekämpft, aufgrund der Apartheidgesetze aus diesem weißen Farmgebiet zwangsumgesiedelt zu werden. Mit Erfolg: Schon vor Beginn des Reformprozesses Anfang 1990 wurde das Existenzrecht von Driefontein bestätigt.

Die 46jährige Mndebele, die mit ihrem Mann, neun Kindern, der Schwiegermutter und diversen Enkeln als Pächterin auf dem Land eines schwarzen Eigentümers wohnt, hat sich aktiv an dem Kampf für Driefontein beteiligt. Heute ist sie Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Sie hat sehr präzise Wünsche, deren Erfüllung sie von einer zukünftigen schwarzen Regierung im „neuen Südafrika“ erwartet.

„Die bisherige Regierung hat viele unserer Ziele vereitelt“, sagt sie. „Wir hatten keine Rechte. Und die Regierung hat nichts getan, um die Ungleichheiten zwischen Schwarzen und Weißen zu beheben. Ich hoffe, daß eine neue Regierung da eingreifen wird.“

Ein Problem ist die notdürftige Behausung, in der die meisten Leute in Driefontein wohnen. Seit Jahren sind sie von der Zwangsumsiedelung bedroht, daher haben sie immer nur die notwendigsten Instandhaltungsarbeiten verrichtet.

Ich hoffe, daß unsere Situation unter einer neuen Regierung sicher sein wird. Dann können wir uns hier richtig etablieren. Ich glaube daran, daß man selbständig sein muß; wir müssen selbst produzieren, statt auf die Hilfe anderer zu setzen“, meint die Landpächterin Mndebele. Aber der Mndebele-Haushalt besteht aus vier kleinen Lehmhütten auf einem nur etwa 500 Quadratmeter großen Stück Land. Das ist nicht genug, um die Familie durchzubringen. Einzige Hoffnung ist, daß die Kinder eine bessere Ausbildung und mit ihr ein besseres Einkommen erhalten werden.

„Bisher hat die Regierung hier keine Schulen gebaut. Aber eine neue Regierung könnte dafür sorgen, daß unsere Kinder eine gute Ausbildung erhalten. Dann könnten die Kinder einen gut bezahlten Job finden, und das würde den Familien helfen, ihren Lebensstandard zu verbessern.“

Was die Beziehungen zu den benachbarten weißen Farmern angeht, ist Mndebele skeptisch. „Die meisten Farmer sind Rechtsextremisten. Zur Zeit gibt es zu ihnen keine Kontakte, denn die Farmer halten an der Diskriminierung fest. Aber ich hoffe, daß sie sich verändern, denn es gibt keine Alternative für sie. Und in einem neuen Südafrika muß es einen gemeinsamen Patriotismus geben.“

Sie hat allerdings noch Zweifel über den laufenden Verhandlungsprozeß. „Ich wünsche mir, daß der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) und die anderen Befreiungsorganisationen die Regierung dazu zwingen, unseren Wünschen nachzugeben, die Macht abzugeben. Aber die weiße Regierung ist an der Macht, die Verhandlungen finden unter der Regie der weißen Regierung statt. Das bedeutet, daß die Regierung noch vieles in ihrem Interesse beeinflussen kann.“

Marie Bothma lebt mit ihrem Mann und zwei SÖhnen auf einer Farm bei Amersfoort, 300 Kilometer süd-östlich von Johannesburg.

Es ist eine schöne Landschaft am Rande des Hochplateaus, auf dem Johannesburg liegt: sanft hügelige grüne Grasfelder, auf denen Rinder und Schafe weiden. Nur alle paar Kilometer stehen Farmhäuser oder die Lehmhütten schwarzer Arbeiterfamilien. Die 56jährige Bothma wohnt seit ihrer Geburt in dieser Gegend. Daß Schwarze in Zukunft das Land regieren werden, macht ihr nur wenig Sorgen.

„Ich kenne die Schwarzen seit meiner Geburt“, sagt Bothma. „Ich spreche ihre Sprache, habe mit ihnen gespielt, mich mit ihnen gestritten, mit ihnen zusammen gearbeitet. Aber wenn wir zum Essen gingen, dann gingen sie an ihren Platz und ich setzte mich an den Tisch zum Essen. Und ich habe in meinem Haus geschlafen und sie in ihrem Haus. Wir können zusammen leben, zusammen arbeiten. Auf der Farm hat noch immer Frieden geherrscht. Solange die Aufwiegler weg bleiben, solange das Ausland sich nicht einmischt, können wir unsere eigenen Probleme lösen.“

Bothma glaubt, daß es schon längst „Friedensverhandlungen“ zwischen Schwarzen und Weißen hätte geben sollen. „Wir hassen einander doch nicht, wir kennen einander doch. Außerdem, die Schwarzen hier auf dem Land haben begriffen, daß sie noch nicht ganz ohne die Weißen auskommen können. Sie wissen, wenn sie mit den Weißen zusammenarbeiten, können sie etwas erreichen. Und unsere Schwarzen werden nie rebellisch werden. Vielleicht könnten irgendwelche Schwarzen aus der Stadt kommen und hier Unruhe stiften. Aber von unseren ländlichen Schwarzen haben wir nichts zu befürchten“, erklärt sie.

Viel größere Sorgen macht Bothma sich um die Kämpfe unter Schwarzen. „Die Schwarzen ermorden sich ständig gegenseitig. Die müssen erst einmal die Führung anderer Schwarzer akzeptieren können, müssen sich untereinander vertragen.“

Die Befürchtungen, daß eine schwarze Regierung Weißen das Land abnehmen könnte, teilt Bothma nicht. „Was ist denn in Simbabwe, in Namibia, in Swasiland passiert, als dort schwarze Regierungen an die Macht kamen? Nichts.“ Natürlich mache sie sich Sorgen um ihre Kinder und Enkelkinder. „Unsere Eltern haben sich auch Sorgen um unsere Zukunft gemacht. Aber man versucht eben, sie so zu erziehen, daß sie in Zukunft ihre eigenen Probleme lösen können. Wir mußten Probleme lösen, die unsere Eltern und Großeltern nicht hatten. Genauso werden unsere Kinder ihre eigenen Probleme haben.“

Besonders interessiert verfolgt Bothma den Verhandlungsprozeß in Johannesburg ohnehin nicht. „In unserem täglichen Leben ist das nicht besonders wichtig. Wenn wir es in den Nachrichten sehen, nun gut. Man kann sowieso nichts daran ändern. Deshalb haben wir ja Politiker gewählt, die sich um solche Dinge kümmern. Und in der Bibel heißt es, daß man der Regierung Gehorsam leisten muß. Da wird nicht festgelegt, welche Sorte Regierung es sein muß.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen