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Drakonische Maßnahmen für GriechenlandDie Giftliste des Währungsfonds

Zwei Monatsgehälter und 800 Behörden weg, Renteneintrittsalter um 14 Jahre hoch – die Sparmaßnahmen nehmen Gestalt an. Eher ungeschoren bleiben Reiche und Unternehmen.

Protestierende Lehrer versuchen das Finanzministerium in Athen zu stürmen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die gegenseitigen Erpressungen gehen dem Ende zu. Griechenland droht nach langen Minusjahren mit dem Staatsbankrott, die Euroländer und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangen für ihre Nothilfe einschneidende Sparmaßnahmen. Immerhin soll mit voraussichtlich 120 Milliarden Euro das größte Hilfspaket für einen einzelnen Staat in der Finanzgeschichte geschürt werden. Die Angaben aus den Verhandlungskreisen in Athen variieren noch leicht, aber auf folgende Maßnahmen läuft es bis zur endgültigen Einigung am Sonntag offensichtlich hinaus:

Das Staatsdefizit soll schon bis Ende 2011 stark sinken – von derzeit 13,6 Prozent der Bruttoinlandsprodukts bis Ende 2011 auf 3,6 Prozent. Weil der Staatshaushalt etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, entspricht das Ausgabensenkungen des Staates von 20 Prozent, also jeder fünften Euro wird eingespart!

Den staatlichen Pensionären werden ihre drei Saisonzuschläge gestrichen, so der griechische Sozialminister Andreas Loverdos: Ostern, Sommer und Weihnachten erhalten sie Extrazahlungen. Die Kürzungen entsprechen etwa zwei Monatspensionen.

Das Rentenalter steigt von derzeit 53 auf 67, also um 14 Jahre.

Bei den Staatsdienern fällt das 13. und 14. Monatsgehalt weg, die Gehälter werden für drei Jahre eingefroren und bestimmte Vergünstigungen gestrichen.

Es gibt einen generellen Einstellungsstopp beim Staat, auslaufende Zeitverträge werden nicht erneuert.

Mehr als 800 Behörden werden für unnötig erklärt und abgeschafft, meldet die Financial Times.

Der hohe Verteidigungshaushalt soll schrumpfen, hier lassen sich vor allem die Betriebskosten kurzfristig beeinflussen. Diese sollen im laufenden Jahr um ein Viertel sinken, so der Verteidigungsminister.

Staatsbetriebe werden soweit möglich privatisiert und an der Börse verkauft.

Alle Verbraucher werden zur Kasse gebeten: Die Mehrwertsteuer wird zum zweiten Mal in diesem Jahr herauf gesetzt, von früher 19 auf dann 23 Prozent. Die Steuern auf Tabak und Treibstoffe gehen hoch.

Im Zuge der Einnahmensteigerung will man auch an die Selbständigen und Unternehmen ran. In Griechenland seien die tatsächlichen Unternehmenssteuern zu niedrig, so der Wirtschaftsprofessor Kostas Vergopoulous in der französischen Libération. In anderen Ländern der EU sei ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt meist drei mal so hoch. Jetzt soll die Steuer auf ausgeschüttete Dividenden hochgehen. Ob und wie an die mangelhafte Steuererhebung und -hinterziehung in Griechenland herangegangen werden soll, ist noch unklar.

Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft planen nun für den 5. Mai einen 24-stündigen Streik aus Protest gegen die Regierung. Da dürften die Verträge zwischen der griechischen Regierung, dem IWF und den Euroländern allerdings längst geschlossen sein.

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19 Kommentare

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  • S
    Siggi

    Ich sag nur:

    "Die Schock-Strategie" von Naomi Klein

  • C
    Caana

    Tja, es ist wie immer. Der Leistungträger - der durch seine Arbeit Geld verdient und Steuern leistet - muss für die Verluste der Zocker zahlen, während die Schmarotzer und Mitverursacher der Krise - die Unternehmer, Banker und die durch leistungs- und anstrengungslose Kapitaleinkünfte leben - mal wieder ungeschoren davon kommen.

     

    Die CDU/FDP/Grünen/SPD dürften Tränen vor Freude in den Augen haben, obgrund dieser "Wohltaten" und arbeiten sicherlich schon an einem Programm, dieses auch in Deutschland umzusetzten, spätestens nach der Wahl in NRW, wenn die CDU und die Grünen - die dann plötzlich entdecken, dass Atomkraft ja doch nicht soooo schlimm ist - eine Koalition bilden.

  • KH
    Klaus H

    BRÜNING RELOADED! Nach Deutschland jetzt auch für Europa.

    In Deutschland herrscht offensichtlich wieder gnadenlose Dummheit. Vom HartzIV-Empfänger der sich gegen seinen griechischen Pedanten hetzen lässt, bis zur Bundeskanzlerin, die offensichtlich glaubt Kredite entstehen durch Erspartes.

    Und die Medien sind wieder auf dem Niveau des "Stürmers".

  • G
    GWalter

    War doch klar, dass es so kommt. Billiglohnland Deutschland wird den Gürtel eben noch enger schnallen, damit es anderen besser geht als ihm selbst.

     

    Unsere Eliten tangiert das eh nicht. Dann müssen wir eben noch konkurrenzfähiger werden: weniger feste Arbeitsverhältnisse, mehr Tagelöhner, Löhne und Renten massiv runter

    (1 € hat doch nur noch die Kaufkraft von 0,40 DM),

     

    Sozialleistungen drastisch senken und wer sich kein Auto mehr leisten kann, dem brauchen auch die Schlaglochstrecken nicht saniert zu werden.

     

    Anderen spendieren wir im Exportwahn gern die Dinge für die Hälfte dessen, was es uns kostet. Oder wir verschenken alles gleich ganz, kommt auch nicht mehr drauf an.

  • R
    ReiHe44

    George Bush Senior sagte mal: "In der Politik geschieht nichts, was nicht gewollt ist." So schlicht dieser Ausspruch auch sein mag, er ist tiefgründig und wahr. Es ist charakterlos, jetzt auf den griechischen Arbeitnehmer mit Vorwürfen los zu gehen - er hat NICHTS mit dem zutun, was die "ELITEN" ob in D, GR oder der EU so alles verzapfen. Die Schmarotzer und Kakerlaken sind in den oberen Regionen zu suchen.

    So wahr mir Gott helfe!

  • C
    claudia

    Arbeitslosigkeit rauf, Einkommen runter, das alte bewährte Rezept.

    Auch Krisen werden gebraucht, wenn es sie nicht gäbe müßte man sie erfinden....

     

     

    >>Wann hört dieser Schwachsinn endlich auf?

  • E
    eurosmile

    Ehrlich gesagt bin ich überforder mir eine klare Meinung zu bilden. Ein Absenken der Verbrauchergelder hat einen Einbruch im Konsum zur folge. Wie sonst fordert die großen Parteien in Deutschland so drastisch eine Steuerentlastung allen voran die FDP.

    Wofür hat man kurzfristig eine Abwrackprämie eingeführt

    die dem Staat richtig Geld kostete. Das ist hier und in Griechenland soll das alles anders sein? Arbeitslose Griechen steigern kein Bruttosozialprodukt. Eine europäische sollte her. Europa sollte mehr zusammen wachsen nicht nur finanziell auch sozial.

    Statt dem Arbeitnehmer und dem Rentner das Geld unsozial auf politisch mafiöse Art abzuknüpfen, nach dem Motto "Wir wissen was für Greece gut ist" fehlt jede demokratische Entscheidung. Dies führt zu Unruhen. Europa hat hin geschaut und gesehen was las war, politisch jedoch nicht gehandelt. Das ist so als hätte die Polizei bei einer Plünderung tatenlos zugesehen. und anschließend werden als drastische Massnahmen ale Geschäfte geschlossen.

    Europa sollte aus meiner Sicht für den Fehler zahlen. Und Greece eine demokratische Lösung suchen.

    Für alle die, die nochmehr Maßnahmen wollen

    Grieschenland könnte ja noch ein paar Inseln nebst Einwohner verkaufen, das bringt bestimmt Geld in die Kasse. Lieben Gruß zum 1 Mai Eurosmile

  • A
    avelon

    (Fast) alles schön und gut

     

    Daß allerdings möglichst viele Staatsbetriebe privatisiert und an die Börse verkauft werden sollen, hilft nicht der Bevölkerung in Griechenland sondern wieder einmal Finanzinvestoren bzw. Finanzhaien, die lediglich auf Profit aus sind, und sich einen Dreck um das Wohlergehen eines Volkes scheren.

  • K
    klartext

    Warum nur streiken die Menschen in Griechenland? Hier einige Hintergrundinfos zur Situation der gr. Arbeitnehmer und welche Maßnahmen geplant sind:

     

    - Gehälter werden im öffentlichen und privaten! Sektor für die nächsten 3 Jahre eingefroren (Mindestgehalt für Ungelernte 650 €, für Facharbeiter 800 €, die Bedingungen unter denen der Großteil der gr. Arbeitnehmer lebt)

    - Streichung des Oster- Weihnachts- und Sommergeldes im öffentlichen Sektor, im privaten Sektor wird noch drüber diskutiert, wie die Streichung umgesetzt werden kann, ohne dass dies öffentlich wird...

    - Streichung des Oster- Weihnachts- und Sommergeldes für alle Rentner egal ob frühere öffentlich Angestellte oder private... (Anm.: die niedrigste Rente bekommen Bauern mit 360 €!, Durchschnittsrente: 400 €! Vergleich: europäischer Durchschnitt liegt bei 1000 €, bei ehem. Staatsbediensteten kommt es auf ihre Position an, bitte nicht vergessen, dass z. B. auch Müllmänner und Krankenschwestern Staatsbedienstete sind, die kriegen auch nicht mehr als die Durchschnittsrente)

    - Mehrwertsteuererhöhung auf 23-24% für alle Waren auch Lebensmittel! (bitte nicht vergessen dass z. B. Athen bereits einer der teuersten Städte in Europa ist)

    - Kündigungsschutz: bisher galt für die Privatwirtschaft, dass nur 2 % der langfristig beschäftigten Arbeiter in einem Unternehmen gekündigt werden konnten, soll jetzt auf 4 % angehoben werden, bzw. gibt es Überlegungen die Begrenzung ganz abzuschaffen...

    - bis jetzt gilt auch, dass Unternehmer einem gekündigten Mitarbeiter, der zuvor min. 6 Monate für sie gearbeitet hat eine Abfindung in Höhe von 2 Monatsgehältern zahlen mussten, die soll jetzt um die Hälfte gekürzt werden (Anm.: in GR gibt es kein Hartz4, nur wer min. 2 Jahre gearbeitet hat, bekommt die pauschalen 370 € Arbeitslosengeld pro Monat, 370 € für alles inkl. Miete, Strom, Essen etc.)

    - Tarifverträge im öffentlichen Sektor werden eingefroren, für 87.000 Angestellte werden sie nicht verlängert, Massenentlassungen sind geplant

    - Privatisierung der Sozialversicherungssysteme (Renten- Gesundheitssystem etc.)

    - Kürzungen im Bildungssystem

     

    Das sind die Maßnahmen, die an die bisher in Griechenland an die Öffentlichkeit gelangt sind und sie nehmen ständig zu...

  • C
    CICERO

    Wenn man wirklich soviel Geld für Griechenland bereitstellen(..also verbrennen) möchte, dann sollte man sich mit den Gedanken anfreunden, das diese Maßnahmen schon bald in Deutschland in Angriff genommen werden müssten.

  • ID
    I DenkSchlächter

    ...Eher ungeschoren bleiben Reiche und Unternehmen...

    Ja, was hat man denn erwartet?

    Es ist doch auch in Deutschland so, daß die Reichen geschont werden und den Hartz IVer/innen wird in die hinterste Ritze geschaut, ob da noch ein Cent zu finden ist, warum soll das in Griechenland anders sein?

    Das tollste: Diejenigen, die den Schlamassel verurschat haben, werdeb fett daran verdienen!!!!

  • M
    Martin

    Seit wann ist der Hersteller oder Händler schuld, wenn sich der Verkäufer zu viel leistet?

    Wenn man hört, daß die Griechen mit 53 in Rente gehen und 15 Monatsgehälter bekommen, dann ist es absurd, im Ausland nach den Schuldigen zu suchen.

     

    Aber in der Tat, man liest nichts von einer höheren Erbschaftssteuer oder einer Vermögensteuer, einem Notopfer z.B.: jeder, der mehr als 1 Million Euro Vermögen hat, gibt einmalig 5% ab.

  • AF
    Andreas Fuchs

    Die griechische Bevölkerung hat sich nicht bei "uns" verschuldet.

    Man muss der rechtspopulistischen Stimmungsmache der BILD etc. entgegentreten.

    Nein, SCHULDEN STREICHEN!

    Die Rüstungskonzerne verwenden GRiechenland und Türkei als Absatzmarkt. v.a. aus Deutschland und Frankreich.

    Im Februar reiste Westerwelle nach Athen und verlangte sie sollen den Eurofighter kaufen - sich also NOCH MEHR verschulden.

    Wann hört dieser Schwachsinn endlich auf?

    Griechenland soll seine Mehrwertsteuer heraufsetzen, Ungarn sie herabsetzen. So so .

    Alles Ablenkungsmanöver.

  • P
    polytechniker

    Dieses Feldexperiment 'Chile II' wird scheitern, mit oder ohne NATO Truppen.

  • T
    Tom

    Ein heftiges Sparprogramm mit dem die heutigen Generationen für die Verfehlungen der Vergangenheit büssen! Langfristig muss Griechenland aber das Steuersubstrat erhöhen, sprich Kapitaleinkünfte etc. nicht nur besteuern sondern auch echt einziehen. Mein Vorschlag wäre eine Quellensteuer, d.h. die Unternehmen müssen automatisch den Gewinn ans Finanzamt abführen, denn sonst kommt das Geld bei der Korruption nie an.

     

    Die Bekämpfung der Schattenwirtschaft setzt die verpflichtende Anmeldung der Arbeitnehmer voraus und bei den vielen illegalen Migranten in der Landwirtschaft wird das wie in Spanien bestimmt noch richtig Ärger geben. Die Ausschreitungen in Rosario, Italien sind ja auch ein Ergebnis solcher Entwicklungen...

  • S
    Snuggles

    Eine Schreckensliste für die Griechen. Wenn Papandreou das durchsetzt, ohne Mord und Totschlag in den Strassen, dann gebührt ihm der Respekt der kompletten EU. Btw, wie siehts denn dann in Deutschland mit der sogenannten Schattenwirtschaft aus? Nehmen wir uns dann ein Beispiel? Denn die ist ja auch nicht unerheblich mit z.B. 352 Milliarden Umsatz in 2009. Denn dadurch werden auch bei uns massiv Steuern hinterzogen. Ich gebe das zu bedenken, wenn wieder Bl..dzeitung und andere selbsternannte Moralpostel die Kreuzigung Griechenlands fordern. Ausbaden wirds....., wie in unserem Land, der ehrliche.

  • GM
    Gosig Mus

    Erhöhung der Lebensarbeitszeit, Erhöhung von nicht-progressiven Konsumsteuern, Privatisierung von Staatsunternehmen. Ein Katalog wie aus einem Lehrbuch der Neoliberalen. So schnell kanns gehen in diesem Scheiss-System. Auch in Deutschland werden wenns eng wird erst alle Forderungen und danach alle Errungenschaften obsolet.

  • G
    GonZoo

    Eine spannende Liste, vieles davon tut richtig weh.

     

    Bei Maßnahmen wie einer Mehrwertsteuererhöhung und ähnlichem bleibt allerdings eine wichtige Frage offen: wie geht man mit der Schattenwirtschaft um, die sich weder für den heutigen noch den morgigen Steuersatz interessiert.

     

    Dazu hatte arte vor ein paar Monaten eine Reportage, die einem fast die Sprache verschlägt:

     

    http://www.arte.tv/de/dossier__griechenland/3070230,CmC=3062606.html

  • B
    BerlinMarcus

    Respekt Griechenland...die tun ja was! Hört sich wirtschaftlich gut an... nun müssen auch noch Steuern eingetrieben werden und insbesondere die Unternehmen müssen auch die Steuern zahlen...! Weiter so....!